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Ausstellung in Köln
Religion im Werk Tintorettos

Vor 500 Jahren wurde der italienische Maler Jacopo Tintoretto in Venedig geboren. Bis heute gilt er als einer der produktivsten Maler der Geschichte. Viele seiner Bilder behandeln biblische Themen. Tintoretto selbst war Katholik, sympathisierte aber mit reformatorischen Ideen.

Von Susanne Fritz |
    Ein Mann läuft an einem Selbstporträt Jacopo Tintorettos (um 1547, Öl auf Leinwand) in Rom vorbei.
    Selbstporträt Jacopo Tintorettos (um 1547, Öl auf Leinwand) (AFP PHOTO / Filippo Monteforte)
    Die Welt ist im Umbruch als Jacopo Tintoretto 1518 in Venedig geboren wird. Martin Luther hat ein Jahr zuvor seine Thesen veröffentlicht und damit heftige Debatten ausgelöst. Venedig ist zu dieser Zeit immer noch eine mächtige Handelsmetropole. Die katholisch geprägte Lagunenstadt ist fest in den Händen des Dogen und einiger einflussreicher Familien. Doch auch unter den katholischen Kaufleuten, Juristen und Künstlern wünschen sich viele Reformen in der Kirche. Offenbar geht es dem jungen Jacopo Tintoretto ähnlich. Der Maler ist religiös und kennt die Ideen der Reformation. Er besitzt sogar eine verbotene italienische Bibelübersetzung, sagt der Kunsthistoriker und Tintoretto-Experte Roland Krischel:
    "Tintoretto war ganz sicher religiös. Er hat sich auch seinen eigenen Kopf gemacht über die Heilige Schrift. Tintoretto besaß eine Hausbibel, die Ende der 1530er Jahre entstanden war als Übersetzung von Santi Marmochino. Das war eine Bibel, die besonders nah an den Urtexten entlang übersetzte und die später auf den "Index librorum prohibitorum" gesetzt wurde. Tintoretto setzt dieser heißgeliebten Hausbibel ein Monument, indem er sie portraitiert und malt. So genau, dass man die Seiten identifizieren kann in der Bamberger Himmelfahrt, in der oberen Pfarrkirche."
    Das Bild "Porträt des Nicolo Doria" (1545) des Malers Jacopo Tintoretto ist am 04.10.2017 in der Ausstellung "Tintoretto - A Star was Born" im Wallraf-Richartz-Museum in Köln (Nordrhein-Westfalen) zu sehen. Die Schau zum 500. Geburtstag des venezianischen Malers mit Leihgaben aus u.a. London, Madrid, Mailand, Rom, Venedig und Washington ist vom 06. Oktober 2017 bis zum 28. Januar 2018 zu sehen.
    Jacopo Tintorettos "Porträt des Nicolo Doria" (1545) in der Ausstellung "Tintoretto - A Star was Born" in Köln. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Tintorettos Gemälde "Himmelfahrt Mariens", auch Bamberger Himmelfahrt genannt, ist mehr als vier Meter hoch. Zu sehen sind große Figuren mit überlangen, leicht verdrehten Körpern in elegant fließenden Gewändern: typisch für Tintoretto und die Spätrenaissance. In der Mitte Maria, die gerade von Engeln zum Himmel hinaufgetragen wird. Und ganz unten auf dem Gemälde: ein aufgeschlagenes Buch auf einem Sockel. Es ist die verbotene Bibel. Genau auf Augenhöhe, so dass jeder die Textstelle lesen kann. Damit muss Tintoretto viel Ärger bekommen haben. Das Bild wird aus Venedig weggeschafft. Heute hängt es in der Oberen Pfarrkirche in Bamberg. Trotz der Sympathien einiger Bürger für reformatorische Ideen bleibt Venedig aber katholisch, schreibt der Kunsthistoriker Giuseppe Gullino:
    "Protestantisches Gedankengut fand sowohl in adeligen Kreisen als auch unter Handwerkern Anklang. In Venedig fanden reformationsnahe Lehren vereinzelt Gefolgschaft. Es handelte sich um Einzelpersonen, die ihre religiösen Überzeugungen nicht öffentlich zur Schau trugen."
    Religiös und ehrgeizig
    Offenbar gehört auch Tintoretto zu diesem Kreis von Bürgern. Für die venezianische Kirche Madonna dell' Orto malt er Das Jüngste Gericht: ein 14 Meter hohes Gemälde. Auch darin deutet er subtil seine Sympathien für die lutherischen Ideen an. Auf dem Gemälde wimmelt es nur so von Figuren. Eine davon ist der Erzengel Michael mit der Seelenwaage. In den Schalen der Waage hocken normalerweise die Seelen der Menschen. Sie werden nach ihren Taten im Leben bemessen. Die zu leichten befundenen Seelen kommen in die Hölle. Sie können nach traditionellem katholischem Verständnis nicht auf Gottes Gnade hoffen. Doch Tintoretto hält offenbar mehr von Luthers Lehre. Danach kann der Mensch allein durch seinen Glauben göttliche Gnade erfahren. Roland Krischel:
    "Man sieht das in der Madonna dell' Orto, wo er in einer Darstellung des Jüngsten Gerichts, einen Michael mit Seelenwaage malt, aber ohne Schalen. Es ist nicht das Gewicht der Taten, mit dem man die Gnade Gottes erringt, die Gnade Gottes kommt zum Menschen."
    Tintoretto ist nicht nur ein Maler mit eigenen religiösen Überzeugungen. Er ist auch ehrgeizig. Der Sohn eines Seidenfärbers stammt aus einfachen Verhältnissen. Mit seinen großformatigen pompösen Bildern will er sich einen Namen machen und gesellschaftlich aufsteigen. Tintoretto dient sich den katholischen Bruderschaften in Venedig an. Diese Bruderschaften bestehen aus einflussreichen Patriziern und nehmen karitative Aufgaben in der Stadt wahr. Von ihnen erhält er Aufträge. Daneben arbeitet Tintoretto für reiche Kaufleute und für Adelige und schmückt deren Paläste mit seinen Gemälden. Oftmals verlangen seine Auftraggeber Bilder mit bekannten biblischen Szenen. Tintoretto will sich unterscheiden. Und so lässt er sich was einfallen, um alte Geschichten neu und originell darzustellen. Wie zum Beispiel auf einem Gemälde, das die Bekehrung des Saulus zeigt.
    "Man sieht wie der frühere Christenverfolger Saulus auf dem Weg nach Damaskus eine Licht- und eine akustische Erscheinung hat mit seiner Soldateska, der Himmel bricht auf und Gottvater ruft: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?!" Tintoretto macht daraus wirklich ein akustisches Ereignis, indem er Soldaten zeigt, die sich von der göttlichen Stimme dröhnend den Kopf halten und vor allen Dingen, indem er im Vordergrund des Bildes - links unter einem fast aus der Leinwand herausspringendem Pferd - ein geplatztes Trommelfell zeigt. Wenn man dieses Detail sieht und es ist mit einem Spotlight sozusagen gut ausgeleuchtet, gut sichtbar, dann wird man auch empfänglich für das Hufgetrappel und das Geklirr der Rüstungen und das Knattern der Fahnen rechts im Hintergrund des Bildes."
    Jacopo Tintoretto, Die Bekehrung des Saulus, 1538/39, Öl auf Leinwand.
    Jacopo Tintoretto: Die Bekehrung des Saulus, 1538/39, Öl auf Leinwand. (imago / Le Pictorium)
    Eigentlich ist die Bekehrung des Saulus ein Schlachtengemälde: Gottes gewaltige Stimme im Kampf mit dem ungläubigen Saulus und seinen Soldaten. Die Pferde preschen auseinander, Soldaten stürzen in den Fluss, fliehen vor der göttlichen Übermacht. Mitten drin Saulus auf einem Opferaltar und im Zentrum des Bildes eine Treppe:
    "Nun ich denke: Das auf den ersten Blick sehr absurd wirkende Thema der Treppe, die mitten in der Landschaft steht, ist ein religiöses Motiv. Eine solche Treppe mitten in der Landschaft ist in diesem Fall klar erkennbar, eine Treppe, die zum Himmel führt, tatsächlich führt sie schnurgerade zur Erscheinung Gottvaters, die im Gipfel dieser Treppe hier auch angebracht ist."
    Einzigartiges, akustisches Schlachtengemälde
    Nur der Gläubige gelangt über die göttliche Treppe ins Himmelreich. Die anderen sind dem Untergang geweiht. Doch da ist noch was in dem Bild. Im Hintergrund steht ganz klein, aber gut zu erkennen ein antiker runder Zentralbau:
    "Er ist im Sinne der Luftperspektive bläulich gemalt, und man kann darüber spekulieren, ob da ein heidnischer Tempel gemeint ist oder vielleicht sogar der Turm von Babel."
    Der Turm zu Babel ist in der Kunst ein Symbol für die menschliche Hybris: also für Selbstüberschätzung oder Hochmut. Das bezieht sich hier auf Saulus, den Christenverfolger. Der ungläubige Saulus überschätzt sich maßlos und erkennt die Macht Gottes nicht. In der Antike folgte auf die menschliche Hybris eine göttliche Bestrafung. Davor rettet sich Saulus gerade noch durch seine Bekehrung zum Paulus.
    Tintorettos Darstellung der Bekehrung als akustisches Schlachtengemälde ist einzigartig. Ähnlich originell geht der Maler mit christlichen Legenden um, die er für seine Auftraggeber malen soll. Wie etwa seine Darstellung des Heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen. Dazu Roland Krischel:
    "Im Vordergrund sieht man die sich in Richtung zum Betrachter hinwendende Prinzessin, die förmlich die Bildfläche zu sprengen scheint. Im Hintergrund sehen wir vorsprengend gebeugt über den Pferdehals den in eine Rüstung gekleideten Georg, der mit der Lanze in den Rachen des Drachen stößt und ihn auf diese Weise zähmt."
    Vorstoß zum Kern der christlichen Legende
    So befreit der strahlende Ritter Georg nach der Legende das Land vom Bösen. Beeindruckt bekehren sich die Menschen der belagerten Stadt zum Christentum.
    Eigenartig an Tintorettos Drachentöter-Darstellung: Die Lanze des heiligen Georg ist nur zum Teil zu sehen. Der Maler setzt sie nicht voll ins Bild. Tintoretto versteckt die Lanze zur Hälfte hinter dem Pferd. So entsteht ein merkwürdiges Vexierbild. Da, wo die Lanze zu sehen ist, bildet sie die Verlängerung der Pferdestirn. So hat es den Anschein, als handele es sich bei dem schneeweißen Pferd um ein Einhorn:
    "Es sieht so aus, als würde das Pferd selber zustoßen und zwar als Einhorn. Nun ist das Einhorn nicht nur ein christliches Symbol, sondern auch ein Christus-Symbol; und ich denke Tintoretto will uns nichts anders sagen, als dass es eben nicht der Heilige ist, der den Drachen besiegt, sondern die Kraft Gottes selbst."
    Und der Drache steht in der christlichen Symbolik für den Teufel, der hier einmal mehr von Gott besiegt wird. Damit stößt Tintoretto zum Kern der christlichen Legende vor. Seine Zeitgenossen dürften das erkannt haben. Denn sie waren mit den christlichen Symbolen noch vertraut und so wussten sie Tintorettos Gemälde zu lesen und zu schätzen.
    Schon zu Lebzeiten war Jacopo Tintoretto ein erfolgreicher Maler. Als er 1594 im Alter von 75 Jahren stirbt, hinterlässt er ein gewaltiges Werk. Er malte Altar- und Andachtsbilder, Portraits, religiöse, allegorische und erotische Gemälde.
    Bis heute ist er einer der Stars der italienischen Malerei. Jedes Jahr pilgern Tausende nach Venedig, um seine Gemälde zu sehen: in der Kirche Madonna dell' Orto, im Versammlungshaus der Bruderschaft San Rocco oder im Dogenpalast: Dort hängt Tintorettos Paradies: Vermutlich eines der größten Ölbilder, das jemals gemalt wurde.