Ausstellungs-Präsentation im Londoner Fashion and Textile Museum an einem frostigen Morgen. Nicht gerade T-Shirt-Wetter, aber die Mitarbeiterinnen tragen themenbezogen eine Schicht Baumwolle mit markanten Slogans drauf: "Smash The Patriarchy", Zerschlagt das Patriarchat, steht auf dem T-Shirt der Pressebetreuerin des Museums. Das Foto-Motiv des Ausstellungsplakats zeigt die Modeschöpferin Katherine Hamnett 1984 bei einem Treffen mit Margaret Thatcher. Sie lächelt, doch auf ihrem T-Shirt steht in fetten Lettern: "58 Prozent wollen Pershing nicht."
Jüngere Ausstellungsbesucher werden kaum wissen, dass Pershing der Name in westeuropäischen Staaten stationierter Atomraketen war.
Über Selbstdarstellung und Identität
Doch die Ausstellung hält sich mit historischen Details nicht lange auf. Den erwartungsgemäß anglozentrischen Kern der Schau bildet eine Sammlung von Vivienne-Westwood-Originalen, weitere Schwerpunkte: Agitprop, das Persönlich-Politische, Ethik und Ökologie, das T-Shirt als Kunstwerk, als Medium der Pop-Kultur und natürlich als Modeobjekt.
Eines der prominentesten Exponate ist zugleich klassisches Modehaus-Produkt und pures politisches Statement: Das schlicht bedruckte T-Shirt aus Maria Grazia Chiuris letztjähriger Dior-Kollektion mit der Aufschrift "We should all be feminists". An diesem Punkt findet Mode als Mittel zur Selbstdarstellung ihren idealen Schnittpunkt mit dem aktuellen Boom der Identitätspolitik. Und genau darauf führt Kuratorin Jenna Rossi-Camu die Grundidee der Ausstellung zurück:
"Das T-Shirt hat eine hohe Relevanz in politisierten Zeiten. Einer der Auslöser für mein Interesse an dieser Ausstellung war der Anblick von T-Shirts in Einkaufszentren, die die Aufschrift 'Feminist' trugen. Die Zielgruppe dafür sind sehr junge Frauen, und ich fragte mich: Kaufen die mit diesem T-Shirt eine Ideologie, oder ist es bloß ein Trend? Durch die Arbeit an dieser Ausstellung habe ich in meinem eigenen Glauben an das T-Shirt zurückgewonnen: als Mittel zum Ausdruck von Identität und Identitätspolitik."
Motive mit Rückschlüssen auf unsere Gegenwart
In einer Nebengalerie findet sich eine begleitende Fotoausstellung, die nicht nur T-Shirts, sondern auch ihre Träger*innen porträtiert, allerdings ausschließlich von hinten. Die Fotoserie "T: A Typology of T-Shirts" vereint Bilder, die die Amerikanerin Susan Barnett seit 2009 von Fremden auf der Straße gemacht hat. Einige der oft Songtexten entnommenen Slogans auf ihren Rücken sind auffällig aggressiv: Vom "Anti Social Social Club" bis zu "Your God Can't Save You" - dein Gott kann dich nicht retten. Susan Barnett bedruckte selbst in den Sixties T-Shirts mit Friedensparolen, aus ihren aktuellen Motiven zieht sie Rückschlüsse auf unsere Gegenwart:
"Das sind Schreie im Dunkeln, Aussagen über Begierden, Politik und Sexualität, aber es sind auch Zeitkapseln. Als ich mit dieser Serie anfing, war Obama gerade erst zum Präsidenten gewählt worden, also gab es da viele Botschaften der Hoffnung, sanfte Symbole wie Engelsflügel. Doch wie ich feststellen musste, haben sich die Botschaften mit den Zeiten verändert."
Und so entschlüsselt sich das Ausstellungsthema T-Shirt am Ende als eine einzige große Metapher für das prägende Phänomen unserer Zeit: Die hoch emotionale, oft zornige Besessenheit des Individuums mit seinem Bild von sich selbst.