Wir wissen nicht, ob sich Günter Grass an der Diskussion über Bundesligaspiele in Corona-Zeiten beteiligt hätte. Vielleicht hätte er sich geärgert. Vielleicht aber auch einfach nur heimlich gefreut, dass bald wieder der Ball rollt.
Ziemlich sicher gefreut hätte er sich wohl über das riesige Fußballtor, das bereits seit März im Innenhof des Günter-Grass-Hauses steht, mitten in der Lübecker Altstadt.
Es ist eines von zwei Original-Toren aus dem WM-Halbfinale von 2014, das Deutschland mit 7:1 gegen Brasilien gewann. Hier in Lübeck soll es jetzt den Bogen spannen zum Fußballfan Günter Grass. 2014 sei die letzte WM gewesen, die der Schriftsteller noch verfolgt habe, sagt Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa.
"Die danach hat er Gott sei Dank nicht mehr erlebt." (lacht)
2015 ist Günter Grass im Alter von 87 Jahren gestorben. Dass er ein Fußballfan war, war lange bekannt. Spiele verfolgte er gerne im Stadion. Oder vor dem heimischen Fernseher. "Und am Samstag die Sportschau" heißt ein Gedicht aus Grass‘ Band "Eintagsfliegen", das der Autor auch für eine CD eingelesen hat.
"Ungehemmt, als stünde ich in der Nord- oder Südkurve und säße nicht daheim vor der Glotze, ergießt sich mein Hohn, wenn selbst den Bayern ihr Geld nicht hilft und zwar nach Flanke von links, die mit Glück jenen Habenichtsen gelingt, denen schon wieder der Abstieg droht…"
Grass drückte den kleinen Clubs die Daumen, war Fan des SC Freiburg, des FC St. Pauli und sympathisierte auch mit dem VfB Lübeck.
Ziemlich sicher gefreut hätte er sich wohl über das riesige Fußballtor, das bereits seit März im Innenhof des Günter-Grass-Hauses steht, mitten in der Lübecker Altstadt.
Es ist eines von zwei Original-Toren aus dem WM-Halbfinale von 2014, das Deutschland mit 7:1 gegen Brasilien gewann. Hier in Lübeck soll es jetzt den Bogen spannen zum Fußballfan Günter Grass. 2014 sei die letzte WM gewesen, die der Schriftsteller noch verfolgt habe, sagt Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa.
"Die danach hat er Gott sei Dank nicht mehr erlebt." (lacht)
2015 ist Günter Grass im Alter von 87 Jahren gestorben. Dass er ein Fußballfan war, war lange bekannt. Spiele verfolgte er gerne im Stadion. Oder vor dem heimischen Fernseher. "Und am Samstag die Sportschau" heißt ein Gedicht aus Grass‘ Band "Eintagsfliegen", das der Autor auch für eine CD eingelesen hat.
"Ungehemmt, als stünde ich in der Nord- oder Südkurve und säße nicht daheim vor der Glotze, ergießt sich mein Hohn, wenn selbst den Bayern ihr Geld nicht hilft und zwar nach Flanke von links, die mit Glück jenen Habenichtsen gelingt, denen schon wieder der Abstieg droht…"
Grass drückte den kleinen Clubs die Daumen, war Fan des SC Freiburg, des FC St. Pauli und sympathisierte auch mit dem VfB Lübeck.
Blick auf den Sport in der Literatur
Doch die Ausstellung, die das Grass-Haus in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund konzipiert hat, will nicht nur den Fußballfan Grass zeigen. Sondern auch, wie der Schriftsteller den Sport in seinen Werken immer wieder als Spiegel der deutschen Gesellschaft verarbeitet hat.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen drei Kapitel aus seinem Buch "Mein Jahrhundert". Zu Beginn wirft Grass darin einen Blick auf das erste Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft 1903 zwischen dem VfB Leipzig und der DFC Prag. Erst einige Jahre zuvor war der Fußball aus dem englischen Mutterland in Deutschland angekommen. Noch galt der Sport als bürgerlich und noch waren viele Begriffe gar nicht ins Deutsche übersetzt, wie Grass in seinem Text zeigt.
"Also, man schießt kein Tor, sondern man scort ein Goal. Und man geht in die Half-time. Das bringt er in diesem Text ein."
Der Historiker Philipp Bürger hat die Ausstellung kuratiert. In dem Text über die erste deutsche Fußballmeisterschaft von 1903 greift Grass auch aufkommende Stereotype gegen die eingebürgerten Polen auf.
Grass‘ zweites Fußball-Kapitel beschäftigt sich mit dem ersten deutschen WM-Titel 1954 in der Schweiz. Darin dekonstruiere der Schriftsteller den Mythos von der vermeintlichen emotionalen Gründung der Bundesrepublik.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen drei Kapitel aus seinem Buch "Mein Jahrhundert". Zu Beginn wirft Grass darin einen Blick auf das erste Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft 1903 zwischen dem VfB Leipzig und der DFC Prag. Erst einige Jahre zuvor war der Fußball aus dem englischen Mutterland in Deutschland angekommen. Noch galt der Sport als bürgerlich und noch waren viele Begriffe gar nicht ins Deutsche übersetzt, wie Grass in seinem Text zeigt.
"Also, man schießt kein Tor, sondern man scort ein Goal. Und man geht in die Half-time. Das bringt er in diesem Text ein."
Der Historiker Philipp Bürger hat die Ausstellung kuratiert. In dem Text über die erste deutsche Fußballmeisterschaft von 1903 greift Grass auch aufkommende Stereotype gegen die eingebürgerten Polen auf.
Grass‘ zweites Fußball-Kapitel beschäftigt sich mit dem ersten deutschen WM-Titel 1954 in der Schweiz. Darin dekonstruiere der Schriftsteller den Mythos von der vermeintlichen emotionalen Gründung der Bundesrepublik.
Kritik an Kommerzialisierung des Sports
Sagt Malte von Pidoll vom Deutschen Fußballmuseum in Dortmund.
"Er macht das in diesem Text ganz fein. Der kleine Hinweis, auf den Rängen, vor den Radios, wurde vielleicht doch noch ‚Deutschland, Deutschland, über alles!‘ gesungen, wer weiß? Auch der kleine Hinweis des Dopings – wir wissen es bis heute nicht – aber der Verdacht besteht ja, der existiert, auch der wird von ich gebracht."
"Er macht das in diesem Text ganz fein. Der kleine Hinweis, auf den Rängen, vor den Radios, wurde vielleicht doch noch ‚Deutschland, Deutschland, über alles!‘ gesungen, wer weiß? Auch der kleine Hinweis des Dopings – wir wissen es bis heute nicht – aber der Verdacht besteht ja, der existiert, auch der wird von ich gebracht."
Am bemerkenswertesten sei aber der Bezug auf die zunehmende Kommerzialisierung des Sports. Grass schrieb das Kapitel aus der Sicht eines deutschen Unternehmensberaters. Der ärgerte sich darüber, dass die beiden Hauptakteure auf dem Platz – der deutsche Kapitän Fritz Walter und der Ungar Ferenc Puskás, nach dem Finale nicht viel stärker gemeinsam vermarktet wurden. "Kommerz gibt es schon im Fußball, seitdem es ihn gibt aber die 50er Jahre sind schon bedeutend gewesen."
Sein Fußballerherz schlug für die Underdogs
Immer wieder kritisierte Grass auch in anderen Texten und Interviews das Treiben der reichen Fußball-Clubs. Nach der Wiedervereinigung beklagte er den Ausverkauf und das Dahinsiechen der früheren Ostdeutschen Traditionsvereine. Sein Fußballerherz schlug für die Underdogs. Dazu gehörten lange Zeit auch die deutschen Frauenteams. Deswegen darf in der Lübecker Ausstellung natürlich auch nicht das berühmte Kaffee-Service fehlen, dass der DFB den Frauen nach dem gewonnenen EM-Sieg 1989 schenkte. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk während der Frauen-WM 2011 sagte Grass:
"Der Frauenfußball ist gegen den Widerstand der Männer durchgesetzt worden und das läuft natürlich parallel zu anderen Entwicklungen. Also, was man Emanzipation nennt, dass Frauen ins Berufsleben drängen, ein anderes Selbstverständnis."
Bei der Emanzipation des deutschen Frauenfußballs sah Grass aber auch Grenzen. Er wünschte sich eben nicht die gleiche Kommerzialisierung wie bei den Männern.
Dabei war Grass durchaus selbst ein Meister in der Selbstvermarktung wie auch Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa weiß. Doch immer habe er sich solidarisch mit anderen Schriftstellern gezeigt und beispielsweise einen jungen Kollegen nach dessen Erstlingserfolg vor den Gefahren des großen Geldes gewarnt. Ähnlich wie der Fußball sei leider auch der Kultur- und Literaturbetrieb längst vom Kapitalismus erfasst worden sagt Thomsa.
"Auch wir werden teilweise gemessen an Besucherzahlen, nicht an Inhalten, nicht an interessanten Fragestellungen, das ist eine Entwicklung, die uns Sorge macht und die auch Theater zum Beispiel umtreibt, die also zum 100. Mal die Opfer von Wagner X aufspielen um möglichst viele Menschen zu erreichen, das ist eine Entwicklung, die mit dem Kapitalismus zusammenhängt. Und wenn es einen Schriftsteller gibt, der das immer wieder kritisiert hat, dann Günter Grass."
"Der Frauenfußball ist gegen den Widerstand der Männer durchgesetzt worden und das läuft natürlich parallel zu anderen Entwicklungen. Also, was man Emanzipation nennt, dass Frauen ins Berufsleben drängen, ein anderes Selbstverständnis."
Bei der Emanzipation des deutschen Frauenfußballs sah Grass aber auch Grenzen. Er wünschte sich eben nicht die gleiche Kommerzialisierung wie bei den Männern.
Dabei war Grass durchaus selbst ein Meister in der Selbstvermarktung wie auch Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa weiß. Doch immer habe er sich solidarisch mit anderen Schriftstellern gezeigt und beispielsweise einen jungen Kollegen nach dessen Erstlingserfolg vor den Gefahren des großen Geldes gewarnt. Ähnlich wie der Fußball sei leider auch der Kultur- und Literaturbetrieb längst vom Kapitalismus erfasst worden sagt Thomsa.
"Auch wir werden teilweise gemessen an Besucherzahlen, nicht an Inhalten, nicht an interessanten Fragestellungen, das ist eine Entwicklung, die uns Sorge macht und die auch Theater zum Beispiel umtreibt, die also zum 100. Mal die Opfer von Wagner X aufspielen um möglichst viele Menschen zu erreichen, das ist eine Entwicklung, die mit dem Kapitalismus zusammenhängt. Und wenn es einen Schriftsteller gibt, der das immer wieder kritisiert hat, dann Günter Grass."