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Ausstellung in Marbach
Errata - Fehler aus zweiter Hand

Mit sogenannten Errata-Zetteln werden Fehler in Büchern nachträglich korrigiert. In Marbach würdigt das Deutsche Literaturarchiv diese Zettel mit einer eigenen Ausstellung. Aus Sicht des Schauspielers und Essayisten Hanns Zischler sollte man sie nicht nur als Makel sehen, sondern sie haben auch eine schöne Seite, die die Leselust steigern kann.

Hanns Zischler im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    Der Schauspieler und Autor Hanns Zischler
    Der Schauspieler und Autor Hanns Zischler eröffnet die Ausstellung "Errata. Fehler aus Zweiter Hand" im Literaturmuseum der Moderne in Marbach. (Julia Baier)
    Doris Schäfer-Noske: Wir leben in Zeiten der Perfektion und Selbstoptimierung. Ein makelloses Aussehen
    und ein reibungsloser Ablauf gelten als Ziele, für die es großen Einsatz und auch Opfer zu bringen gilt. Fehler werden als Ausdruck von Charakterschwäche angesehen und müssen unbedingt vermieden werden - auch wenn sie keinerlei negative Folgen für unsere Mitmenschen haben. Dagegen widmet sich eine Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne in Marbach, nun genau solchen Fehlern und Irrtümern. Es geht nämlich um Druckfehler, die der Verlag als solche erkannt und in Form von sogenannten Errata-Zetteln ins Buch gelegt hat. Rund 230 solcher Errata-Zettel sind in der Ausstellung zu sehen, und der Schauspieler und Essayist Hanns Zischler leiht den Druckfehlern morgen Abend bei der Ausstellungs-Eröffnung seine Stimme. - Herr Zischler, von Ihnen stammt auch die Idee zu dieser Ausstellung. Was fasziniert Sie denn so an diesen Druckfehlern?
    Hans Zischler: Errata-Zettel haben mich immer schon fasziniert, weil sie eigentlich das Makellose des Buches trüben. Sie sind ein Makel im Buch, das eigentlich ja doch etwas sehr Schönes und Vollständiges und Reines darstellen soll, und der Errata-Zettel als eine Druckfehler-Berichtigung, wie man im Deutschen sagen würde, macht die Sache natürlich umso schlimmer.
    Schäfer-Noske: …, weil er darauf hinweist, dass da ein Fehler ist.
    Zischler: Ja, er weist darauf hin und er ist als Zettel sozusagen eine Beilage im Buch, die man eigentlich im Buch nicht haben möchte. Das Irreguläre, das Zufällige, das offensichtlich nicht in den Griff zu bekommende, das dem Druckfehler anhaftet, das hat mich fasziniert und zusammen mit den beiden, Heike Gefrreis und Dietmar Jaegle, haben wir da unsere Sammlungen vereinigt und zu einer Ausstellung zusammengestellt und dann auch dieses, wie ich finde, schöne Magazin daraus gemacht: "Errata".
    Schäfer-Noske: Das heißt, Sie haben selbst auch solche Zettel gesammelt?
    "Früher waren die noch sehr viel häufiger"
    Zischler: Ja, ich habe die Zettel in meiner Bibliothek. Früher waren die noch sehr viel häufiger, als die Verlage noch darauf bedacht waren, die Fehler auch kenntlich zu machen. Viele Fehler werden heute einfach stillschweigend übersehen und es wird überhaupt nicht mehr darauf hingewiesen, dass es Druckfehler enthält.
    Schäfer-Noske: Sie sind ja auch Übersetzer und Essayist, haben einen Verlag gegründet. Wie erleben Sie selber das denn, wenn man sich Mühe gibt und überlegt, und am Schluss, da hat sich dann doch wieder ein Fehlerteufel eingeschlichen?
    Zischler: Man ist machtlos. Es ist eigentlich das Gefühl einer tiefen Machtlosigkeit oder Ohnmacht, weil man sagen kann, das kann nicht sein, das kann einen verrückt machen, oder gleichzeitig versöhnt es einen auch wieder, die Zufälligkeit dieser Dinge.
    Schäfer-Noske: Hans Magnus Enzensberger macht das Unbewusste für die Fehler verantwortlich. Früher war es ja auch oft der Setzer, der dann dafür verantwortlich war. Heute sind es aber vielleicht auch die Autokorrekturprogramme, die man da als Co-Autoren betrachten kann, oder?
    Zischler: Im Buchdruck, glaube ich, ist die Autokorrektur noch nicht so häufig. Allerdings habe ich einen Fall zitiert bei einer Nietzsche-Ausgabe, wo es besonders peinlich ist, wo offensichtlich die Autokorrektur vollständig versagt hat. Das heißt aber, dann ist es doch auch wieder der Lektor, der diese autokorrigierten Texte nicht mehr überprüft, sondern sich darauf verlässt, dass die sogenannte Autokorrektur, also die maschinengesteuerte Korrektur die richtige sei. - Man muss immer noch mal hinschauen.
    Schäfer-Noske: Was ist denn da genau passiert bei Nietzsche?
    Zischler: Bei Nietzsche war es so, dass die Wörter, die in der Zeile eng gesetzt waren, einfach einen Scanner angesetzt haben, und der Scanner hat natürlich die Worttrennungen nicht mehr erkannt, und so sind Unwörter, Wort-Monstrositäten entstanden, die von Nietzsche nie stammen konnten. Das heißt, das ist nicht noch mal gegengelesen worden.
    Schäfer-Noske: Gehören denn solche Errata-Zettel nicht schon deshalb jetzt ins Museum, weil man ja bei Online-Büchern eigentlich alles sofort korrigieren kann?
    "Es gibt da sehr schöne sinnentstellende Druckfehler"
    Zischler: Ja, sie gehören ins Museum. Aber ich muss Ihnen dazu sagen: Jede gute große Bibliothek und die Archive der Bibliotheken und die Zettelkästen der Bibliotheken enthalten auch Hinweise auf Errata-Zettel. Eigentlich ist das eine Größe im Buchdruck, die auch quasi immer vermerkt wurde. Es ist natürlich immer schön, auf diesen gesamten Prozess der Buchherstellung mal hinzuweisen, solange es bewegliche Lettern gibt und solange die Menschen mit ihren eigenen Augen lesen und nicht einfach nur Übernommenes in welcher Form aufnehmen, auch auf solche Irregularitäten hinzuweisen. Es gibt da sehr schöne sinnentstellende oder, wie es einmal so schön heißt, sinnstörende Druckfehler. Darf ich Ihnen da einen vorlesen?
    Schäfer-Noske: Gerne!
    Zischler: Da heißt es zum Beispiel in den Naturstudien von Hermann Masius: "Wie’s sanft umblaute" statt "sanft umblumte". Wörter, die fantastisch sind geradezu. "Türme" statt "Tränen", oder man liest "Blumiges" statt "Launiges". Da freut man sich quasi über den Zusatz, den der Druckfehler dem Leser noch mal eine Leselust zusätzlich gewährt.
    Schäfer-Noske: Das war der Schauspieler und Essayist Hans Zischler über die Ausstellung "Errata. Fehler aus zweiter Hand" in Marbach. Die fehlerhafte technische Qualität bitten wir zu entschuldigen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.