Ein-Dollarscheine. Meistens interessiert man sich mehr für das, was man dafür kriegt, als für das, was drauf ist. Aber wer sich die gebräuchlichste aller amerikanischen Banknoten genauer anschaut, entdeckt darauf eine Pyramide mit einem Auge in der Spitze. Und wer den Bestseller "Das verlorene Symbol" des "Da Vinci Code"-Autors Dan Brown gelesen hat, weiss, dass es sich dabei um beliebte Insignien von Geheimgesellschaften handelt. George Washington, der auf der anderen Seite des Scheins porträtiert ist, war ein Freimaurer. Dasselbe gilt für viele amerikanische Präsidenten nach ihm.
Eingeweihte erkannten sich an Emblemen
"Viele Prinzipien in der amerikanischen Verfassung gehen direkt auf Glaubenssätze von Geheimlogen zurück. Und diese wiederum basieren auf den Idealen der Aufklärung in Europa, wo diese Organisationen ihre Wurzeln hatten. Bei uns fanden diese Ideen eine praktische Anwendung."
Ideale wie Freiheit und Gleichheit, sagt die Kuratorin Stacy Hollander, Prinzipien wie Freundschaft und Wohlfahrt hätten in der neuen Nation Widerhall gefunden.
Es lässt sich darüber diskutieren, wie weit die Freimaurer und Bruderschaften wie die Odd Fellows ihre hehren Ziele in den USA durchgesetzt haben. Ihr ästhetisches Erbe ist jedenfalls eindrücklich. Das Folk Art Museum in New York zeigt über 200 Objekte aus der Zeit zwischen dem frühen 18. und dem späten 19. Jahrhundert. Es sind Gegenstände, die bei den Ritualen der Logen eine Rolle spielten, es sind Kostüme und Haushaltgegenstände, die mit Emblemen versehen sind, an denen sich Eingeweihte erkannten. Die drei Kettenglieder der Odd Fellows zum Beispiel schmücken einen prächtigen rot-weißen Quilt. Winkel und Zirkel der Freimaurer sind auf den Deckel einer Kleidertruhe gemalt.
Die Logenmitglieder hätten ihre Requisiten bei denselben Künstlern und Handwerken in Auftrag gegeben, die auch die Haushalte ganz normaler Bürger ausstatteten. So hämmerten Schmiede die Klingen für die ornamentalen Äxte der Odd Fellows. Ein Schildmacher schnitzte die imposanten Säulen für eine Freimaurerloge.
Die individuelle Note ging im Zug der Industrialisierung verloren
Im Zug der Industrialisierung sei die Handarbeit mehr und mehr von Maschinen ersetzt worden, so Stacy Hollander. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Fabriken, die ausschließlich Materialien für Bruderschaften herstellten. Damit ging die individuelle Note verloren, die Handwerker und künstlerische Autodidakten ihren Erzeugnissen verliehen hatten.
Es ist sicher kein gutes Omen, wenn geheiligte Gegenstände im selben Tempo vom Fließband rutschen wie die Fanartikel von Fußballklubs. Doch am Niedergang der amerikanischen Bruderschaften in den 1920er und 1930er Jahren war die Konkurrenz des breiter werdenden Angebots von Freizeitaktivitäten schuld, nicht die schwindende Originalität ihrer Ausrüstung. "Schau vorwärts, nicht zurück", lautet das Motto auf einem Logenwappen. Wo sich das Gestern in Form von Preziosen wie in dieser Ausstellung präsentiert, lohnt sich der Blick zurück aber bestimmt.
American Folk Art Museum, New York: Mystery and Benevolence. Masonic and Odd Fellows Folk Art from the Kendra and Allan Daniel Collection. Bis 8. Mai.