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Ausstellung in New York
"Hansel & Gretel" von Ai Weiwei

Die Besucher treten ihre Rechte am eigenen Bild ab, geraten ins Visier von Drohnen und tasten sich durch völlige Düsternis. Der Künstler Ai Weiwei sowie die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron zeigen in New York die interaktive Installation "Hansel & Gretel" über Beobachter und Beobachtete.

Von Georg Schwarte |
    Digitale Spuren werden sichtbar in der Ausstellung "Hansel and Gretel" von Ai Weiwei, Jacques Herzog und Pierre de Meuron.
    Digitale Spuren werden sichtbar in der Ausstellung "Hansel and Gretel" von Ai Weiwei, Jacques Herzog und Pierre de Meuron. (picture-alliance / dpa / Christina Horsten)
    Ein Licht leuchtet weit hinten am Ende eines dunklen Tunnels. Der Besucher, hineingeschickt in die scheinbaren Eingeweide der Dunkelheit. Hänsel und Gretel. So müssen sie sich gefühlt haben, damals verirrt im Wald:
    "Wir hatten diese Idee der totalen Freiheit. Sich verloren zu fühlen in der Dunkelheit. Im Raum. In der Fläche."
    Jacques Herzog und sein Partner Pierre de Meuron, zusammen zwei der begehrtesten Architekten der Welt, die Elbphilharmonie haben sie entworfen, die Münchner Allianzarena, das Birds Nest - das vogelartige Olympiastadion in Peking - gemeinsam mit dem dritten im Bunde, dem Chinesen Ai Weiwei. Und eben diese drei Künstler schicken hier in der New Yorker Park Armory jetzt die Besucher der Ausstellung "Hansel and Gretel" auf eine ganz besondere zweigeteilte Reise:
    Da, wo das Licht leuchtet, am Ende des Tunnels, erwartet den Besucher ein weiterer Mitarbeiter. Letzte Anweisungen: Es gibt keine Stufen, nur ein kleiner Anstieg - viel Spaß. Die Tür der Drill Hall geht auf. Dunkelheit überall und ein Surren:
    In völliger Düsternis steht der Besucher in der riesigen Halle. Vom Licht ins Dunkel. Man selbst sieht nichts, aber wird gesehen: Von oben, von der Seite. Von draußen.
    "Wir, die Besucher, gehen hier wie Hänsel und Gretel durch den Wald. Statt wie sie Brotkrumen zu hinterlassen, hinterlassen die Besucher hier digitale Spuren. Werden beobachtet. Werden aufgezeichnet. Jeder Besucher hinterlässt sein Muster."
    Beobachter werden Beobachtete
    Hansel and Gretel. Eine Ausstellung über Beobachter und Beobachtete. Über den Köpfen in der Dunkelheit surren die Drohnen. Jeder Schritt fotografiert. Infrarotkameras. Gesichterkennungssoftware. Auf dem schwarzen Boden: Hände und Füße. Gesichter. Körper der Besucher. Drohnen.

    Aus der Dunkelheit dann spuckt die Ausstellung die Besucher plötzlich zurück auf die Straße.
    "Du bist wieder im öffentlichen Raum, draußen", sagt Pierre Meuron. Dann Teil zwei: Die Türe knallt zu. Ein Mitarbeiter sagt: Zwei Sekunden stehen bleiben. Sie werden fotografiert.
    Beobachter werden Beobachtete. Das Foto des Besuchers am Eingang unversehens hier auf riesige Leinwänden drinnen projiziert. Der Besucher wird Teil der Ausstellung. Sieht sich und schaut durch Sehschlitze hinein in die große Drill Hall, sieht andere durchs Dunkel irren, da, wo man selbst eben noch stand. Sehen und Gesehen werden. Ai Weiwei, der Chinese, selbst jahrelang überwacht, sagt:
    "Das hier - ein Spiegel der Welt."

    Hänsel und Gretel. Eine der beunruhigenderen Ausstellungen im New York dieser Tage. Die aufgenommen Bilder der Besucher übrigens gespeichert. Die Rechte daran abgetreten. Steht auf der 15 Dollar Eintrittskarte. Wie im richtigen Leben eben. Niemand hat mehr Kontrolle über seine Daten. Nicht mal in einer Kunstausstellung.