Zwei Prunkstücke der Ausstellung liegen nebeneinander in übergroßen Vitrinen, diagonal im Raum platziert. Ein Ensemble, bestehend aus einem Unterrock aus Seidenlamé und Seidentaft, Stickerei, Klöppelborten, Pailletten schmücken das matt gewordene Gelb des Stoffes, dazu ein Ärmelpaar. Im Schaukasten daneben das passende Oberkleid, körperferner Fall, kegelförmiger Schnitt, bodenlang, superelegant, braun aus dunklem Samt. Ehemals soll er schwarz gewesen sein, damals in der Renaissance. Nur im Brustbereich wurde das Oberkleid mit Posamenten geschlossen, was den Blick frei ließ auf das Gewand darunter.
Diese doppelte Gewandung galt als Festkleid der Frauen. Ein Kleidungsstück, das prägend war für die Mode an verschiedenen europäischen Höfen zwischen 1550 und 1580. Das Gemälde von Hans Mielich daneben aus dem Jahr 1556 zeigt das Porträt der Herzogin Anna von Bayern in genauso einer repräsentativen Standeskleidung.
Fast 50 Kleidungsexponate der damaligen Oberschicht versammelt die Ausstellung "In Mode", ergänzt durch Gemälde und grafische Blätter der Zeit. Das Germanische Nationalmuseum verfügt weltweit über die bedeutendste Textilsammlung der frühen Neuzeit. Dass die Kollektion bisher noch nicht erschlossen war, ist erstaunlich, denn der Zeitraum zwischen 1530 und 1650 spiegelt einen spannenden, beinahe rasanten kulturhistorischen Wandel, der eben auch die Mode umfasst.
Spätmittelalterliche Kleidungsgewohnheiten werden abgelöst von geradezu modernem Kleidungsverhalten. Die Mode wird individueller und selbstbestimmter. Vieles dabei wirkt nahezu zeitgenössisch. Entdeckungen, Handel, Reisen weiten die Horizonte der europäischen Oberschicht und machen empfänglich für andere Kulturen und Moden. Man beginnt, sich für andere Kleiderordnungen zu interessieren, wobei die französische Mode und ihr besonderer Schick schon damals federführend sind.
Prompt ruft das prüde Schriften vor allem kirchlicher Obrigkeiten auf den Plan, die eindringlich davor warnen, sich nicht zu weit von der eigenen kulturellen Identität zu entfernen. Nationale Abgrenzungen prägen plötzlich auch die Modediskurse. Zudem entfaltet sich in der Zeit um 1600 so etwas wie die erste Gender-Debatte. Zunehmend interessieren sich Frauen für Kleidung, die eigentlich Männern vorbehalten war. Der "Kampf um die Hose" entsteht.
Frauen beginnen, schicke Elemente wie den Hut, die Halskrause oder das Wams, das ursprünglich der militärischen Kleiderordnung entstammte, für sich zu entdecken, ohne dass dies zunächst sozialpsychologische Konsequenzen nach sich zieht. Dennoch ist die neue Mode des Unisex ein Skandal für die Hüter der Tradition, die die Weltordnung gefährdet sehen. Der deutsche Kaplan Johann Ellinger etwa fürchtet im Jahr 1629 gar um die "Herrschafft und Freyheit" der Männer. Hüte oder Barette tragende Frauen, die zuvor ihr Haar durch Hauben verhüllt hatten, galten als Inbegriff der "verkehrten Welt".
Auch die androgyn anmutenden Wämser mit flacher Brust, die Frauen jetzt gerne trugen oder der Stehkragen wurden aus religiöser Sicht und der Einschätzung weltlicher Obrigkeiten diskriminiert. Verschiedene Flugblätter in der Ausstellung künden von dieser Furcht vor Wandel, Modernität und einem sich verändernden Frauenbild.
Dass die Mode jener Zeit noch für Couturiers an der Wende zum 20. Jahrhundert interessant war und als Vorbild diente, zeigt die Gegenüberstellung eines reich bestickten weißen Wollmantels mit Kapuze aus den Jahren 1580 und 1620 mit einem hocheleganten Damencape aus dem Jahr 1895, kreiert vom legendären Pariser Haute-Couture-Haus Worth. Das Cape, das damals das Titelblatt des in New York erschienenen Magazins "Harpers Bazar" schmückte, ist eine Leihgabe des Metropolitan Museum of Art in New York an das Germanische Nationalmuseum, das wiederum das Original besitzt.
Die Mode von Renaissance und Frühbarock war so kostbar, dass sie sogar von den wohlhabenden Schichten immer wieder umgearbeitet wurde. Waschen ließ sie sich hingegen nicht. Zur Reinigung hängte man die sensiblen Stoffe einfach an die frische Luft oder ließ sie abbürsten. Fingerhüte und Bügelscheren in der Abteilung Kleideralltag zeugen von dieser eingeschränkten Pflegekultur.
Die Räume der Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum sind abgedunkelt, die Materialien eben nicht nur kostbar, sondern hochempfindlich. Die Seidenstoffe könnten bei jeder Berührung zerfallen. Licht schadet ihnen. Wie alten Kunstwerken eben auch.
Zusätzlich ermöglicht eine vertiefende Medienabteilung, Details in Großaufnahme oder per Röntgenblick zu betrachten. So liefert die Ausstellung spannende Einblicke in Tradition und Modernität der Kulturgeschichte vor fast 500 Jahren, zeigt nicht nur schöne Kleider, sondern öffnet die Perspektive hin zu sozialen, ökonomischen und mentalitätsgeschichtlichen Prozessen. Der Restaurierungsaufwand für diese Ausstellung war hoch, er hat sich jedoch mehr als gelohnt.