Die erste Vitrine, gleich eingangs, präsentiert sechs Meisterwerke der Orientchristen. Darunter eine Freske, die ein uraltes Gotteshaus zeigt; daneben eine syrische Bibel aus dem sechsten Jahrhundert, ein Mosaik mit der Jungfrau Maria. Historische Exponate, die einen geographischen Rahmen setzen, erklärt Kuratorin Elodie Bouffard:
"Uns interessiert hier ein ganz spezielles Territorium. Dazu zählen die heutigen Staaten Irak, Libanon, Syrien, Jordanien, Palästina und Israel sowie Ägypten. Die Exponate sind unterschiedlichster Herkunft, um so den künstlerischen Reichtum der Orientchristen aufzublättern - mit Mosaiken, Seidenmalerei, Handschriften, Holzmalerei, Metallkunst, Bildhauerei. Wir möchten eingangs klar machen: Das Christentum ist im Orient entstanden, es hat sich dort organisiert, es ist dort erblüht."
Zeugnisse der ersten Christen
Das orientalische Christentum hat sich im Laufe der Jahrhunderte in eine Vielzahl christlicher Konfessionen aufgesplittert: Da sind die Kopten in Ägypten, da ist die armenische Kirche im Libanon, Orthodoxe leben in Syrien, Maroniten und Chaldäer im Irak. Auf elf Millionen wird die Zahl der Christen im Nahen Osten heute geschätzt. Die Ausstellung geht zurück zu den Anfängen, bis ins Jahr 232. Aus dieser Zeit stammen die zwei schmalen hohen Fresken aus dem syrischen Dura-Europos, die in Paris ausgestellt werden. Verziert sind sie mit naiv anmutenden Jesus-Szenen, darunter die Wunderheilung eines Gelähmten.
Elodie Bouffard erklärt: "Sie entstammen der ältesten bekannten Kirche der Welt", erklärt Bouffard. "Diese Bilder sind, neben denen in den römischen Katakomben, die ältesten Jesus-Darstellungen. Sie klären uns auf über die ersten christlichen Gemeinschaften. Bei der damaligen Kirche handelte es sich um ein spezielles Haus, ein geheimer Versammlungsort für die Gläubigen, die damals noch verfolgt wurden."
Die Fresken schmückten das Baptisterium. Der Hauptraum war dem Gottesdienst vorbehalten, im Kreise der Gläubigen.
"Sie befanden sich also mitten im liturgischen Geschehen. Ganz anders als bei unserer damaligen heidnischen Kultur. Deren Tempel blieben verschlossen und ließen die Gläubigen vielleicht einmal jährlich zu. Bei den Christen hingegen fand sich der Gläubige im Herzen der Kommunion. Daran lässt sich ablesen, welchen Umbruch das Christentum damals bewirkte."
"Die Christen waren maßgeblich beteiligt an der Renaissance der arabischen Kultur"
Selbst nachdem die Araber den Vorderen Orient erobert hatten, blieb der christliche Glauben dort über lange Zeit Hauptreligion. Bei der Islamisierung dann wurde den Christen wie auch den Juden ein Sonderstatus zuerkannt: Die sogenannten Dhimmis, arabisch für 'Protegierte', konnten ihren Glauben frei ausüben, ihr Leben gestalten. Zwar wurden sie nach und nach zu religiösen Minderheiten, dennoch spielten Christen in Politik, Gesellschaft und Kultur im Orient weiterhin eine wichtige Rolle, erklärt Charles Personnaz. Der Gesandte des Pariser Verteidigungsministeriums ist bei Oeuvre d'Orient aktiv, einer französischen katholischen Einrichtung, die seit über 160 Jahren Orientchristen zur Seite steht. Charles Personnaz weist auf einen Setzkasten mit historischen Bronzelettern in einer Ausstellungsvitrine.
"Ein Gutteil der Drucklettern stammt aus dem Libanon. Es sind arabische Schriftzeichen. Die über die christlichen Gemeinden im Orient verbreitet wurden. Damit spielten die Orientchristen eine wesentliche Rolle bei der Wiedergeburt der arabischen Sprache ab dem 16. Jahrhundert. Und vor allem im 19. Jahrhundert. Damals waren die Christen maßgeblich beteiligt an der Renaissance der arabischen Kultur, Nahda genannt."
Ausstellung reicht bis in die Gegenwart
Der letzte Teil der Ausstellung zur 2.000-jährigen Geschichte der Orientchristen ist der Neuzeit gewidmet. Und geht der Frage nach, was es bedeutet, heute Christ zu sein in der arabischen Welt. In einer Epoche, in der islamistischer Fundamentalismus erstarkt, in der die Terrororganisation Islamischer Staat uralte christliche Kultstätten in Schutt und Asche legt, gewalttätig gegen Gläubige vorgeht. Gräueltaten, die die Orientchristen weltweit in die Schlagzeilen brachten, sagt Monseigneur Pascal Gollnisch, Generaldirektor bei Oeuvre d'Orient.
"Diese Tragödie, die die Orientchristen erleben, hat im Westen viele Menschen aufgerüttelt. Neulich kam ein kommunistischer Abgeordneter auf mich zu und sagte, er sei Kommunist und stehe auf der Seite all derer, die verfolgt werden. Also stehe er auch aufseiten der Orientchristen. Das allgemeine Entsetzen betreffs der Verfolgung der Orientchristen führt zu einem neuerwachten Interesse an ihrer Kultur."
Kulturschätze und Alltagsgegenstände
Vier kunstvolle Manuskripte in der Ausstellung glänzen frisch restauriert. Die ersten Kulturschätze, die im kürzlich eröffneten Restaurierungszentrum im Libanon vor dem Verfall gerettet wurden. Auf Initiative des Oeuvre d'Orient und französischer staatlicher Kulturinstitutionen. Manches Exponat im Pariser Institut der arabischen Welt ist eine Leihgabe aus dem Alltagsgebrauch christlicher Gemeinden im Orient, berichtet Monseigneur Pascal Gollnisch.
"Wissen Sie, das erste, worum Orientchristen uns bei Oeuvre d'Orient bitten, ist: Erzählt der Welt, wer wir sind. Erzählt, dass wir existieren. Erzählt unsere Geschichte, unsere Kultur."
Dass diese Geschichte, diese Kultur zutiefst zur Geschichte und Kultur der arabischen Welt gehört, möchte die Pariser Ausstellung detailliert vermitteln.
Die Ausstellung "Chrétiens d'Orient. Deux mille ans d'histoire" im Institut du monde arabe, Paris ist bis zum 14. Januar 2018 zu sehen.