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Ausstellung "Kuba Libre" in Rostock
"Es wird eine völlige Umwertung der kubanischen Kunstgeschichte geben"

Kuba ist ein Land im Umbruch. Lange Jahre durch die US-Politik isoliert, kommen sich beiden Seiten nun allmählich wieder näher. US-Präsident Barack Obama war schon da, die Rolling Stones auch. Was kubanische Künstler über ihr Land denken, zeigen sie in der Ausstellung "Kuba Libre" in der Kunsthalle Rostock. Nicht nur das Land verändert sich, auch die Kunstszene, wie DLF-Kunstkritiker Carsten Probst erklärt.

Carsten Probst im Gespräch mit Kathrin Hondl |
    Konzert der Rolling Stones in Havanna/Kuba am 25.3.2016
    Die Rolling Stones bei ihrem Auftritt in Havanna (picture alliance / dpa / Alejandro Ernesto)
    Kathrin Hondl: Irgendwann ist dann wohl auch "Hasta Siempre" nicht mehr für immer. Kuba wandelt sich, nähert sich dem Westen an, wie man ja immer noch sagt. Barack Obama war gerade zu Besuch auf der revolutionären Insel, die Rolling Stones haben in Havanna gespielt und auch Deutschland macht mit beim kubanischen Wandel. Unter anderem soll das Goethe-Institut bald wieder eine richtige Adresse auf Kuba haben.
    Und selbst hier in Deutschland werden kultureller Wandel und Austausch sichtbar. "Kuba Libre" heißt die Ausstellung, die jetzt in der Kunsthalle Rostock eröffnet unter der Schirmherrschaft von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Zu sehen ist Gegenwartskunst aus Kuba und gesehen hat sie unser Kunstkritiker Carsten Probst. Auf der Homepage der Kunsthalle Rostock, Herr Probst, heißt es - ich zitiere das mal kurz: "Für diese Ausstellung spielt die politische und kulturelle Beziehung zwischen Kuba und der DDR eine Rolle." - Wie ist das nun, Herr Probst? Ist die Ausstellung als ein Zeichen der aktuellen Öffnung und Annäherung an Kuba zu verstehen, oder werden da jetzt eher alte Bande zwischen Kuba und der DDR reanimiert?
    Carsten Probst: Ja, das könnte man fast denken. Aber ich glaube, das Außenministerium, das ja die Schirmherrschaft hat über diese Ausstellung, hat sich wohl gedacht: Erstens gibt es diese traditionelle Beziehung DDR. Rostock war ja der große Handelshafen, von wo aus viele Schiffe immer nach Kuba gegangen sind. Gleichzeitig hat Fidel Castro bei seinen Staatsbesuchen sehr gerne immer im Hotel Neptun, heißt es, in Rostock übernachtet. Es gibt da so ein bisschen Lokalkolorit. Auf der anderen Seite möchte man den Bürgern Ostdeutschlands mal einen Staat im Umbruch anhand dessen Kunst oder künstlerischer Äußerungen vor Augen führen, wie es auch die DDR vor 25 Jahren gewesen war, dass es hier vielleicht die eine oder andere Übereinstimmung gegeben haben könnte, oder auch gerade vielleicht Prozesse, wo es ganz anders läuft in Kuba, denn da herrscht ja nach wie vor eine riesige Armut beispielsweise, was auch Thema in dieser Ausstellung ist.
    Hondl: Inwiefern ist denn dieser Umbruch oder die diplomatische Öffnung Kubas gen Westen überhaupt schon bei den Künstlern in Kuba angekommen, mal abgesehen davon, dass die jetzt neulich die Stones hören durften wie alle Kubaner? Wie frei können kubanische Künstlerinnen und Künstler in Kuba inzwischen arbeiten?
    Probst: Ja, das ist natürlich ein großes Thema. Ich würde sagen, erst mal in Abwesenheit der große Name hier: Tania Bruguera, die Künstlerin, die ja bekannt wurde unter anderem für den Hausarrest, unter den sie gestellt wurde, nachdem sie 2014 auf der Place de la Révolution in Havanna eine große Aktion machen wollte mit lauter Leuten, die zehn Minuten lang völlig frei sprechen können sollten als Kunstaktion. Inzwischen ist dieser Hausarrest ja aufgehoben. Nur zeigt die Tatsache, dass sie selbst in dieser Ausstellung überhaupt nicht präsent ist, dass es immer noch ziemlich schwierig ist, und das wissen natürlich auch die Künstlerinnen und Künstler. Die Formensprache, die impliziten Botschaften in diesen Kunstwerken kommen doch relativ verhalten rüber, denken wir beispielsweise an Roberto Diago. Der ist hier mit einer Installation aus Brettern und Holzklötzen zu sehen, zitiert ein bisschen die Architektur der Armenviertel in Havanna und vor allem diesen Zusammenhang zwischen Armut und dunkler Hautfarbe, also Rassismus unterm Sozialismus. Das sind allerdings auch Positionen, die man zuweilen auch schon auf der Havanna Biennale hat sehen können. Ganz so strikt ist es natürlich nicht.
    Hondl: Inwiefern passt eigentlich der Titel zur Kunst der Ausstellung? "Kuba Libre", Mix aus kubanischem Rum und Coca Cola? Wie kubanisch ist die kubanische Kunst? Wieviel Cola ist beigemischt oder wie viel westliche Massenkultur ist da schon dabei?
    Probst: Ja genau. Das ist ein ganz interessantes Thema auch unter Rum, weil sich natürlich - das muss man auch bedenken - Opposition gerade bei Künstlern und Intellektuellen in Kuba ja gar nicht unbedingt gegen den Sozialismus richtet. Beispielsweise Esterio Segura hat hier eine große Installation im Foyer der Kunsthalle Rostock, die nennt sich "Goodbye my Love" nach diesem alten Schlager. Das sind acht herzförmige Flugzeuge an der Hallendecke, ursprünglich bezogen wohl auch auf das Exil, auf die Leute, die vertrieben wurden und ihre Familien zurücklassen mussten. Aber inzwischen wird das auch ganz anders gelesen, als Metapher auf den Verlust der Identität Kubas durch diese zunehmende Annäherung an Amerika. Das ist ein großes Thema bei den Künstlern, spielt in dieser Ausstellung auch eine große Rolle.
    Hondl: Und wie haben Sie insgesamt die Atmosphäre in dieser "Kuba Libre" Ausstellung erlebt? Ist da so was wie Aufbruchsstimmung spürbar? Waren vielleicht Künstler da jetzt in Rostock?
    Probst: Ja, das spielt eine große Rolle. Es gibt so ein Beiprogramm, Begleitprogramm, in dem es richtig zu Gesprächen, zu Dialogen auch mit der Bevölkerung kommen soll. Das ist, würde ich fast sagen, das deutlichste Zeichen von Öffnung, dass hier sehr freizügig und auch sehr unbürokratisch relativ kurzfristig solche Reiseprogramme von Künstlern arrangiert wurden. Grundsätzlich die Atmosphäre wird natürlich auch von den Werken selber geprägt. Man muss sich noch einmal vor Augen führen, dass es natürlich nicht dieser sozialistische Realismus ist, den wir beispielsweise aus den damaligen Ostblockländern kennen. Vom handwerklichen Standpunkt ist diese Kunst oft von ganz großer Brillanz, von Originalität, aber folgt natürlich im Wesentlichen immer noch einem Kunstbegriff, der im Westen seit Langem als überholt gelten muss. Etwas sehr Handwerkliches ist immer wieder dabei. Hier spürt man, finde ich, diesen Umbruch noch am allerdeutlichsten, nämlich diese Schwelle, die in den nächsten Jahren eigentlich von der kubanischen Kunstszene wahrscheinlich überschritten werden wird, weil schon jetzt ja sehr viel Spekulation vom westlichen Kunstmarkt hier mit kubanischer Kunst getrieben wird und sich dadurch natürlich die Kunstszene immer stärker auch diesen westlichen Gepflogenheiten anpassen wird und wahrscheinlich eine völlige Umformatierung, eine völlige Umwertung der kubanischen Kunstgeschichte stattfinden wird, genau so, wie wir es eigentlich auch bei der Kunstgeschichte der DDR erlebt haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.