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Ausstellung: Made in Germany
Politik mit Dingen

Das Museum der Dinge in Berlin zeigt eine Ausstellung über den Deutschen Werkbund 1914. Der Interessenverband aus Kunst, Industrie und Handwerk wollte am Vorabend des Ersten Weltkriegs zeigen, wie ein eigener deutscher Stil aussehen könnte. Der Beginn von "Made in Germany".

Von Katja Bigalke |
    Stühle, Teetassen, Weckgläser. Töpfe, Krüge, Gewürzregale. Plakate, Bügeleisen, Zigarettenetuis. In den Vitrinen des Berliner Museums der Dinge stapeln und quetschen sich unterschiedlichste Objekte aus mehr als hundert Jahren deutscher Haushaltsgeschichte. Was auf den ersten Blick wie das etwas ausufernde Sammelergebnis eines Flohmarktbesessenen wirkt, sind in Wirklichkeit die Schätze des Archivs des Deutschen Werkbunds, einer mehr als hundert Jahre alten Vereinigung von Künstlern, Architekten und Unternehmern. Da gibt es zum Beispiel einen, in seiner funktionalen Schlichtheit unübertroffenen, elektrischen Wasserkocher:
    "Das ist so ein Beispiel für diesen schlichten Stil von Peter Behrens entworfen – allerdings schon 1908. Ein Produkt für die AEG. Das ist ja immer das super Beispiel für die gelungene Einheit von Kunst und Industrie."
    Sagt Renate Flagmeier, Kuratorin von "Made in Germany – Politik mit Dingen." Aufhänger dieser Schau ist die erste Ausstellung des Deutschen Werkbunds vor hundert Jahren in Köln. Und weil das Glashaus von Bruno Taut damals der am meisten aufsehenerregende Pavillon auf dem Gelände am Rhein war, ist das Architekturmodell auch das Herzstück von "Made in Germany". Ein kreisförmiger Bau mit einer bauchigen nach oben spitz zulaufenden Kuppel. Mit gläsernen Stufen, Böden und Wänden.
    "Das Glashaus ist so die Inkunabel der modernen Architektur und auch natürlich sehr expressionistisch in seiner Gesamtstruktur, aber von den Materialien entspricht es genau der Idee von Moderne."
    Und modern sollte Deutschland sein. Fand zumindest der Interessensverband, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts antrat, um unter dem Namen "Werkbund" einen deutschen Stil zu erfinden. In einer Zeit, als das Fließband traditionelle Handwerkstechniken ablöste, ohne die passende "industrielle Form" dafür gefunden zu haben. Auf dem Weltmarkt zählten deutsche Produkte – anders als heute – nicht viel. Im Gegenteil: Das Label "Made in Germany", das auf britische Initiative seit 1887 auf sämtlichen Exportprodukten kleben musste, galt als billig und schlecht:
    "Es wurde auch viel kopiert und da ging es darum, sich politisch durchzusetzen. Es hatte ja eine sehr späte Nationalstaatsbildung stattgefunden in Deutschland und dadurch gab es ja sehr viele Regionalismen. Und diese Idee einer einheitlichen Sprache hat sehr viel mit diesem Kampf gegen die Regionalismen zu tun."
    "Made in Germany" sollte deutsche Produkte zum Exportschlager machen
    Statt Mangelware auszuzeichnen, sollte "Made in Germany" zum Exportschlager werden. Qualitativ und innovativ. Man kann das eine Globalisierungsstrategie nennen. Für Künstler und Architekten wie Henry van der Velde oder Hermann Muthesius war es wohl eher der Anspruch, durch die gute Form die Welt zu verbessern.
    Muthesius postulierte die Forderung nach Weltgeltung der deutschen Form. Es gilt mehr als die Welt zu behaupten, mehr als sie zu finanzieren und zu unterrichten und sie mit Waren zu überschwemmen, es gilt ihr das Gesicht zu geben.
    Der Erste Weltkrieg machte den Werkbündlern einen Strich durch die Rechnung. Danach hatte sich die Frage nach der speziell "deutschen Form" erst mal erledigt. Die Suche nach einem dem neuen Maschinenzeitalter angemessenen Stil aber war weiter aktuell.
    "Diese ganzen Schnitzereien an Möbeln, das ist ja handwerklich produziert. Das wurde am Anfang der Massenproduktion imitiert und aufgesetzt und diese Unehrlichkeit auf der Materialebene auch auf der technischen Ebene wollte der Werkbund abändern."
    So richtig hat sich die Idee der industriellen Veredelung des Alltags dann erst ab den 50er Jahren durchgesetzt. Bekanntestes Beispiel: die Firma Braun, deren Produkte bis heute als Designklassiker gelten. Oder die Weck-Gläser, in die der anspruchsvolle Foodie seine selbst gemachte Marmelade füllt. Das Label "Made in Germany" jedenfalls profitiert noch immer von der PR des Werkbundes. Allerdings gilt heute wie damals: Etiketten besser nie zu viel Glauben schenken!