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Ausstellung "RESIST!" in Köln
Widerstand im Wartemodus

Die Ausstellung "RESIST!" im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum dokumentiert historische und aktuelle Kämpfe gegen den Kolonialismus. Die Eröffnung musste verschoben werden. Doch durch die Fenster des geschlossenen Museums sind stumme Zeugen der Kunst des Widerstands bereits zu sehen.

Von Anja Reinhardt |
Aktivistinnen in traditioneller Kleidung Demonstrieren in deutschland. OvaHerero and Nama activists have protested several times in Germany for reparations.
OvaHerero und Nama Aktivistinnen protestierten schon mehrfach in Deutschland für eine Wiedergutmachung (Rauten Strauch Joest/Joachim Zeller CC BY-ND 2.0)
Widerstand im Wartemodus - das scheint gerade für diese Ausstellung reichlich absurd. Nimmt die Diskussion um die Verantwortung für 500 Jahre Kolonialgeschichte doch erst seit wenigen Jahren Fahrt auf. Das Kölner Rautenstrauch-Joest Museum ging schon kritisch mit seiner Sammlungsgeschichte um, bevor das Thema durch das Berliner Humboldt-Forum auch außerhalb von Fachkreisen diskutiert wurde. Und es will jetzt mit der Ausstellung "Resist!" ganz gezielt seine Besucher in die Debatte einbeziehen. Vielmehr wollte, denn die geplante Öffnung Ende Oktober konnte nicht stattfinden.
Wegen der Maßnahmen gegen das Corona-Virus, und auch, weil hinter den Kulissen organisatorisch alles Kopf stand, wie Museumsdirektorin Nannette Snoep sagt: "Alles haben wir virtuell gemacht, via Whatsapp oder Zoom."
Stimmenarchiv des Widerstands
Auf der Ausstellungsfläche sind mehrere Agorai aufgebaut, der griechischen Antike nachempfundenen Foren, in denen diskutiert, zugehört und gelernt werden soll. Plätze für den Erfahrungsaustausch, aber auch Orte, die zum Teilnehmen einladen. Die belgische Soundkünstlerin und Aktivistin Rokia Bamba spricht via Bildschirm noch ins Nichts mit ihrer Idee, ein Sound- und Stimmenarchiv des Widerstands zusammen mit den Besuchern zu entwickeln.
Herero- und Nama-Gefangene um 1904 im heutigen Namibia.
Historikerin: "Es war systematisches Unrecht" Bei Aktivisten für ein postkoloniales Erinnern ist die Freude groß über die Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin. "Es geht nicht darum, koloniale Spuren zu tilgen", sagt die Historikerin Manuela Bauche. Kolonialismus müsse als Querschnittsthema betrachtet werden.
Museumsdirektorin Nanette Snoep und ihr Team versuchen trotzdem, mit anderen Mitteln sichtbar zu sein: "Wir haben einen Fotografen in Residency, Francis Oguma, ein nigerianischer Fotograf. Er wird eine Art von real time documentary machen. Weil - nichtsdestotrotz - auch wenn alles hier still ist, im Museum, in der Stadt oder in Deutschland oder weltweit - es gibt auch unglaublich viele Mahnwachen, Manifestationen, Demonstrationen. Und Francis Oguma dokumentiert das. Auch wenn das Museum geschlossen bleibt, möchten wir gerne vor unseren Fenstern dann, dass wir diese Fotografien von Black Lives Matter Bewegung, das wir das da auch zeigen können und auch virtuell."
Benin-Bronzen als stumme Zeugen
Die Protestbewegungen der Gegenwart sind die Schlüssel für das Verständnis der historischen Proteste. Von denen wir meist nichts oder viel zu wenig wissen, denn die Kolonialgeschichte wurde von den Gewinnern geschrieben - bis vor Kurzem jedenfalls. Erst seit wenigen Jahren überwiegt das Unbehagen, wenn zum Beispiel im Museum eine der kunstvollen Benin-Bronzen gezeigt wird, Metallarbeiten von anrührender Schönheit, die unter anderem Frauenbüsten mit schachtartigen Halsketten zeigen.
Die Briten raubten Tausende dieser Bronzen im Jahr 1897 bei einer so genannten Strafexpedition und verkauften die Stücke in Museen in aller Welt. Die schwierige Restitution dieser sehr wertvollen Stücke steht paradigmatisch für die Debatte um Objekte aus kolonialen Kontexten. Im Rautenstrauch Joest Museum wurden sie nun offensiv vor ein bodentiefes Fenster gestellt. Wer hier vorbei kommt, kann einen zentralen Teil der Ausstellung also von der Straße durch das Glasfenster sehen. Nanette Snoep: "Diese Benin-Bronzen sind Teil unserer DNA eigentlich. Das ist Teil unserer Gründungsgeschichte. Und dahinter steckt eine Widerstandsaktion. Wir reden hier über Menschen. Und diese Benin Bronzen hier sind stumme Zeugen des Widerstandes. Und die Idee von Transparenz: Museen seien so geschlossen und zeigen nicht, was in ihren Depots ist. Aber an sich sind wir eine öffentliche Institution."
500 Jahre Widerstandsgeschichte
Bevor die Briten den Königspalast in Benin zerstörten und die Bronzen raubten, hatten sich der König und seine Untertanen gegen die von den Briten diktierten Handelsbedingungen gewaltsam gewehrt, mehrere Soldaten des Empire wurden dabei getötet. Bis heute wird die Abwesenheit der Bronzen, des so bedeutsamen Kulturguts in Benin City als schmerzliche Wunde empfunden. Wie die Kolonialzeit überhaupt, weswegen das Motiv der Narbe in der Kölner Ausstellung eine entscheidende Rolle spielt.
Mit der Schließung der Museen scheint auch die Debatte um die Aufarbeitung zumindest im öffentlichen Raum zu ruhen, da sich alles auf die Pandemie konzentriert. Hinter den Kulissen warten die Künstler und Kuratorinnen darauf, in den Dialog mit dem Publikum zu treten. 500 Jahre Widerstandsgeschichte werden auch eine Pandemie nicht erschüttern. "Wir denken viel nach gerade", sagt Nannette Snoep. "Es ist eine komplexe Periode, wo wir alle ziemlich verwirrt sind, aber weil wir so verwirrt sind, gibt es vielleicht mehr Ohr für die Geschichten, die wir hier in der Ausstellung vermitteln möchten."