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Ausstellung "Room Service"
Experimente im Luxushotel

Eine Ausstellung als anregendes Chaos: Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden spürt dem Mythos Hotel in der Kunst nach - und entdeckt dabei einen transitären Ort, der vor allem Exilanten und Künstler immer wieder auf neue Ideen brachte.

Von Christian Gampert |
    In einem kahlen Zimmer in einem Motel sitzt ein einsamer Mann wie in einer Zelle, weißes Hemd, Glatze, wahrscheinlich ein Handlungsreisender. Alles ist tot und abweisend in dieser Szene, die William Eggleston, der große Lakoniker unter den Farbfotografen, 1970 inszeniert hat. Solche Bilder der Verlassenheit werden uns des öfteren begegnen in dieser Ausstellung, weil das Hotel ja nicht nur flirrende, mondäne Begegnungsstätte ist (wie heute noch in der Kurstadt Baden-Baden), sondern vorläufige Heimat in der Fremde, ein transitärer Ort, der vor allem Exilanten und Künstler immer wieder auf neue Ideen brachte.
    Gerade im Medium der Fotografie hat die Ausstellung Großartiges zu bieten: Der Engländer Francis Frith dokumentierte schon in den 1850er Jahren quasi-seriell Hotelkästen auf der ganzen Welt, und mit einem Negativ von Henry Fox Talbot, der 1843 das Pariser Hotel Canterbury ablichtete, kann die Ausstellung sogar das wahrscheinlich älteste Hotelfoto der Welt zeigen.
    Dann geht es ziemlich hurtig zu feinen Aquarellen von William Turner, der den zum Topos gewordenen Blick aus dem Hotelfenster in Venedig zeigt, zu Claude Monets "Hôtel des Roches Noires" im normannischen Trouville und noch hurtiger gleich in die Gegenwartskunst, wo Sven Johne 2012 leere Zimmer in sogenannten Traumhotels ins Bild setzt – nur dass die sich auf Lampedusa befinden und der Fotograf im Begleittext von am Strand liegenden Flüchtlingsleichen albträumt.
    Die Ausstellung ist, vorsichtig gesagt, nicht unbedingt systematisch konzipiert, sondern ein rechtes, allerdings sehr anregendes Chaos – von dänischen Künstlerkolonien des 19.Jahrhunderts bis zu heutigen Konzeptkünstlern. Der Fotoklassiker August Sander portraitiert Dienstpersonal, Sophie Calle recherchiert als Zimmermädchen, Martin Kippenberger malt bevorzugt auf Hotelbriefbögen. Candida Höfer zerlegt Hotelräume, Guy Tillim zeigt afrikanische Hotelruinen, Andreas Gursky haut asiatische Großhotels voluminös an die Wand.
    Eine Ausstellung zwischen Aktionskunst und Eventkultur
    Keimzelle dieser Schau aber ist jene Kleinst-Ausstellung, die der damals 25-jährige Hans Ulrich Obrist 1993 in seinem Pariser Hotelzimmer veranstaltete: Auf 12 Quadratmetern zeigte er 70 Werke. Johan Holten, der Leiter der Baden-Badener Kunsthalle, hat das aufgegriffen und seinen Parcours in die Stadt hinein erweitert – unter anderem mit einem Obrist-Remake.
    Und das ist nun auch auf dem Hotelparcours zu sehen, Zimmer 130 vom Hotel Steigenberger, da kann man hineingehen und an einer Reiner-Ruthenbeck-Skulptur auf dem Bett vorbeigehen und den Schrank auftun und da sich selbst bedienen, an den zehn künstlerischen Arbeiten, die da drin stehen, die man anziehen kann oder nutzen kann oder einrollen und auch einstecken – von Tracy Emin ein Plakat…
    Die Ruthenbeck-Skulptur sieht übrigens aus wie ein überdimensioniertes Leckerli, das sich auf die Bettdecke verirrt hat. Um die Ecke, in Brenners Parkhotel, lässt uns der Künstler Christian Jankowski aus dem Katalog unser Zimmer selber möblieren. Dann sind wir eine Nacht lang allein - und sollen eine Entscheidung treffen, möglichst eine Lebensentscheidung. Die wird dann dokumentiert, das Zimmer fotografiert: das ist Kunst, und Kunst hilft weiter.
    Und so ist diese Ausstellung auch ein bisschen Aktionskunst, schräges Happening, Eventkultur - mit allen Licht- und Schattenseiten. In der Lobby von Brenners Parkhotel hängen großformatige Fotos von Cindy Sherman, die sich als schreckliche alte Lady inszeniert. Und solche reichen Ladys steigen ja genau dort ab. Sie können sich (und wir können uns) bei Naneci Yurdagül im Hotel verwöhnen lassen – der Künstler steht für alle Serviceleistungen zur Verfügung, Preis 24 Euro die Stunde. Man kann auch im barocken "Belle Epoque" -Hotel im Zimmer liegen und den eher trashigen Chelsea-Girls-Hotelfilm von Andy Warhol angucken. Oder eine Therapie-Sitzung buchen mit der Kultfigur Sherrie, das nennt sich dann Sherapy. Na dann: bitte einchecken.
    "Vielleicht locken wir ja einige, die die Museumsausstellung mögen und dem Parcours etwas skeptisch gegenüberstehen, auch den Parcours mitzumachen, und umgekehrt die, die finden, die Performance und Parcours und Sherapy-Sitzung für Haustiere, dass das geil ist, dann doch in die Ausstellung zu kommen und sich ein bisschen Turner und Sander und Kippenberger anzusehen. Ich bin über jeden Besucher froh, der diese Ausstellung sich anschaut."