Die Ausstellung beginnt mit der Fotoserie "Von zwei Schlafzimmern" der 27-jährigen Künstlerin Geraldine Kang. Das erste Farbbild zeigt weiße Wände, einen weißgekachelten Fußboden, ein schmales Bettgestell ohne Matratze und einen kleinen Schreibtisch, zugestellt mit weißen Haushaltsgegenständen. Die weiß gekleidete Künstlerin liegt quer unter dem schmalen Bett, ihre schwarzen Haare fächern sich über den hellen Boden.
"Ich habe mich auf den Fußboden gelegt, um zu zeigen, dass ich mich als Fremde im eigenen Haus fühle. Eine Zeit lang fiel es mir sehr schwer, in meinem Zimmer zu sein. Weil mein Bruder und ich nicht miteinander auskommen. Das ist das Drama. Oft wollte ich nicht heimkommen. Ich konnte zu Hause nicht ich selbst sein."
Das zweite Foto zeigt eine alte Frau, die in einem ähnlichen Raum in einem ähnlichen schmalen Bett liegt - Geraldines Großmutter. Sie wirkt krank, apathisch, fast wie tot. Eine Hügellandschaft aus weißem Pappmache bedeckt den Fußboden und macht es unmöglich, sich der Großmutter zu nähern. Geraldine Kang:
Alles ist in weiß gehalten
"Sie hat es immer als ihre Aufgabe gesehen, sich um die Familie zu kümmern. Nie hat sie ihre eigenen Interessen und Neigungen ausgelebt. Als sie älter wurde, fühlte sie sich nutzlos, weil wir unabhängig wurden. Und sie verfiel in eine tiefe Depression."
Die weiteren Fotos zeigen Wohnzimmer, Küche und Esstisch - alles in weiß gehalten - die seltsam verlassen wirken. Die Bilder kehren zurück zu den beiden Schlafzimmern, die nach dem Tod der Großmutter anders genutzt werden.
80 Prozent der Singapurer leben in staatlichen Wohnungen, ähnlich der von Geraldines Familie. Jeder Bürger hat Anspruch auf eine Wohnung, Verheiratete ab 21 Jahren, Ledige ab 35. Gewöhnlich leben mehrere Generationen zusammen, ein eigenes Zimmer hat fast niemand, erklärt der Kurator der Ausstellung, Jason Wee. Der 37-jährige Künstler und Autor lebt seit zehn Jahren auch in New York.
"Als Kind lebte ich in einer Wohnung, die ungefähr 42 Quadratmeter groß war. Dort wohnte ich mit meiner Mutter, vier Tanten, meinen Großeltern und Urgroßeltern."
Schier unfassbar scheint dem Westler heute eine solche Enge. Nicht nur muss der begrenzte Raum so organisiert werden, dass alle Bewohner einen Schlafplatz finden. Auch bleibt für persönliche Dinge fast kein Raum. Und die persönliche Geschichte? Eine solche Wohnsituation ist im wahrsten Sinne des Wortes 'un-heim-lich' - 'un-homy', im englischen Originaltitel der Ausstellung. Der Begriff kommt vom indischen Kulturtheoretiker Homi Bhabha. Er bezeichnet damit ein Gefühl von Unbehaustsein, von verlorenen Sicherheiten, nicht nur in der individuellen Wohnsituation, sondern auch im gesellschaftlichen Leben.
Die Reglementierung macht jedoch in der äußeren Welt nicht halt. Ein rigides Rechtssystem kontrolliert das Verhalten der Bürger mittels drakonischer Strafen. Kurator Jason Wee:
Kleine Fluchten gibt es dennoch
"Wer lange hier lebt, hat die Gesetze verinnerlicht. Es ist mitunter nicht einmal eine Frage einer äußeren Kraft, den Gehorsam einzufordern. Vielmehr 'regulieren' die Menschen sich bereits selbst. Und das hat Auswirkungen auf die Kultur, die Sozialarbeit und die Kunst."
Kleine Fluchten gibt es dennoch. Chua Chye Teck hat sie in seiner Fotoserie "Paradies" dokumentiert. Der Künstler fand aufseinen Spaziergängen auf brachliegenden Flächen improvisierte Unterstände aus Plastikfolie, Wellblech und anderen Materialien - eine individuelle Architektur für einen eigenen, wenn auch nur temporären Raum.
"Ich brauchte acht Jahre um diese Orte zu dokumentieren, weil ich jedes mal zwei Stunden laufen muss, bevor ich eine solche Konstruktion finde. Es gibt nicht viele, und sie können von Wind und Regen zerstört werden, oder eingerissen von Behörden oder Leuten, die das nicht mögen. Ich muss sie also fotografieren, bevor sie verschwinden."
Singapur ist bekannt für Sicherheit, Effektivität, Sauberkeit und seinen Ehrgeiz, eine globale Stadt zu sein, erläutert Kurator Jason Wee. Doch 50 Jahre nach der Staatsgründung mehren sich in der Bevölkerung Zweifel und Sorgen um die Zukunft. Wie lange kann der Stadtstaat, der trotz allem als vorbildlich gilt, noch unabhängig bestehen und unter welchen Bedingungen? Jason Wee mahnt vorsichtig Veränderungen an.
"Geraldines Großmutter hat sich die Wohnhäuser, die auf den Fotos ihrer Enkelin abgebildet sind, noch sehnlichst gewünscht. Doch diese Wünsche ändern sich heute. Die Leute fragen sich, ob es nicht eine andere Art von Zuhause geben kann? Können Wohnungen erschwinglicher sein? Kann es nicht Wohnungen für andere Lebensweisen geben, für andere Arten von Familie?"