"Die Fotografie hatte ja bis vielleicht in die späten siebziger Jahre hinein nicht den Stellenwert, den wir ihr heute beimessen. Wir haben natürlich hier in Düsseldorf mit Andreas Gursky beispielsweise einen der teuerst bewerteten Fotografen der Welt. Es hat aber völlig anders ausgesehen in den siebziger Jahren, als Fotografie in den Kunstinstitutionen eigentlich nicht als Kunst wahrgenommen wurde."
Meint Gregor Jansen, Leiter der Kunsthalle Düsseldorf, der mit "Subjekt und Objekt" eine Geschichte erzählen möchte, wie sich die Fotografie an Rhein und Ruhr emanzipierte und Kunst wurde. Vor Ort, draußen, prangt ein mannshohes Smartphone-Replikat mit eingeschmissenem Touchscreen, als Anspielung darauf, wie inflationär heute fotografiert wird. Durchs Fenster der Kunsthalle ist die Arbeit "Speicher" von Jörg Sasse zu sehen. Ein großer Kasten, in dem 512 Fotografien archiviert sind, die sich dem unmittelbaren Blick entziehen. Das wirkt zunächst wenig spektakulär.
Wechselspiel zwischen Subjekt und Objekt
Gregor Jansen: "Wenn man den 'Speicher' als ein Bild nimmt, ist er erstmal wie ein Computer, könnte man sagen, eine Maschine, eine Bildermaschine. Aber sobald ich sie zum Leben erwecke, sobald ich einzelne Bilder ´raus ziehe, beginnt eine Narration, ein Wechselspiel zwischen Subjekt und Objekt."
Am bekanntesten: Bernd und Hilla Bechers dokumentarisch nüchtern wirkende Fotos von Reihenhaussiedlungen. Vermeintlich objektiv, aber auch Porträt und Anklage von Anonymität in der Großstadt. Ganz anders: Frühe "Selfies" von Jürgen Klauke aus den Siebzigern, mit gender-politischer Agenda und dabei lustig verspielt wie eine aktuelle Quarantäne-Performance. Aber diese Selfies sind auch Dokumentation dessen, was Jürgen Klauke eben zu Hause machte. Was ist also bei diesen Arbeiten subjektiv, was objektiv?
Gregor Jansen: "Die Anspielung im Titel, 'Subjekt und Objekt', hat natürlich diese historische Nähe zu subjektiver, die man mehr Essen zugeschrieben hat, und der objektiven Fotografie, die man mehr Düsseldorf zugeschrieben hat. Aber das ist längst überholt und eigentlich auch ein großer Stuss. Wichtig ist: Subjekt, das bin ich oder der Fotograf. Objekt ist der Gegenstand, der als Fotografie oder als Abbild wahrnehmbar wird."
Mehr Erlebnis-Ausstellung
Das ewige Dilemma der Fotografie. Jedes Foto ist objektiv, weil es Ergebnis eines technischen Prozesses ist. Und jedes Foto ist subjektiv, weil der Fotograf, die Fotografin immer Perspektive und Ausschnitt wählt. Das gilt auch noch auf anderer Ebene: Der Betrachter ist das Subjekt, das sich zur Fotografie, dem Objekt, verhält. Und das zumindest haben die Kuratoren Gregor Jansen, Ralph Goertz und Dana Bergmann vor: Während des Shutdowns einzelne Positionen vorzustellen, zum Beispiel auf Facebook und Instagram, um die Geschichte der künstlerischen Fotografie an Rhein und Ruhr aufzurollen, die auch eine Geschichte der Foto-"Schulen", genaugenommen der Kunstgewerbeschulen und Fachhochschulen in Düsseldorf, Essen, Krefeld und Köln ist. Denn Fotografie an einer Kunstakademie? Davon kann man erst in den 1980ern sprechen, mit einem "Farblabor" an der Folkwang Hochschule Essen.
Gregor Jansen und Ralph Goertz: "Es gab natürlich immer schon Reportagefotografie, Werbefotografie." - "Mit Bauhaus fing das an, dass man Fotografie als Medium ausprobiert hat. 'Was kann so eine Kamera?', 'Wo fängt Fotokunst an?' - Die fängt eben beim Konzept an. Alles, was wir momentan auf Instagram und Facebook sehen – Selbstdarstellung, was auch wunderbare Möglichkeiten sind –, das hat mit Kunst nichts zu tun. Erstmal muss ich nachdenken, was ich überhaupt transportieren will. Und dann finde ich Bildwelten, die mein Thema transportieren."
Der Werkkatalog von "Foto Rhein Ruhr" veranschaulicht es. Eindrucksvoll! Voneinander unabhängig und oft korrespondierend kamen Fotografinnen und Fotografen auf Ideen, die zeitgeistig in der Luft lagen.
Ralph Goertz: "Also die klassische Perspektive der Folkwang-Fotografie war: Ein erhöhter Standpunkt, eine gleichmäßige, ich sage mal, demokratische Sicht auf ein Objekt oder ein Subjekt."
Fest der Fotografie
Perspektive und Bildausschnitt so gewählt, dass zum Beispiel ein Park in Essen wirkt wie ein gemaltes Renaissance-Panorama. Oder Ansichten von Bergen, die eingefärbt sind, und so auratisch dastehen wie mächtige Wesen aus der Urzeit oder von einem anderen Planeten. Auf Arbeiten von hundert Fotografinnen und Fotografen hat sich das Kuratorenteam verständigt, weil die "Hundert", wie Gregor Jansen sagt, eine gute Zahl ist für "Alles".
Gregor Jansen: "Dass hier ziemlich viel fotografiert wurde, klingt banal, das wurde woanders auch, in Berlin, Hamburg oder in anderen Städten der Welt."
Gregor Jansen will zeigen, dass eben diese "Schulen" in Essen, Düsseldorf, Krefeld und Köln die Entwicklung und Qualität beflügelt haben. Weniger didaktisch und chronologisch, eher als Erlebnis-Ausstellung. Und als Fest für die Fotografie. Was gut ist, wird im Juni auch noch gut sein!
Gregor Jansen und Ralph Goertz: "Auf jeden Fall. "- "Absolut. Davon sind wir mehr als überzeugt." - " Wir hoffen ja auf Mai."