Thekla Jahn: Haustiere sind vertraute Fremde und beherrschte Freunde. Sie sind sprachlose Gesprächspartner und kultivierte Natur. In jedem dritten deutschen Haushalt leben Haustiere –geliebt, dominiert und manchmal auch traktiert. Während über wilde Tiere im Zoo oder über Nutztiere geforscht und reflektiert wird, fristet das Haustier – das in nicht zu unterschätzendem Maße unsere Alltagskultur mitbestimmt - in den großen Museen ein Nischendasein.
Das Dresdner Hygiene-Museum will diese Leerstelle füllen mit der Ausstellung "Tierisch beste Freunde – Über Haustiere und ihre Menschen". Christoph Willmitzer hat diese Ausstellung mitkuratiert. Einen schönen Guten Tag nach Dresden.
Christoph Willmitzer: Guten Tag.
Jahn: Das Dresdner Hygiene-Museum nimmt mit seinen Ausstellungen traditionell den Menschen in den Blick. Die heute beginnende Ausstellung dreht sich ums Haustier – allerdings mit dem stutzig machenden Zusatz "und ihre Menschen". Ordnen Sie damit den Haustieren Menschen zu und nicht umgekehrt?
Willmitzer: Ja. Ihre Frage geht schon in eine richtige Richtung. Zumindest der dritte Raum, sozusagen der Abschluss unserer Ausstellung, da wollen wir wirklich einen Perspektivwechsel versuchen und mal die Welt und die Menschen aus Sicht der Haustiere beleuchten. In der Tat - wie Sie schon gesagt haben - das Hygiene-Museum hat ja schon im Untertitel 'Museum' vom Menschen und dann dachten wir uns, das Tier hat Konjunktur im Moment, sowohl in Kunstausstellungen, als auch in der Literatur. Und auch - worum es uns auch in der Ausstellung geht - so politische Philosophie oder in politischen Diskursen nimmt irgendwie das Tier, also sei es jetzt in der Lebensweise vegane, vegetarische Ernährung, oder wirklich in radikalen Tierrechtsdiskursen, immer eine größere Rolle ein. Und da haben wir uns gedacht, wer sind denn die Tiere, die die meisten Menschen heute die meiste Zeit begleiten? Und das sind die Haustiere. Und dann haben wir geguckt, was können wir da machen und haben relativ schnell gemerkt, dass es da ganz viel zu entdecken gibt.
"Ästhetik spielt eine Rolle"
Jahn: Bleiben wir bei der klassischen Zuordnungsreihenfolge: Hund, Katze, Maus - Was sagt die Wahl des Haustieres über den Besitzer?
Willmitzer: Soweit wir das recherchiert haben, gibt es schon - es gibt natürlich immer ganz individuelle Gründe - aber es gibt schon beispielsweise bei den Ziervögeln oder bei den Fischen, spielt schon die Ästhetik eine Rolle. Also gerade bei Vögeln, da wählen wir uns ja gerne Papageien oder auch Wellensittiche aus, weil die einfach sehr schön anzuschauen sind, zumindest ist das in der Tradition der Kulturgeschichte so. Auch Fische sind einfach schön anzugucken und Aquarien - da haben wir auch wirklich super Objekte in der Ausstellung - waren immer auch schon tolle selber. Also wir haben ein wunderbares Jugendstil-Aquarium aus dem Wiener MAK entliehen, wo schon das Gerät so schön ist und dann ermöglicht es noch den Blick auf einen schönen Fisch. Beim Fisch aber - das wissen wir auch so aus dem Alltag - ist die andere Funktion natürlich auch die, das hören wir ganz oft, dass die Fische eine beruhigende Wirkung haben. Das ist eine Spezialfunktion, gerade bei Fischen.
Jahn: Das heißt also, es zeigt schon, was sich jemand wünscht. Also, der exotische Papagei zum Beispiel. Man gibt sich selber so ein bisschen was schillerndes oder der Fisch, der einen beruhigt, wenn man das braucht.
Willmitzer: Genau. Absolut.
"Hund und Mensch könnten gar nicht mehr ohne einander"
Jahn: Nehmen wir doch mal den Hund. Was sagt es aus, ob sich jemand einen Rottweiler kauft, eine Bulldogge oder lieber einen Pintscher oder einen Dackel?
Willmitzer: Genau. Der Hund ist natürlich so das Paradetier unter den Haustieren, hat auch die längste Kulturgeschichte als Haustier, so lange, dass wir das überhaupt nicht beleuchten können in der Ausstellung. Wir setzen im 19. Jahrhundert an, während das Haustier massenwirksam wird. Der Hund ist ja schon, der lebt schon so lange mit dem Mensch zusammen, dass es in der Wissenschaft sogar den Begriff der 'Co-Evolution' gibt, also Hund und Mensch haben sich so viel gegenseitig beeinflusst, die könnten gar nicht mehr ohne einander, so ungefähr. Bei Hunden ist es wirklich schwierig, da hängt es wirklich ganz vom individuellen Hund ab, was man gerne möchte, also ob man einen Hund möchte, um viel sich draußen zu bewegen, dann gibt es bestimmte Rassen, die sich dafür eignen. Beim Hund, das ist wirklich so ausdifferenziert, dass es gar nicht so einfach zu sagen ist.
Wir haben noch länger mit Christoph Willmitzer gesprochen - hören Sie hier Langfassung des Corsogesprächs
Jahn: Es gibt ja die Theorie, dass sich Mensch und Haustier im Laufe des Zusammenlebens ähnlich werden: was den Gang angeht, den Gesichtsausdruck, in Comicstrips wird das gerne auch aufgenommen, aber auch im Laufe der Jahrhunderte bei Gemälden wurden Herrchen oder Frauchen gezeigt mit jeweiligem Haustier und auch gemeinschaftlich dargestellt, also eine gewisse Ähnlichkeit. Ist da was dran?
Willmitzer: Da ist, doch, da ist was dran. Also wir haben sozusagen, wir beleuchten das Thema natürlich, das ist natürlich eine große Frage, so Ähnlichkeit von, ja, Herrchen und Hund oder Frauchen und Hund oder so. Wir beleuchten das auf verschiedene Weise, also man sieht, natürlich suchen wir uns Haustiere aus, bei denen wir denken - also nicht alle, aber viele - die könnten unserer Persönlichkeit Ausdruck verleihen, die haben bestimmte Eigenschaften, die wir selber uns zuschreiben oder die wir gerne hätten oder die wir noch gerne stärker ausgeprägt sähen. Wir haben sozusagen, so ein Extrembeispiel sind Promis und ihre Haustiere, da haben wir eine digitale Bilderschau von Erich Kästner mit seiner Katze oder Hermann Hesse, der einer Katze auf dem Boden hinterher krabbelt bis zu, natürlich, Loriot mit seinem Mops. Also Haustiere können zur Selbstinszenierung dienen.
Natürlich, eine Riesenrolle spielt das Geschlecht, also jahrhundertelang wurden Frauen traditionell mit der Katze verbunden, oft auch in eher frauenfeindlicher Manier, also bestimmte Eigenschaften, die man der Katze zugeschrieben hat, die könnte man auch so lesen, als sollten eigentlich Frauen negativ beschrieben werden. Das findet sich schon in Naturgeschichten aus dem 15. Jahrhundert, da haben wir wirklich Drucke aus der frühen Neuzeit ausgestellt. Es gibt also ganz viel Männlichkeit mit Hund und Weiblichkeit mit Katze. Das ist jetzt sehr klischeehaft zugeschnitten, aber das sind so zwei riesige Zuschreibungen, die es schon ganz lange gibt und die sehr wirkmächtig waren.
Der Allgemeinplatz von, dass man sich immer ähnlicher wird, das ist natürlich eine ganz beliebte Frage und bei uns gibt es sogar so ein Memoryspiel, wo man Herrchen und Hund oder Frauchen und Hund ...
Jahn: ... zusammenbringen muss.
Willmitzer: Genau, ja.
"Haustiere sind immer abhängig von uns"
Jahn: Es gibt im Alltag diejenigen mit einem oder mehreren Haustieren und diejenigen, die keine haben oder haben wollen. Viele Haustierbesitzer sagen: Ich bin tierlieb. Aber ist es wirklich die "Liebe" zum Tier – wenn man Liebe als "uneigennützig" definiert? Oder steckt nicht mindestens ein eigennütziger Grund dahinter, weshalb man ein Tier besitzen möchte?
Willmitzer: Also wir gehen schon davon aus, dass die meisten Haustierhalter, absolut, und Haustierhalterinnen ihre Haustiere lieben, aber es ist natürlich eine ambivalente Beziehung. Also das haben wir selber auch gemerkt, oder das hoffen wir, dass sich die Besucher darauf einlassen. "Haustiere" klingt erst einmal nach so einem niedlichen Thema, aber es tun sich auch ganz schnell Abgründe auf. Haustiere sind natürlich immer auch abhängig von uns, wir kaufen es, wir entscheiden auch gegebenenfalls, ob wir das Leben eines Haustiers beenden oder nicht, wenn wir darüber nachdenken müssen, es vielleicht einschläfern zu lassen. Es gibt neue Entwicklungen in der Medizin, wir können mittlerweile künstliche Hüften auch dem Hund einpflanzen, aber das ist dann oft auch eine Kostenfrage, ob man die 1.500 Euro hat, die es dann braucht.
Perspektivwechsel mit Virtual Reality
Jahn: Sind es denn bei Ihnen auch Themen wie Tierrechte oder auch Tiermisshandlungen als ein Aspekt dieser Ausstellung?
Willmitzer: Ja, wir versuchen sozusagen ein breites Spektrum aufzumachen, Tierquälerei, auch Zoophilie, so landläufig bekannt als Sodomie, tauchen auf, weil wir es nicht unerwähnt lassen können. Aber, was wir wirklich groß zum Fokus machen - und das ist auch, glaube ich, was Neues oder Überraschendes an der Ausstellung - wir widmen einen ganzen Raum tierrechtlichen und ethischen Fragen. Wir nehmen einen Perspektivwechsel vor, wie geht es eigentlich den Haustieren bei alldem, was wir mit ihnen anstellen? Wir arbeiten mit Virtual Reality Technik zum ersten Mal beim Hygiene-Museum, so dass man sich fühlen kann wie ein Fisch im Aquarium. Wir haben daneben eine interaktive Installation, wo man sich fühlen kann wie ein Wellensittich auf der Stange, und dabei versuchen wir, mit so neuester Medientechnik das so nachzuspüren.
Jahn: Einen Perspektivwechsel herzustellen. Das ist tatsächlich nicht so unwichtig.
Willmitzer: Ganz genau.
Jahn: Haustiere und ihre Menschen, gehen wir einen Schritt weiter, was sagt es über Menschen, wenn sie keine eigenen Haustiere haben wollen?
Willmitzer: Das sagt erst mal gar nichts, und das sagt auch nichts darüber aus, ob man Tiere mag oder nicht. Also es gibt Leute, die sagen, sie halten nichts von Haustierhaltung und deshalb haben sie kein Haustier. Sie mögen Tiere und genau andersrum, wir hoffen, dass sich, also wir sind davon überzeugt, dass unsere Ausstellung nicht nur etwas ist für Haustierhalter, sondern auch die, die einfach sich darauf einlassen, bei einem alltäglichen Thema, was uns so begleitet, viele von uns, und über das man doch überraschend wenig weiß, da ganz überraschende Perspektiven und eine lehrreiche Kunst- und Kulturgeschichte zu entdecken.
Jahn: Christoph Willmitzer. Mitkurator der Ausstellung "Tierisch beste Freunde – über Haustiere und ihre Menschen", ab heute im Dresdner Hygiene-Museum zu sehen bis zum 1. Juli 2018. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
Willmitzer: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.