"Fasse dich kurz", lautete Schreibregel Nummer eins beim Kansas City Star. Des Weiteren hatten Reporter Adjektive und sonstige überflüssige Wörter zu vermeiden sowie ein kraftvolles Englisch zu verwenden. Ernest Hemingway arbeitete nur wenige Monate bei dieser Zeitung. Aber der Stil, den man ihm dort einbläute, wurde zu seinem Markenzeichen. Das war 1917. Kurz danach meldete er sich als Fahrer beim Roten Kreuz und wurde im Ersten Weltkrieg in Italien schwer verwundet. Damit hatte der erst 18-Jährige neben dem Stil auch schon das Thema, das alle seine späteren Werke prägen sollte: Gewalt und die Allgegenwärtigkeit des Todes.
Declan Kiely ist der Kurator der ersten Museumsausstellung überhaupt über den amerikanischen Literaturnobelpreisträger in der New Yorker Morgen Library:
"Wenn Sie sich Hemingways Manuskripte anschauen, sehen sie einen Getriebenen. Nicht wie Charles Dickens. Hemingways Handschrift ist viel großzügiger. Aber genauso ehrgeizig und gnadenlos, wenn es darum geht, durch Wegstreichen und unermüdliches Überarbeiten das absolut Beste zu erreichen."
"Er kam als Journalist nach Paris und verwandelte sich in einen Schriftsteller"
Die Ausstellung konzentriert sich auf Ernest Hemingways produktivste Zeit. Zwischen dem Ende des Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfasste der Autor fünf Romane, zwei Sachbücher und fünf Sammlungen mit Kurzgeschichten. Allein für das Ende von "A Farewell to Arms", den Roman, der 1929 seinen Weltruhm begründete, entwarf Hemingway 47 verschiedene Varianten. Nicht alle sind in der Schau zu sehen, doch dafür eine Menge anderes.
Zum Beispiel die Eintrittskarten zu den Stierkämpfen, die Hemingway im spanischen Pamplona besuchte und 1926 im Roman "The Sun Also Rises" schilderte. Damals lebte Hemingway wie viele andere amerikanische Intellektuelle in Paris. Er frequentierte den berühmten Salon von Gertrude Stein an der Rue de Fleurus, wovon eine handgeschriebene Einladung zum Tee zeugt.
"Hier hatte Hemingway plötzlich Umgang mit Leuten, die ihm intellektuell überlegen waren: Ezra Pound, James Joyce, F. Scott Fitzgerald – sie hatten alle eine bessere Ausbildung genossen als er und waren ihm in ihrer Karriere als Schriftsteller weit voraus. In ihrer Gesellschaft wurde Hemingway trotz seiner Kriegserfahrungen wieder zum unreifen Jungen. Aber nicht für lange. Er kam als Journalist nach Paris und verwandelte sich in einen Schriftsteller."
In den 1930er-Jahren zog Ernest Hemingway mit wechselnden Ehefrauen nach Key West in Florida und dann nach Kuba. In dieser Zeit begann der Mythos Hemingway Gestalt anzunehmen:
"Je mehr Artikel übers Speerfisch-Angeln und Jagen Hemingway schreibt und je häufiger man ihn fotografiert, desto stärker wird das Bild von ihm als kühnem Abenteurer. Er hat diese Rolle kultiviert. Er fühlte sich darin wohl, weil sie ihm einen Ausgleich zur Einsamkeit des Schreibens ermöglichte."
Das umfangreiche Bildmaterial in dieser gelungenen Ausstellung zeigt den Mann vor der Kamera. Der Mann dahinter kommt in den Notizbüchern zum Vorschein, in der Korrespondenz mit Schriftstellerfreunden, in einem Umschlag, den Hemingway selber sorgfältig für seine erste Buchveröffentlichung skizziert hat. Es ist ein Autor, für den sämtlichen Safaris zum Trotz das Schreiben stets wichtiger blieb als alles andere.