"Grüß Gott", sagt der Schwabe; "Grüß Göttin" steht in pinkfarbenen Buchstaben nun vor dem Jüdischen Museum Hohenems. Das Verkehrsschild, das von der Künstlerin Ursula Beiler stammt, beweist, dass man auch in Zeiten der Genderdebatten mit relativ einfachen Mitteln provozieren kann: Als das Schild an einer Autobahnzufahrt stand, tobte sofort eine erregte Leserbriefdebatten in den Lokalzeitungen.
Gott ist immer eine Imagination und damit zeitgebunden; dass man sich Gott auch als Frau vorstellen könnte, ist dabei für den Christenmenschen ein schwierigerer Gedanke als für Juden oder Muslime. Denn von den drei großen monotheistischen Religionen wollen sich zwei, Islam und Judentum, gar kein Bild machen von ihrem Gott. Sie sind bilder- und damit eigentlich auch geschlechtslos, während das Christentum eine differenzierte Ikonographie entwickelt hat.
Der Schöpfergott aus der Sixtina
Und nach der reicht nun mal ein rauschebärtiger Schöpfergott - in der Sixtinischen Kapelle - einem athletischen Adam den Zeigefinger, und Gottvater schickt den Gottessohn auf seinen irdischen Leidensweg und nicht etwa seine Tochter. Allerdings wird man auch kaum Muslime finden, die sich Allah als eine Frau vorstellen.
Das gefällt manchen Menschen nicht, vor allem solchen weiblichen Geschlechts. Den Ungläubigen dürfte es eher egal sein. Aber Felicitas Heimann-Jelinek, die Kuratorin der Hohenemser Ausstellung, sieht in der Maskulinisierung der Gottesvorstellung einen Fall von Ausgrenzung, ein grobes Foulspiel.
"Normierende Gesellschaften unterstreichen natürlich das, was ihnen wichtig erscheint. Da ist halt die weibliche Seite Gottes oder eine weibliche Dimension Gottes im Weg…", sagt sie.
Die Hohenemser Ausstellung begibt sich deshalb auf die Suche nach Alternativen zu herkömmlichen Gottesvorstellungen im Monotheismus. Und wird natürlich fündig. Denn im historisch älteren Polytheismus gab es in praktisch allen Kulturen auch Göttinnen, die besonders mit Fruchtbarkeit und Fortpflanzung assoziiert wurden. Und die Übergänge zwischen Poly- und Monotheismus sind natürlich fließend.
In Israel, so erzählt es die Ausstellung, bewegt sich die Entwicklung vom Polytheismus zum Polyjahwismus zum Monojahwismus. Der Prophet Jeremias echauffiert sich im 6. Jahrhundert vor Christus über die Verehrung einer "Himmelskönigin" - es muss neben Jahwe also auch Göttinnen gegeben haben. Ob die auf die sumerische Inanna, die akkadische Ischtar, die ägyptische Hathar oder die ugaritische Anat zurückzuführen sind, ist schwer zu klären. Aber die Ausstellung lehrt uns da, mit vielen kleinen Plaketten und Figurinen und Statuetten, historisches Denken: Gottes- und Göttinnenvorstellungen wandern in verschiedenen Gebieten hin und her. Im römischen Palästina hielten sich lange auch hellenische Götter neben Jahwe. Und die israelitische oder judäische Aschera wurde über Jahrhunderte als stilisierter Baum dargestellt, bevor das weibliche Gottesbild im Monotheismus verschwand.
Sexualisierte Imaginationen
Allerdings taucht die Frau indirekt in religiösen Imaginationen wieder auf, meist in sexualisierter Form: in der jüdischen Mystik, in der Kabbala, wird die Offenbarung als eheliche Verbindung zwischen Tora und Volk gedacht, wobei die Tora die Braut ist.
"Im Judentum ist es die Kabbala, die am offensten mit einer weiblichen Dimension oder einer weiblichen Seite Gottes umgeht, um die Welt ganz zu machen…", erklärt Heimann-Jelinek.
Auch sprachgeschichtlich ist das Weibliche mit Gott verbunden: "Mishkan", die Heimstätte Jahwes, das Stiftszelt, das die Israeliten während der Wüstenwanderung mit sich trugen, hat dieselbe Sprachwurzel wie das weibliche Nomen "Shekina", das die "Gegenwart Gottes" bezeichnet. Und die britische Künstlerin Jacqueline Nicholls kombiniert in ihrer "Maternal Torah" Elemente eines Tora-Mantels mit einem durchaus attraktiven Damenkorsett - solche Beispiele aus der Gegenwartskunst belegen, dass die Diskussion um die göttliche Weiblichkeit im Judentum bis heute andauert.
Christentum und Islam tun sich da schwerer. Die Ausstellung führt Mohameds Frau Hadija als weibliches Element an, sie gilt als die erste Islamgläubige und "Mutter aller Gläubigen" - klar, sie glaubte halt ihrem Mann. Aber das ist ein dürftiger Beleg für weibliche Gottesvorstellungen im Islam. Das Christentum hält sich an die Jungfrau Maria als Gottesgebärerin und Gottesmutter. Aber die entserotisierte, auf wundersame Weise schwanger gewordene Jungfrau wird dann gleich sexualisiert, sie wird zur "Braut Jesu". Wer eher Freud als Kirchenvätern glaubt, denkt da an frühe ödipale Verstrickungen.
Die ägyptische "Isis lactans" gilt als Prototyp für die stillende Maria der christlichen Ikonographie (vor allem des Mittelalters), und gerade das Stillen Marias wurde als "mystische Vereinigung" der Gottesmutter mit Jesus verstanden. Aber, sagt Felicitas Heimann-Jelinek, es kommt noch besser:
"Wenn wir uns jetzt dieses Objekt anschauen, das aus dem christlichen Kontext ist, dann ist die Tradition des weiblichen Gefäßes hier eigentlich fortgesetzt. Es ist ein sehr außergewöhnliches Objekt, eine sogenannte Vierge Ouvrante, also eine skulpturale Maria, die sich öffnen lässt."
Und diese holzgeschnitzte Maria aus dem 15.Jahrhundert trägt Gottvater und Jesus in ihrem aufklappbaren Leib, den Vater und das Kind – sehr zum Unwillen der Kirche, die diese Darstellung als ketzerisch ansah.
Es sind also immer Sex und Schwangerschaft im Spiel, wenn es um die Frau und die "weibliche Seite Gottes" geht. Der männliche Gott ist ja eher gesetzt und gesetzgebend. Da nützt es auch wenig, wenn heutige Feministinnen Maria als geheime Göttin betrachten oder fortschrittliche Jüdinnen ins Rabbinat drängen: Die christliche Kurie ist eine Versammlung alter Männer, und in der orthodoxen Synagoge sind Männer und Frauen nach wie vor streng getrennt.
Was nützt die Debatte?
Obwohl das eine wirklich originelle, schön inszenierte und intellektuell anregende Ausstellung ist, scheint die Auseinandersetzung um "die weibliche Seite Gottes" eher eine akademische Diskussion. Bringt sie die Machtgefüge muslimischer, christlicher oder auch jüdischer Institutionen durcheinander? Eher nicht. In der hedonistischen Gesellschaft der Gegenwart ist Madonna ein Popstar und "Jesus Christ" bei Andrew Lloyd Webber sogar ein Superstar - und die Frage nach Gott taucht oft nur in Situationen höchster Not auf, meist kurz vor dem Ableben. Ob man sich Gott dann als Mann oder als Frau vorstellt, mag jeder für sich selbst entscheiden.