Archiv

Ausstellung
Ungeliebte Paparazzi im Fokus des Centre Pompidou-Metz

Paparazzi und ihre ganz eigene Ästhetik stehen im Mittelpunkt einer nicht unumstrittenen Ausstellung des Centre Pompidou-Metz. Neben ihrer Ausrüstung - Kameras fürs Handgelenk oder kiloschwere Teleobjektive - sind Fotografien, Filmausschnitte, Installationen und Gemälde zu sehen.

27.02.2014
    Die Ausstellung "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" im Centre Pompidou in Metz.
    Exponate in der Ausstellung "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" im Centre Pompidou-Metz (picture alliance / dpa)
    Rom 1960. In Federico Fellinis Film "La Dolce Vita" treffen die schöne Diva Maddalena, gespielt von Ainouk Aimée, und der junge Boulevard-Journalist Rubini dargestellt von Marcello Mastroiani auf eine Horde von aufdringlichen Pressefotografen.
    "Paparazzo basta!", schleudert Mastroiani den Fotografen entgegen. Mit diesem "Es reicht Paparazzo!" ist der Begriff geboren für den frechen Reporter mit seiner Kamera, der hemmungslos Fotos von Stars schießt. Mit "Paparazzi! Fotografen, Stars und Künstler" ist jetzt eine Ausstellung im Centre Pompidou in Metz betitelt. Und als Star kann sich auch der Besucher am Eingang fühlen, denn ein roter Teppich ist für ihn ausgerollt.
    Mit Blitzlichtgewitter und Stimmengewirr sorgt diese Installation des irischen Künstlers Malachi Farrel fürs Ambiente. In den abgedunkelten Räumen der ersten Sektion stehen aber die Paparazzi selber im Mittelpunkt. Ihre Ausrüstung, Kameras fürs Handgelenk oder kiloschwere Teleobjektive, glänzt in Vitrinen. Fotos zeigen die Paparazzi in Aktion. In Baumkronen versteckt, verkleidet als Oberkellner oder Butler, waghalsig auf Dächern balancierend, nichts schreckt sie ab, um ihrer Beute, dem Filmstar oder berühmten Zeitgenossen vom Politiker bis zum Fernsehmoderator aufzulauern.
    Der Arbeit der Paparazzi jetzt eine Ausstellung zu widmen, darüber wundern sich nicht wenige. Pascal Rostain, einer der bekanntesten französischen Paparazzi, stellt klar:
    "Ich habe nie ein Foto geschossen im Bewusstsein, dass es irgendwann gerahmt in einer Museumsausstellung hängen würde. Ich bin doch kein Künstler, ich bin Journalist. Uns war immer klar, dass man mit unseren Fotos, nachdem sie einmal veröffentlicht waren, auf den Wochenmärkten Fisch oder Kartoffeln einpackt."
    Eine besondere Ästhetik
    Ganz so nüchtern will Kurator Pascal Chéroux das Schaffen der Paparazzi allerdings nicht betrachten. Mit seiner Ausstellung will er vielmehr die besondere Ästhetik, die die Fotos der Paparazzi von Anfang an auszeichnet, näher beleuchten.
    "Der Paparazzo bedient sich ganz bestimmter Apparate für seine Arbeit wie etwa des Teleobjektivs, wenn er weit entfernt ist von seiner, nennen wir es "Beute". Oder er benutzt, wenn er nah daran ist, einen Blitz. All das verleiht den Aufnahmen eine ganz eigene Ästhetik. Das Teleobjektiv etwa lässt die Aufnahme sehr flach erscheinen, ohne Tiefe und in der Auflösung sehr grob. Das soll nicht heißen, dass die Paparazzi somit als Künstler gelten, aber sie entwickeln tatsächlich ungewollt eine bestimmte Ästhetik, die seit den 60er-Jahren, also seit der Pop Art, die bildenden Künstler enorm fasziniert hat."
    Gerhard Richter oder Richard Hamilton verfremdeten Paparazzi-Fotos in ihren Kunstwerken. Paul McCarthy gestaltete mit ihnen Fotocollagen. Cindy Sherman oder Kathrin Günter schlüpften selber in Starposen, um sich anschließend von einem fiktiven Paparazzo ablichten zu lassen. Richard Avedon inszenierte Modeshootings als seien seine Models im Focus eines Paparazzo.
    Pascal Rostain hingegen kann mit dem Begriff der Ästhetik bei seiner Arbeit als Paparazzo nichts anfangen:
    "Es gibt keine eigene Ästhetik in unserer Arbeit. Wir haben keine Paparazzi-Schule besucht, auch keine Fotoschule. Wir haben unser Handwerk auf der Straße gelernt. Wenn Du ewig lang wartest, bis etwa Onassis und die Callas aus dem Maxims kommen, dann denkst Du nicht an Ästhetik, dann willst Du sie einfach nur mit Deiner Kamera abschießen."
    Natürlich kommt in der Schau auch der Voyeurismus der Besucher nicht zu kurz, denn alle sind sie hier versammelt: Jackie Kennedy nackt auf Skorpios, die Bardot rauscht mit Gunter Sachs auf dem Motorboot vorbei, Paris Hilton verliert wie zufällig ihr Bikinioberteil, Kate Moss streckt die Zunge heraus und Jack Nicholson entblößt sein Hinterteil vor den Teleobjektiven.
    Die Paparazzi haben immer bekommen, was sie wollten - den Blick ins Private, ins Intime, auf die ungeschminkte Realität. Vor wenigen Wochen erst enthüllten Paparazzis François Hollandes Liaison mit einer jungen Schauspielerin. Eine brandaktuelle Ausstellungsthematik also? Pascal Chéroux:
    "Tatsächlich wollen wir mit dieser Ausstellung ganz bewusst eine gewisse Distanz zur Aktualität herstellen. Wir sind ja permanent mit der Paparazzi-Fotografie konfrontiert, denn praktisch jeden Monat gibt es ja irgendeine Affaire und deshalb wollen wir Abstand gewinnen und das Phänomen nicht aktualitätsbezogen, sondern historisch einordnen."
    Gerade dieser Ansatz, die Paparazzi-Fotografie quasi aufzuwerten, indem sie in einer Museumsschau als Phänomen historisch eingeordnet werden soll, missfällt natürlich vor allem denjenigen, die in ihrem Leben schon mal unter Paparazzi-Enthüllungen leiden mussten wie die uneheliche Tochter François Mitterands, Mazarine Pingeot. Sie sprach im Vorfeld der Ausstellung bereits von einem Skandal.
    Den Job dieses penetranten und skrupellosen Fotoreporters wird es aber wohl immer geben, woran auch die interessante und mutige Schau in Metz ihren Anteil haben dürfte, auch wenn ein Urgestein des Paparazzi-Metiers wie Pascal Rostain die Zukunft in Zeiten von Facebook eher schwarzmalt.
    "Für mich ist die Schau wie ein Nachruf, die Chronik eines angekündigten Todes, denn unser Beruf ist tot, vorbei. Es gab ihn mal. Heute heißen die Paparazzi Barack Obama oder Mick Jagger, denn sie fotografieren sich mit ihren Handys permanent selbst. Sie sind ihre eigenen Paparazzi."