Es ist der Tag der Offenen Tür am Nikolaustag. Zum Geburtstag steht beim Zentrum für Kunst und Medientechnologie Revolutionäres auf dem Programm: Bis März noch läuft die Schau "global aCtIVISm" im ZKM, das mit seinen 7000 Quadratmetern Stellfläche Spielraum hat: "global aCtIVISm" dokumentiert denn auch so ziemlich alles, was in den letzten Jahren an "Empört euch!" und "Engagiert euch!" international zu beobachten war – vom Occupy Camp über eine Anklagemauer mit dem Thema "Stuttgart 21", bis zu einer Studentencombo, die versucht, die Besucher zu einem eigenen Protestsong zu animieren.
Dagegen wirkt die Kabinettausstellung vor anthrazitgrau getünchten Wänden mit rund 100 Werken von Kata Legrady stellenweise wie eine Präsentation von feinem Schmuck. Der Blick fällt auf Handgranaten - und zwar originale, wenn auch entschärfte, wie man sie - recht problemlos - via Internet kaufen kann. Die Granaten in Plexiglasvitrinen sind mit Pelz überzogen und heißen "Jessica", "Claudia", "Naomi" oder "Miranda": hübsch! Würden ganz gut passen, ins Repräsentierzimmer des informierten, europäischen Bürgers am Beginn des 21. Jahrhunderts: sollen wir eine Pelz-Granate kaufen? Kurator Andreas Beitin:
"Ja, dann haben Sie ja ein richtiges Gefühl! Es ist natürlich ein Thema von Kata Legrady: das Aufzeigen von Gewalt, militärischer Gewalt – wir haben sehr viele Waffen hier, Granaten , Minen, Projektile – und wir haben dem gegenübergestellt: Luxusartikel, die man mit Gier und Lust verbindet."
Eine bunte Mischung
Ein Projektil, also eine Maschinengewehrpatrone, ist überdimensioniert vor gleißend weißem Hintergrund fotografiert und mit rosa Herzchen besetzt. Von der Anmutung her wirkt das fast schon erotisch, wie etwa ein Flacon auf einer Reklame für eine Parfümerie. Den Rundgang durch den Parcours erleben wir wie ein Memoryspiel: Kombinationen von Waffen und Dekoaccessoires werden durchgespielt: Pistole mit Herzchen, Pistole mit Schokodrops, Granate mit Herzchen, mit Drops, mit Pelz, mit Geldscheinen beklebt. Und so weiter.
"Dass man immer wieder die gleichen Dinge hat, nur in anderen Konstellationen, genau so wie sich die Geschichte immer wiederholt hat und Menschen dann doch immer wieder in neue Kriege reingekommen sind. Dieses Wiederholen, dieses Redundante, das ist mir wichtig zu zeigen."
Spielerisch und extrem zugespitzt: immer etwas Böses, garniert mit etwas Süßem. Das spricht uns bei aller Redundanz sinnlich an, weil es so variantenreich umgesetzt ist. Von der Weltkriegsbombe in Hochglanz- Pink, bis zum mannsgroßen Gangsterpärchen Mickey und Minnie Mouse in zarter Porzellanoptik, die, mit "Knarren" in der Hand, offenbar gerade ansetzen zu einer Quentin-Tarantino-Filmszene mit grandiosem Shoot Out. Das entlarvt unser aller fundamentalen Widerspruch: Wir genießen Action-Kino und Krimis, ballern am Computer wie die Irren, aber finden – natürlich – dass Waffen am besten abgeschafft gehörten. Wird diese Ausstellung daran etwas ändern?
"Ja gut, es ist eine fatale Einstellung: Es ändert sich eh nix, deswegen macht man's auch nicht. Man muss es zu Bewusstsein bringen, man muss es den Menschen immer wieder zeigen. Es sind diese kleinen Waffen, die jetzt keine Massenvernichtungswaffen sind, die dann aber in der Summe Leid und Elend in die Welt gebracht haben."
Waffen aus dem Kontext gerissen
Klug gemacht: Kata Legrady reißt Handfeuerwaffen, wie ein neueres Modell der Bauart "Kalaschnikow", benannt nach dem vor wenigen Wochen verstorbenen General und vergleichbar mit dem deutschen Exportschlager "G 36", völlig aus dem Kontext. Wir sehen eben nicht, dass diese Gewehre am Kriegsschauplatz mit ihren etwa dreieinhalb Kilo buchstäblich kinderleicht zu bedienen sind. Wir sehen sie als Pop-Art-Ikonen, handwerklich perfektionistisch fotografiert, gemalt, gezeichnet oder als Skulptur ausgearbeitet.
Bemerkenswert, der biografische Hintergrund: Kata Legrady, geboren 1974 in Ungarn, wurde schon als Grundschulkind in eine Schießsportgruppe gesteckt, gewann später mit dem ungarischen Team olympische Medaillen, genoss dann aber eine Ausbildung zur Opernsängerin. Recht spät kam sie zur Kunst, die erste Ausstellung 2010 in Paris.
"Erstmalig zeigen wir eine Videoarbeit, die extra für diese Ausstellung geschaffen worden ist, auf der recht große Gewehre, die aus Holz überdimensional nachgebaut worden sind, verbrannt werden. Also die Ausstellung ist – ich hab´s etwas flapsig gesagt – aufgebaut wie ein "Tatort": Man sieht am Anfang eine Leiche, das verbrannte Gewehr, und am Ende, wie der Tathergang war, also letztendlich die Katharsis."
Und das sollen wir durchaus als Apell verstehen:
"Spätestens da wird einem klar, dass es letztendlich um eine sehr pazifistische, humane Grundhaltung geht, dass Waffen dezidiert zerstört werden müssen."
Die Geste von Kata Legrady erinnert uns an das berühmte Foto, Ende der 1960er, auf dem ein Hippie-Mädchen einem US-Marineeine Blume schenkt, nur dass Legrady darüber hinaus mit ihren Blumen, Herzchen und Geldscheinen auch die wirtschaftliche Dimension anreißt: Waffen als Handelsgut wie jedes andere. Im internationalen Waffenhandel geht es vielleicht nicht und Moral, ob man "Kriegs-" oder "Friedensmissionen" munitioniert, es geht vor allem ums Geldverdienen. Da wird internationales Recht auch schon einmal unterlaufen. Oder es werden, ganz perfide und gewissermaßen "smart", nicht Waffen gehandelt, sondern Informationen, wie man sie baut und in 3D ausdruckt. Das ist diese neue Ebene im Thema, die Kata Legrady schon über das Formale ihrer Kunst absolut sehenswert herausarbeitet.