Fotos von Frauen in Minikleidern, von Frauen rauchend, mit Freundinnen, auf Parkbänken sitzend. Bilder von Frauen aus den 60er- und 90er-Jahren. Und obwohl drei Jahrzehnte dazwischen liegen, sind sie kaum zu unterscheiden. Über einhundert Fotos hängen dicht an dicht an den Wänden des NRW-Forums. So gut wie alle im Kleinformat, alle auf der Straße aufgenommen. Und die hat ihre ganz eigenen Gesetze, erzählt Starfotograf Peter Lindbergh.
"Da muss man sich anpassen. Normal ist, man sagt: Stopp, geh mal zurück und das ist - vorbei ist vorbei. Das ist doch toll, da wird man viel wacher."
"Modefotografie runtergekocht auf was Normales"
Lindbergh, renommiert für seine Serien in Hochglanzmagazinen mit Supermodels, zeigt im NRW Forum kaum bekannte Bilder. Allesamt entstanden in Anlehnung an die berühmte Reihe "Women are beautiful" des früh verstorbenen Streetfotografen Garry Winogrand. Allerdings wäre er ohne den Kurator Ralf Görtz nie auf die Idee gekommen, seine Bilder neben die von Winogrand zu hängen, betont Lindbergh:
"Das war die Idee vom Görtz. Der kam damit an. Der hat gesagt, willst du eine Ausstellung machen mit Winogrand? Und ich habe gesagt- meine Güte, klar natürlich. Und dann haben wir überlegt, was. Und dann habe ich gesagt: Pass mal auf, ich habe 1995 so eine Geschichte probiert mit der Street-Fotografie und der Modefotografie. Um mal zu sehen, wie weit man die Modefotografie runterkochen kann auf was Normales."
Peter Lindbergh ist selbst erstaunt, wie gut seine Fotos mit denen von Garry Winogrand harmonieren. Denn Winogrand hat spontan die Frau auf der Straße abgelichtet, Lindbergh zwei Models in New York für sein "Straßenprojekt" gebucht. In der Ausstellung hängen die Bilder nebeneinander. Ein Unterschied ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Models und Mädchen von nebenan sehen gleich gut aus. Zwei Künstler auf Augenhöhe, meint Kurator Ralf Görtz:
"Das ist halt etwas, was man vorher niemals vermutet hätte. Man hätte gesagt, das bricht total auseinander, weil man zwei Positionen miteinander vergleicht, aber wenn man jetzt durch die Ausstellung wandert, sieht man eigentlich ganz schnell, dass man vergisst, wer ist Winogrand, wer ist Lindbergh, sondern es geht pur um die Frau, um die Straße, um Fotografie."
Das Pure der Schönheit - ein Blick, etwas Beiläufiges
Sowohl Winogrands als auch Lindberghs Fotos zeigen Frauen ohne viel Make-up. Es sind fast alles schwarz-weiß Bilder, analog aufgenommen, kein Fotoshop, keine Inszenierung, so Görtz:
"Genau darum geht es in der Ausstellung bei Winogrand wie bei Lindbergh, es geht darum, das Pure einer Schönheit einer Frau zu ergründen, und das ist nicht das Make-up oder die tolle Figur, sondern es geht eben um einen Blick, um eine kleine Hand, um eine Geste, um etwas Beiläufiges, das typische, wie Frauen ihre Haare zurückstreichen, wenn sie mit einem Mann reden."
Die Bilder Winogrands sind größtenteils auf einer Reise durch Europa entstanden. Er war ständig auf der Straße, mit gezückter Kamera, immer auf der Suche nach dem nächsten weiblichen Motiv. Winogrand schaffte es, alle gut aussehen zu lassen, auch ohne Designermode und ohne Modelfigur.
"Ich weiß nicht, ob die Frauen schön sind, ich weiß nur, dass sie auf meinen Bildern schön aussehen. Also so ein wahnsinnig schöner, süßer Spruch", zitiert Lindbergh seinen Kollegen und man spürt die Bewunderung für das Werk des anderen.
Sex-Appeal durch Unebenheiten und Charakter
Auch Lindberghs Frauen sehen auf seinen Bildern schön aus. Viele Supermodels lieben die Arbeit mit ihm, weil er sie nicht mit Künstlichkeit überfrachtet, ihnen die Unebenheiten gönnt, ohne sie schlecht aussehen zu lassen. Doch wer Bilder von Cindy Crawford und Co. im NRW Forum erwartet, wird enttäuscht. Zu sehen ist gewissermaßen Lindbergh unplugged.
"Peter sozusagen als Jäger, als Flaneur auf der Straße, der versucht hat, dieses eine Model, was er da 'geshootet' hat, einzufangen, und auf der anderen Seite eben die Straße miteinzubeziehen."
Die Frau und die Straße sowie die Bildästhetik sind bei Lindbergh und Winogrand ähnlich. Beide Fotografen arbeiten viel mit Anschnitt, lassen Leute das Bild kreuzen, um eine Dynamik zu entwickeln. Doch wer genau hinschaut, sieht die Unterschiede. Winogrands Frauen lächeln häufig, blicken in die Kamera, reagieren auf den Fotografen und treten in einen Dialog.
Unnahbare, unabhängige Weibsbilder
Lindberghs Frauen bleiben bei aller Street-Credibility kühl, verweigern die Kommunikation. Aber egal, ob bezahlte Schönheit oder Straßenschönheit – der Betrachter erliegt dem Charme der Bilder und spürt das ehrliche, unverstellte Interesse an Weiblichkeit.
"Mein Standardscherz im Moment ist: Wenn ich eine Frau wäre, dann wäre ich auf jeden Fall lesbisch. Dann sagen immer alle: Wie bitte? Dann sage ich: Ich mag Frauen einfach so gerne. Das stimmt tatsächlich."
Die Ausstellung "Women On Street" ist ab heute bis zum 30. April 2017 im NRW Forum in Düsseldorf zu sehen. Die Eintrittspreise liegen zwischen 1,00 bis 8,00 Euro (je nach Tag und Vergünstigung).