Fast wird einem ein wenig kalt im "White Cube: Antarctica" der Künstlerin Judith Neunhäuserer. Ein großformatiges Foto zeigt eine aufgebrochene Schneewand - der Eingang zu einer fremden technischen Unterwelt, erklärt die junge Künstlerin: "Die Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis. Ende letzten Jahres habe ich eine Reise dorthin gemacht und drei Wochen dort verbracht und mir die Arbeit der Naturwissenschaftlerinnen angeschaut."
Die Wände sind weiß, zwei Videos zeigen wie Mensch und Natur, Wissenschaft und Kunst hier aufeinandertreffen. "Die Protagonistin in diesen Videos bin ich im roten Polaranzug. Hier springe ich von 'Eden', das ist die Plattform, an der das deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum mit Gemüseanbau ohne Erde für die Raumstationen experimentiert. Und hier bewege ich mich in der Garage der Neumayer-Station."
Natürlich spielt auch der Klimawandel, der an diesem Ort erforscht wird, eine Rolle in der Arbeit. Aber, sie möchte nicht belehren, sagt Neunhäuserer: "Also aus Gesprächen mit den Wissenschaftlerinnen kann ich schon sagen, dass die sagen: 'Ja, die Antarktis schmilzt schneller, aber das ist natürlich zu komplex, als dass man da einfache Gründe angeben kann.' Als dass ich das auch kann, die nicht in diesem Feld tätig ist. Und vor allem habe ich festgestellt, dass die Naturwissenschaft heute so spezialisiert ist, dass man keine pauschalen Aussagen darüber treffen kann."
Erschreckend und schön zugleich
Pauschale Positionen, den erhobene Zeigefinger - darauf verzichtet die Ausstellung in der Eres-Stiftung größtenteils. So sind zum Beispiel die großen Schwarz-weiß-Bilder von Emma Stibbon, die Umweltkatastrophen, gespaltenes Eis oder gebrochene Erdkruste, zeigen - erschreckend und schön zugleich.
Wer über Klimawandel spricht, der muss auch über Fake News sprechen, das war für Kurator Stephan Huber bei der Zusammenstellung schnell klar: "Ich kam dann sehr schnell auf diese ökonomischen Interessen der realen Klimaleugnung, was ja möglicherweise heute die größten Fake News der amerikanischen Politik sind. Da ist man dann bei Fake News, bei ökonomischen Interessen, bei Wut und Emotionen gegen so eine Position, wie sie Donald Trump hat."
Huber selbst greift ein apokalyptische Szenario auf: Er montiert vier eigene fiktionale Texte in die Tragödie "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus. Dabei bezieht er klar Stellung: "Es geht einmal um 'Koch Industries' in Kansas/Wichita, eine der größten amerikanischen Industrie-Konglomerate der Koch-Brüder, die ganz massiv Donald Trump bezahlt haben, die ganz massiv beteiligt sind an der Klimaleugnung, ganz massiv die rechte Bewegung in den USA unterstützen."
"Kunst ist eine Lüge"
So ist die Ausstellung auch eine Warnung - trotz einiger Fragezeichen: Denn Arbeiten wie Hermann Pitz’ "Wassertropfen" oder Sigalit Landaus "Barbed Hula" überzeugen mehr durch ihre reduzierte, klare Form als durch inhaltliche Tiefe. Nicht jedes Werk ordnet sich also erkennbar in das Thema der Ausstellung ein.
Hier könnte man auch von einem kuratorischen "Fake" sprechen, denn es ist ja so: Gefaket wird überall, meint auch Sabine Adler, die Geschäftsführerin der Eres-Stiftung: "Es gibt den Fake als künstlerische Strategie, es gibt Fälschungen am Kunstmarkt. Es gibt Fälschungen in der Wissenschaft. Und es ist auch so, dass immer mehr Strategen versuchen, die Wissenschaft in Frage zu stellen und mit Falschmeldungen zu diskreditieren."
Nur richtig also, dass von Juli bis September diverse Wissenschaftler selbst zu diesen Themen vor Ort referieren. "Eiskalt" - die Ausstellung versammelt sehenswerte Kunst und Denkanstöße, die mal mehr, mal weniger verständlich sind. Wie hat schon Picasso gesagt: "Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt."
"Eiskalt" bis zum 6. Oktober in der Eres-Stiftung in München.