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Ausstellung zu Schliemanns 125. Todestag
Selten gezeigte Archivalien

Heinrich Schliemann war berühmter Ausgräber, Weltreisender, Kaufmann und Multimillionär – und natürlich war er vor allem ein Abenteurer. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz widmet Schliemann nun zum 125. Todestag eine Ausstellung mit selten gezeigten Archivalien aus eigenem Bestand.

Von Carsten Probst |
    Der Nachguss der Bronzebüste des Archäologen Heinrich Schliemann (1822-1890) ist am Mittwoch, dem 9.5.2012 am Pfaffenteich in Schwerin zu sehen. Die Skulptur, die seit 1895 weitgehend unbehelligt im Stadtzentrum stand, war Ende August 2011 von Buntmetall-Dieben gestohlen worden.
    Bronzebüste des Archäologen Heinrich Schliemann: Eine kleine Ausstellung beleuchtet Stationen seines Lebens. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Der Schatz des Priamos; die Goldmaske des Agamemnon; Troja – gut möglich, dass es das alles gar nicht gab. Dass Heinrich Schliemann seine kostbaren Schatzfunde rundheraus den Gestalten und Orten aus der griechischen Mythologie zuordnete, war schon zu seinen Lebzeiten umstritten. Heute sind viele seiner Annahmen wissenschaftlich längst überholt, die Bezeichnungen, weil sie so schön klingen, haben sich allerdings trotzdem erhalten: Nach wie vor wird im Schliemann-Saal des Neuen Museums in Berlin der Schatz des Priamos präsentiert oder vielmehr eine Replik seiner wichtigsten Teile. Die Originale sind im Moskauer Puschkin-Museum zu sehen und gehören bis dato zu den prominentesten Streitfällen von Beutekunst mit Russland. Nach wie vor ist von Schliemanns trojanischen Grabungsfunden die Rede, obwohl sich Archäologen heute weniger denn je darüber im Klaren sind, ob die vergrabene Stadt unter dem Hügel Hisarlik in der Türkei tatsächlich das historische Troja war, das Homer in seiner Ilias beschrieben hat. Und ob es dieses Troja überhaupt je gegeben hat.
    Eine national-historistisch gefärbte Antikensehnsucht traf in Schliemanns Person auf einen wohlständigen Abenteurergeist. Seine Grabungskampagnen finanzierte er in der Regel selbst, sparte dabei nicht mit mythologisierender Selbstinszenierung – und hatte, zumindest was die Zahl seiner großen Schatzfunde betraf, beeindruckenden Erfolg.
    Wenn man also den Pomp und das immer auch nationalistisch gefärbte Pathos bedenkt, das sich lange Zeit um Schliemanns Funde gerankt hat, dann ist es durchaus bemerkenswert, dass die Berliner Gedenkausstellung zu seinem Todestag so klein und bescheiden gehalten ist. Schließlich verdanken die Staatlichen Museen Schliemann viel – gehen zugleich jedoch deutlich auf Abstand zu den fast mythischen Überhöhungen seiner Leistungen bis in die Nachkriegszeit und auch zu den Fantasmen einer epischen Geschichtsschreibung, die Schliemann zu Lebzeiten betrieben hat.
    Zwei kleine, umgrenzte Bereiche
    Zwei kleine, umgrenzte Bereiche, etwas versteckt im 3. Stock des Neuen Museums, berichten betont nüchtern über seine Todesumstände. Schliemanns plötzlicher und einsamer Tod sorgte im Jahreswechsel 1890/91 für Aufsehen, luden die Umstände doch zu eifriger Legendenbildung ein. Während er auf der Durchreise in Neapel zu seiner Familie in Athen war, verstarb Schliemann 69-jährig freilich nur an einer nicht vollständig auskurierten Ohrentzündung. Er hatte sich in seinem Reiseeifer lediglich nicht an ärztlichen Rat halten und die Entzündung ordentlich auskurieren wollen. Eine Vitrine beherbergt unter anderem Schliemanns wichtigste Briefe an die Berliner Museen, denen er seine Trojafunde übereignet. Auch dies eine vergleichsweise zurückhaltende Bezeugung von Dankbarkeit gegenüber dem Stifter.
    Nebenan im Roten Saal des Neuen Museums wiederum sind einige historische Vitrinen aufgebaut, die noch aus dem ehemaligen Museum für Völkerkunde in Berlin stammen und in denen schon damals Schliemann-Funde gezeigt worden waren. Hier werden noch einmal seine wichtigsten Grabungsstationen nachvollzogen – allen voran die Grabungskampagnen zu Troja, wo Schliemann seinen berühmt-berüchtigten Schliemann-Graben ziehen ließ, mit dem er zunächst einmal viele Grabungsschichten zerstörte. Dort entdeckte er aber auch den sogenannten Schatz des Priamos. Zu sehen sind seine an sich nicht weniger spektakulären Kampagnen in Orchomenos, Mykene oder Tiryns, auch seine Ägyptenreisen werden dokumentiert. Wer noch Näheres wissen will, der wird an den besagten Schliemann-Saal verwiesen, der ohnehin zur ständigen Ausstellung im Neuen Museum gehört.
    Heute würde man Schliemann vermutlich als einen Freak, als Enthusiasten bezeichnen, der seine anfangs laienhafte Antikenbegeisterung wie eine Privatreligion zelebrierte, getrieben von einer seltsamen Vorstellung mythologischer Realität, die allerdings in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überaus populär war und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in die bürgerlichen Bücherschränke fortwirkte.
    Insofern erscheint Heinrich Schliemann heute selbst fast mehr wie eine literarische Figur, aus einem Roman allerdings, an dem er zu guten Teilen selbst mitgeschrieben hat.