Die Energie, aber auch die Widersprüchlichkeit der Lutherzeit fällt gleich zu Beginn der Ausstellung "Luther und die Fürsten" ins Auge. Denn bereits im Eingangsbereich, schon kurz vor den eigentlichen Ausstellungsräumen hängen Flugblätter von der Decke, als würden sie gleich herabfallen.
Die Bewegung des bedruckten Papiers und die scheinbare Beständigkeit und den Glanz, die die Prachtmitra von Albrecht, Erzbischof von Brandenburg, ausstrahlt – das markiert gleichsam die Pole dieser Zeit im 16. Jahrhundert.
Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zur inhaltichen Eingrenzung:
"Wir haben den Zeitraum von 1515 als im fernen Rom, der Generalablass dann verabschiedet wurde bis 1591 als unser Thema genommen. Das sind gerade mal 76 Jahre. Ein relativ langer Zeitraum, in dieser Zeit hat sich die Epoche verändert. Da gab es Wahlentscheidungszwänge, ob man beim alten Glauben bleibt oder ob man sich dem neuen Glauben zuwendet. Plötzlich gab es ein neues Selbstverständnis des Herrschers."
Die über 200 Exponate auf rund 1.500 Quadratmetern befassen sich mit dem Verhältnis von Herrschaft und Reformation. Denn die Neuordnung der Glaubenswelt ist nicht ohne das Zusammenspiel mit den weltlichen Herrschern zu verstehen.
Hartwig Fischer, Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
"Wie weit dieser Prozess ein dynamischer gewesen ist aus Streit und Widerstreit, wie Konflikt zwischen den Protagonisten des historischen Prozesses zu dem geführt haben, was wir heute Reformation nennen, können sie in exemplarischer Weise nachvollziehen. Wir wollen zeigen, inwieweit das auch ein Zusammengehen zwischen den geistlichen und den weltlichen Fürsten gewesen ist."
Die Exponate kommen zum größten Teil aus dem eigenen Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, einige sind jedoch internationale Leihgaben.
Der Abstecher nach Torgau, eine Kleinstadt, die an den Landesgrenzen von Sachsen und Brandenburg liegt, lohnt auch architektonisch. Denn der Ausstellungsort, Schloss Hartenfels, ist das größte vollständig erhaltene Renaissanceschloss in Deutschland. Als kursächsische Residenz war es das politische Zentrum der Reformation. Denn allen voran unterstützten die Kurfürsten von Sachsen die kirchenpolitische Kritik Luthers. Nur durch den Einsatz der weltlichen protestantischen Fürsten konnten Luthers Lehren eine derartige Wirkungsmacht entfalten.
Ein Rundgang dort fühlt sich wie ein Schreiten durch ein Cranach-Gemälde an, sagt Dirk Syndram. Es ist also auch ein ästhetisches, nicht nur ein kunsthistorisches Erlebnis. Bereits vor elf Jahren gab es in Schloss Hartenfels eine sächsische Landesausstellung zu einem ähnlichen Thema.
Von der architektonischen Fülle profitiert auch die nationale Sonderausstellung, kann sie doch auf Kleinode zurückgreifen, wie die Schlosskapelle. Martin Luther hatte sie als ersten protestantischen Kirchenneubau im Jahr 1544 eingeweiht.
Doch bei aller Freude über die Optik, krankt die nationale Sonderausstellung etwas daran, dass der Anspruch, der mit dem Titel "Luther und die Fürsten" einhergeht, in den Ausstellungsräumen nicht oder nur im ersten Drittel des Rundgangs eingelöst wird. Da ist unter anderem das Originalblatt der Thesen zu sehen. Dort wird zum Beispiel mit den Jagdbildnissen und anderen Abbildungen deutlich, wie die Reformation auch das Selbstverständnis der Fürsten, das Selbstverständnis ihrer Machtausübung verändert hat. Dienten doch diese Abbildungen vor allem der Eigenwerbung.
Danach zerfasert die Schau jedoch und wendet sich zu sehr einer eher allgemeinen Sicht auf die Reformation zu.
Eine Frage bleibt beim geneigten Betrachter noch offen – wie fürstlich war denn der große Reformator denn selbst? Wie feudal sein eigener Habitus?
Ursula Brink, Mitarbeiterin im grünen Gewölbe in Dresden, das auch zu den Staatlichen Kunstsammlungen zählt, hat an der Sonderausstellung mitgearbeitet:
"Fürstlich im Sinne der Repräsentation, wohl nicht, das kann man wohl nicht so nennen. Er bekam beispielsweise einen Ring geschenkt, der war so groß vom Format, weil man diese Prachtringe über dem Handschuh trug, der fiel ihm vom Finger. Daraus folgerte er, dass er nicht dafür gemacht ist, Gold zu tragen. Das Pracht-Zeigen, das hat er an anderer Stelle ja auch kritisiert, das hat er sich nicht zu eigen gemacht."
Die Ausstellung in Torgau ist eine sehenswerte, atmosphärisch dichte Einstimmung auf die Luther-Dekade. Sie lädt ein, diese Kleinstadt, die wenig im Fokus der Kulturreisenden gestanden hat, zu entdecken.
Die erste nationale Sonderausstellung lässt aber inhaltlich durchaus noch Raum für die Folgeausstellungen und löst die im Titel geweckten Erwartungen nicht zur Gänze ein.