Nizza, 2003. Eine Pressekonferenz auf einer geowissenschaftlichen Tagung. Es ging einmal mehr um das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit. Das Denkwürdige an dieser Pressekonferenz: Auf dem Podium kam es zum offenen Streit zwischen den Anhängern der Einschlags- und denen der Ausbruchstheorie.
"Ich kann mir gar nicht vorstellen, über eine wissenschaftliche Frage so wütend zu werden, dass man sich auf einer Konferenz anschreit. Doch ich glaube, dass die neue Forschergeneration nun die guten Argumente der anderen Seite anerkennt."
Blair Schoene von der Princeton University gehört zu dieser neuen Forschergeneration, die sich der Frage annimmt, was die Dinosaurier vernichtet hat.
Zwei Verdächtige - Komet und Vulkan
Als vor 66 Millionen Jahren ein Asteroid dort einschlug, wo heute die Yucatan-Halbinsel in Mexiko liegt, lief auf der Erde bereits eine andere Katastrophe. Im heutigen Indien riss die Erdkruste immer wieder über Hunderte von Kilometern hinweg auf, Lavafluten ergossen sich über das Land und feurige Fontänen schossen in die Luft. Eine kilometermächtige treppenförmige Basaltdecke entstand damals: die Dekkan Trapps.
Solche sogenannten Flutbasaltausbrüche können Massenaussterben auslösen - vor allem wegen des Treibhauseffekts, den sie mit ihren Klimagasen anfachen: "Wenn wir uns jetzt das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit anschauen, dessen bekannteste Opfer ja die Dinosaurier waren, dann haben wir also zwei Verdächtige: eben den Asteroideneinschlag und den Flutbasaltausbruch. Wir versuchen nun mit Hilfe hochpräziser Datierungen herauszufinden, wann genau die Dekkan-Trapps ausgebrochen sind und wie sie mit Einschlag und Massenaussterben zusammenhängen."
Ein Problem der Datierung
Wären die Dekkan-Trapps die Hauptschuldigen, müssten sie vor dem großen Sterben so schnell und massiv ausgebrochen sein, dass sie das Klima kippen lassen konnten. Bislang jedoch waren die Datierungen der Dekkan Trapps nicht genau genug, um die Frage auch nur annähernd zu beantworten. Courtney Sprain von der University of Liverpool, die zuvor an der University of California in Berkeley tätig war:
"Wir konnten bislang die Rolle der Dekkan-Trapps beim Massenaussterben unter anderem deshalb nicht klären, weil wir nicht wussten, wo genau in diesen Basaltstapeln die Kreidezeit endet. Damit wussten wir nicht, ob die Basalte vor, während oder nach dem Massenaussterben ausgebrochen sind und konnten damit auch nicht abschätzen, welche Rolle sie dabei durch die vom Ausbruch freigesetzten Klimagase gespielt haben."
In Science erscheinen heute parallel die Forschungsergebnisse zweier konkurrierender Gruppen zur Datierung der Dekkan-Trapps. Sie haben mit zwei verschiedenen Techniken an unterschiedlichen Komponenten gearbeitet, die unterschiedliche Stärken und Schwächen haben, erklärt Seth Burgess vom US-Amerikanischen Geologischen Dienst. Er hat die Arbeit der Gruppen bewertet.
Nicht länger im Widerspruch: Einschlag- und Ausbruch-Theorie
"Die beiden Studien kommen aus zwei Weltklasse-Laboratorien für absolute Datierungen. Und obwohl sie verschiedene Techniken einsetzen, sind ihre Antworten sehr ähnlich."
Und so soll es abgelaufen sein: Der massive Vulkanausbruch begann etwa 400.000 Jahre vor dem Aufprall des Chicxulub-Asteroiden und endete rund 600.000 Jahre danach. Mindestens die Hälfte der insgesamt geförderten Lava trat nach dem Einschlag aus. So viel Einigkeit ist ein gewaltiger Fortschritt gegenüber 2003. Und es geht noch weiter:
"Beide Arbeiten stimmen darin überein, dass sowohl der Ausbruch, als auch der Einschlag eine Rolle bei dem Massenaussterben und der Zeit danach gespielt haben. Doch sie ordnen die Bedeutung der Ereignisse etwas unterschiedlich ein."
Doppelte Katastrophe
Die Gruppe um Blair Schoene sieht den Flutbasalt-Ausbruch in Indien vorne. Ihren Daten zufolge ist der Ausbruch in vier gewaltigen Pulsen erfolgt. Der mit Abstand größte lief bereits, als der Asteroid einschlug. Der hätte dann den weit überlasteten Ökosystemen nur den Rest gegeben. In den Daten von Courtney Sprains Gruppe sind keine Pulse zu erkennen und das Gros der Lava wäre erst nach dem Einschlag ausgeflossen. Damit wäre der Asteroiden-Einschlag das Initialereignis und die Dekkan-Trapps hätten vor allem die Erholung behindert.
"Bis wir die Abfolge der Ereignisse noch genauer bestimmen können, wissen wir nicht, welche Interpretation stimmt."
Doch man sei auf dem richtigen Weg, urteilt Seth Burgess. Und vielleicht wird ja einmal eine "große vereinheitlichte Theorie" zum Verschwinden der Dinosaurier daraus. Sicher scheint jedoch, dass beide Katastrophen ihren Teil beigetragen haben.