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Ausstieg aus dem Methylbromid

Heute beginnt in Rom die Konferenz der Vertragsstaaten des "Montrealer Protokolls", das 1997 in der kanadischen Millionenstadt verabschiedet wurde. Damals hatte sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, nach und nach bestimmte Chemikalien nicht mehr anzuwenden, die nachweislich die Ozonschicht schädigen. Dazu zählen vor allem die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die berüchtigten FCKW. In der Diskussion um den mittlerweile vollzogenen Ausstieg blieb eine Substanz lange unbeachtet, und zwar ein Pestizid, das ebenfalls die Ozonschicht schädigt: das Methylbromid.

von Lutz Reidt |
    Methylbromid ist so etwas wie der Dinosaurier unter den Pestiziden. Seit Jahrzehnten wird dieses Allzweckgift eingesetzt, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch in den USA und in Italien und Spanien. Bevorzugter Anwendungszweck ist vor allem die Sterilisierung von Böden:

    Methylbromid ist ein Gas. Es wird eingesetzt unter Plastikplanen, um Bodenschädlinge und Krankheiten abzutöten. In der Regel bleibt es etwa vier Tage unter dem Plastik, dann wird die Plastikplane aufgenommen und das Restgas entweicht in die Atmosphäre. Und da es ein ozonzerstörendes Gas ist, steigt es also auf und reagiert mit dem Ozon in der Stratosphäre.

    Der Agrarwissenschaftler Dr. Volkmar Hasse leitet eine Expertengruppe der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, kurz GTZ genannt. Die Proklima-Initiative der GTZ hilft weltweit Bauern, auf umweltschädliche Substanzen zu verzichten. Fast drei Millionen Tonnen Methylbromid werden immer noch jährlich eingesetzt - und dies auch zum Schaden der Ozonschicht in der Stratosphäre:

    Dort werden aus dem Methylbromid die Bromatome, also der Bromgehalt aus der Verbindung wird freigesetzt, und dieser Bromgehalt greift die Ozonschicht an und trägt dazu bei, dass diese Schicht im Laufe der Zeit verringert worden ist und auch in Zukunft weiterhin verringert werden wird unter dem Einfluss der dauernden Emissionen dieser Verbindungen.

    Professor Reinhard Zellner von der Universität Essen zählt zu jenen Atmosphärenchemikern, die sich mit den ozonzerstörenden Prozessen in der Stratosphäre in 20 bis 50 Kilometer Höhe befassen. Dabei ist das Brom aus dem Methylbromid sogar giftiger als das Chlor aus den Fluorchlorkohlenwasserstoffen, den FCKW:

    Ein Brom-Atom zerstört 80 mal mehr Ozon als ein Chlor-Atom. Der Bromgehalt in einer Verbindung wie Methylbromid ist reaktiver, wirksamer auf das stratosphärische Ozon als der Chlorgehalt.

    In Deutschland hatten vor allem Kartoffel- und Zuckerrübenbauern ihre Ackerböden mit Methylbromid behandelt - und zwar bis 1982. Dann wurde Methylbromid in Deutschland verboten. Jedoch nicht wegen der ozonzerstörenden Wirkung - die war damals noch gar nicht bekannt - sondern wegen der Gefahr für das Grundwasser. Brom löst sich sehr rasch im Wasser und daher wäre ein weltweiter Verzicht auf Methylbromid nicht nur für die Ozonschicht ein Segen. Inzwischen sind fast alle Industrieländer dem Beispiel Deutschlands gefolgt. Den Entwicklungsländern räumt das Montreal-Protokoll für den Ausstieg noch Zeit bis zum Jahr 2015 ein. In den USA jdeoch muss der Ausstieg bis 2005 vollzogen sein:

    In den USA wird Methylbromid überwiegend in Schnittblumen und in Erdbeeren eingesetzt, in den Staaten Kalifornien und Florida; diese Kulturen sind hoch spezialisiert; die Betriebe sind auf eine Monokultur eingerichtet und haben es besonders schwer, Methylbromid dann nicht mehr zu verwenden, weil es im Prinzip einer völlig neuen Anbaumethode bedarf, um also ohne dieses Gas produzieren zu können; und das sind teure Umstellungen, die die Bauern nicht gerne machen, weil das Risiko auch hoch ist, dass was nicht klappt und dann gehen sie pleite.

    Weitsichtige Landwirte vermeiden Monokulturen und bauen verschiedene Kulturen im ständigen Wechsel in Fruchtfolgen an. Dann geht es auch ohne Methylbromid, sagt die Pflanzenpathologin Professor Maria Finckh vom Fachbereich Ökologischer Landbau der Gesamthochschule Kassel in Witzenhausen:

    Das Methylbromid und die anderen Fumiganzien haben es möglich gemacht, ohne Fruchtfolgen alle möglichen Kulturen anzubauen, ganz speziell die teuren Kulturen wie Erdbeeren, anderes Gemüse, aber auch Kartoffeln. Weil das natürlich auch sehr gerne gegen Nematoden eingesetzt wird. Um all die Fumiganzien nicht mehr zu verwenden, muss man die ganze Anbaumethode ändern! Man muss wieder Fruchtfolgen einführen, man muss bestimmte Zwischenfrüchte anbauen, die auch bestimmte Insekten oder Nematoden unterdrücken; und man muss auch bei der Sortenwahl wieder genauer vorgehen. Man muss Sorten nehmen, die eben bestimmte Resistenzen aufweisen.

    Fruchtfolgen einhalten und resistente Sorten wählen - das sind die klassischen Präventivmaßnahmen, die den Bauern weltweit zur Verfügung stehen, um ohne Methylbromid auszukommen. Und dort, wo die Sonne besonders heiß auf die Äcker brennt, können die Schadorganismen mit der "Solarisation" unter riesigen Plastikplanen in den "Schwitzkasten" genommen werden.