Archiv

Ausstieg aus Doping-Flaschen-Produktion
"Ein Kollateralschaden des russischen Dopingskandals"

Dass die Schweizer Firma Berlinger aus der Produktion der Flaschen für die Dopingproben aussteigt, bedauert NADA-Vorstandschefin Andrea Gotzmann im Dlf. Die Gründe dafür sieht sie unter anderem im russischen Dopingskandal.

Andrea Gotzmann im Gespräch mit Matthias Friebe |
    Zwei Glasflaschen mit Urin für die A und die B Probe, aufgenommen am 16.08.2013 in der Zentrale der PWC Gesellschaft für medizinische Testverfahren im Sport GmbH in Gilching (Bayern). Die Flaschen lassen sich nach dem Zudrehen durch einen speziellen Verschluss nicht wieder öffnen. Foto: Peter Kneffel/dpa | Verwendung weltweit
    PWC Dopingkontrolle (dpa)
    Matthias Friebe: Am Wochenende gab es Meldungen aus der Schweiz, Frau Gotzmann, dass die Firma Berlinger angekündigt hat, sich kurz- oder mittelfristig aus dem Anti-Doping-Geschäft zurückzuziehen. Das ist die Schweizer Firma, die die Flaschen herstellt, in denen die Dopingtests abgefüllt werden. Da hat es ja einigen Wirbel um die Flaschen gegeben: nicht fälschungssicher, leicht zu öffnen und so weiter. Sie haben den Rückzug der Firma jetzt bedauert, warum?
    Andrea Gotzmann: Ja, also bisher haben wir eine hervorragende Zusammenarbeit mit der Firma Berlinger gehabt und das ist auch der Anbieter am Markt, der uns das beste Produkt zur Verfügung gestellt hat. Natürlich im Rahmen des großen Dopingskandals in Russland hat es sich hier gezeigt, dass die Flaschen manipuliert wurden.
    Aber wir müssen einfach auch mal den Aufwand sehen, dass dieses System, das gut etabliert war, von einem Geheimdienst unterlaufen wurde. Und da hat es natürlich zu Diskussionen geführt, aber wir müssen immer die gesamte Kette sehen und das bezeichnen wir als Sicherheitskette, wo überhaupt die Möglichkeiten sind zu manipulieren. Und die Firma Berlinger hatte sich auf die Fahne geschrieben, hier ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen und vor daher werden wir mit Hochdruck nach Alternativmodellen suchen.
    Friebe: Wie schnell kann das gehen?
    Gotzmann: Ja, es gibt ja eine Übergangsphase, und die Firma Berlinger hat uns und unseren Dienstleistern, mit denen wir zusammenarbeiten, natürlich auch garantiert, dass Stückzahlen hier noch vorhanden sind, die wir weiter benutzen können.
    Ich gehe davon aus, dass wir ein Dreivierteljahr gut versorgt sein werden und das sollte ausreichen um hier, aber auch mit der WADA und den anderen Anti-Doping-Agenturen nach einem neuen System zu gucken, vielleicht auch die Idee, die Berlinger bisher hatte weiterzuentwickeln mit einer anderen Firma, um hier sehr gut aufgestellt zu sein.
    Friebe: Haben Sie bisher nur mit Berlinger zusammengearbeitet, oder hatten Sie auch Materialien und Flaschen von anderen Herstellern immer Mal im Test?
    Gotzmann: Es gibt auch andere Hersteller und Anbieter, aber deren Material hat uns nicht so überzeugt wie das Produkt, was Berlinger uns über die Jahre zur Verfügung gestellt hat und eigentlich hier die Marktführerschaft übernommen hatte. Das rächt sich natürlich auch, wenn man dann auf einen Anbieter angewiesen ist und das sollte auch bei uns im Fokus stehen, dass wir hier eine gewisse Ausgewogenheit der Anbieter erzielen, damit wir nicht durch solche kurzfristigen Rückzüge in Schwierigkeiten kommen.
    Friebe: Jetzt haben sie – wenn ich das richtig gelesen habe – auch gesagt, dass Berlinger für die Übergangszeit auf Flaschen zurückgreift, die sich als nicht fälschungssicher herausgestellt haben und deshalb die Labore erhöhte Qualitätssicherheitsmaßnahmen einsetzen. Was ist damit gemeint?
    "Man kann heute alles fälschen"
    Gotzmann: Ja, nicht fälschungssicher, das ist natürlich schwierig, das jetzt zu definieren. Ich sehe immer die Gesamtkette, also vom Kontrolleur, der überraschenderweise bei der Trainingskontrolle zu einem Athleten geht, dann unter Aufsicht die Probenflaschen nimmt und sie unmittelbar danach dann in das Labor überführt. Das ist eigentlich ein Gesamtprozess, den wir sehen müssen. Sollten Flaschen irgendwo in falsche Hände geraten, was wir mit unseren Möglichkeiten zu verhindern wissen, dann können sich gewisse Kräfte hier auch daran zu schaffen machen, und das gilt es zu verhindern, den Gesamtprozess.
    Man muss aber auch immer sehen: Man kann alles fälschen heute und man kann alles aber auch sicherer machen, sich vorbereiten, das hat natürlich seinen Preis und diese Diskussion müssen wir jetzt führen: Welche Qualitätsanforderungen brauchen wir, was sind wir bereit, dafür zu zahlen.
    Friebe: Es gab ja auch die Berichte darüber, dass diese Fläschchen beim Einfrieren zum Teil brechen könnten, gerade diese Nachtests, Jahre nach den Spielen ,wenn es neue Überprüfungsmöglichkeiten gibt, die sind ja wichtig geworden, heißt das nicht, dass man mögliche positive Tests immer anfechten kann, weil man weiß, diese Flaschen könnten gebrochen sein?
    Gotzmann: Das würde sich ja dann zeigen, wenn man die Flasche aus den entsprechenden Sicherheitskühlräumen herausnimmt. Wir haben natürlich auch mit unseren Laboren darüber gesprochen, die auch jetzt schon Mal einen ersten Check vornehmen. Das sind aber Flaschen, die vor Kurzem erst zur Auslieferung gekommen sind und nicht Flaschen, die wir seit vielen Jahren auch in unseren Kühlräumen stehen haben.
    Hier gibt es jetzt – um eben nicht ganz mit dem Testen aufhören zu müssen, um ein System zu haben – Anweisungen, die Flaschen ganz besonders zu behandeln und dem kommen wir natürlich nach, um den gesamten Prozess nicht zu gefährden.
    Friebe: Also Samthandschuhe?
    Gotzmann: So kann man's sagen.
    Friebe: Lassen Sie mich noch fragen: Berlinger sagt in seiner Stellungnahme, dass die immer organisierteren Formen des Dopingbetrugs das Anforderungsprofil dieser Test-Kits ständig verändert haben und dass diese Entwicklungen schwierig sind für Sie, das noch umzusetzen in der Zukunft. Was bedeutet das, wenn so ein Unternehmen das sagt, für den Anti-Doping-Kampf?
    Gotzmann: Das ist eigentlich sehr traurig, wenn man zu so einem Schluss kommen muss. Und wir haben hier wirklich ein mittelständisches Schweizer Unternehmen, mit dem wir über Jahre hervorragend zusammengearbeitet haben, auf vielen Feldern.
    Wir dürfen ja nicht vergessen, es geht ja auch noch um die Blutproben, die Serumproben. Berlinger ist aber auch in der Pferdedoping-Analytik bzw. den Flaschen, die hier benötigt werden, sehr aktiv, stellt uns viele gute Produkte zur Verfügung, und diese Erkenntnis, das ist schon sehr, sehr traurig.
    Und ich glaube, das kann man auch schon wieder als einen der Kollateralschäden, die wir aus dem Dopingskandal in Russland hatten, bezeichnen.
    Genug Fläschchen für Kontrollen vorhanden
    Friebe: Verstehen Sie das so, dass es einfach zu teuer geworden ist für Berlinger, das zu produzieren?
    Gotzmann: Ja, das ist ja vielleicht auch eine Imagefrage und zu teuer – mit Sicherheit es müssen hier neue Sicherheitsfeatures mit aufgenommen werden, das erfordert auch eine Entwicklungsarbeit, wo man in eine Vorleistung gehen muss, aber das gilt es natürlich jetzt mit einem neuen Hersteller in Zusammenarbeit mit der Welt-Anti-Doping-Agentur und der Inado, Vereinigung der Nationalen Anti-Doping-Agenturen zu besprechen, um hier jetzt auch sehr gut aufgestellt zu sein, wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt.
    Friebe: Das heißt aber nicht für die Übergangszeit – letzte Frage, Frau Gotzmann – dass Sie in dieser Übergangszeit weniger testen könne, weil Sie nicht genügend Kapazitäten an Fläschchen haben?
    Gotzmann: Nein, das kann ich ganz klar verneinen. Wir haben genug Kapazitäten, genug Flaschen, um unser Kontrollsystem, so, wie wir es gewohnt sind, aufrecht zu erhalten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.