Jürgen Liminski: Das Duell der Kleinen, das ich eben angekündigt hatte, können Sie heute Abend auch hören, und zwar hier im Deutschlandfunk um 20:15 Uhr, und das ist vielleicht sogar interessanter als das Fernsehen, denn das Fernsehen ist ein Wirkungsmedium, eine Gefühlsmaschine. Hier werden nicht nur kognitive, sondern vor allem emotionale Botschaften vermittelt. Das Bild, die Erscheinungsform bestimmt die Wahrnehmung. In diesem Sinn ist das Auftreten, die Gestik, die Mimik, die berühmte Krawatte oder wie gestern Abend auch die Halskette von Bedeutung. Darüber wollen wir jetzt sprechen mit Richard Schütze, er ist Medientrainer und Politikberater in Berlin. Guten Morgen, Herr Schütze.
Richard Schütze: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Herr Schütze, wie sahen Sie die Körpersprache der beiden gestern Abend?
Schütze: Beide waren austariert, aufrecht, Kopfhaltung gerade, zugewandt im ersten Drittel allein allerdings zu den Journalisten. Als dann der Schlagabtausch etwas intensiver wurde und alle beide ihre Statement-Ballaste abgeworfen, abgeladen und deponiert hatten, das was man so sagen muss in Wahlkämpfen, da haben sie sich auch stärker einander zugewandt. Da wurde die Gestik lebendiger. Und als dann Stefan Raab richtig Dampf in die Hütte brachte, da wurden dann auch beide richtig agil: Steinbrück eher mit ausholender Gestik der rechten Hand und Merkel mit ihren bekannten, eher ein bisschen schematischen, eher ein wenig zurückgenommenen Gesten.
Liminski: Steinbrück gilt als barsch, Merkel als zurückhaltend. Passten die Klischees?
Schütze: Merkel hat ihren präsidialen Stil fortgesetzt. Da war sie auch richtig beraten, bei sich bleibend, sich in Sicherheit wiegend, ihr Programm in Ruhe mit langsamer Stimme ausformulierend durchziehend. Da hatte sie auch rasch viel mehr Redeanteile herausgearbeitet als Steinbrück, zum Teil fünf Minuten Vorsprung sogar auf ihn. Steinbrück die kurze Attacke, die schnellen Sentenzen, Stakkato-Fragen, prägnanter, kürzer, aber durch diese Aggressivität natürlich auch Schwierigkeiten mit dem Faktor Sympathie.
Liminski: Da sind wir schon bei der Sprache, also bei den rhetorischen Mitteln: der Satzbau, die Betonung, die Sprachmelodie. Was sagt da der Analytiker?
Schütze: Die Melodie und die Wirkungsmittel beherrschen natürlich beide. Das sind lang erprobte Schlachtrosse, die haben sich viele Duelle geliefert im Bundestag, die sind aufgetreten draußen auf Marktplätzen und in den großen Hallen. Die wissen, wie man Stimme zurücknimmt, wie man Stimme wieder forciert, wie man Wirkpausen einbaut, wie man Betonung reinlegt durch eine Verstärkung der Phonetik. Das ist alles präsent, das können die und das haben die auch eingesetzt, gestern sehr wirkungsvoll, wenn es ihnen darauf ankam bei unterschiedlichen Situationen, wo betont werden muss. Da gleiche Punktzahl für beide.
Liminski: Es sind aber beide bei Ihrem Stil geblieben?
Schütze: Es sind beide bei ihrem Stil geblieben. Steinbrück wurde immer eloquenter, wurde immer schneller, wurde immer präziser, wurde immer kürzer und prägnanter. Das kann man auch schon verfolgen, dass die Sätze fünf, sechs, sieben, acht Worte und dann wieder ein Punkt, ein Ausrufezeichen, häufig auch eine ganze Serie von Fragen abgefeuert in Richtung der Kanzlerin, die natürlich so suggestiv gestellt waren, dass deren Beantwortung zugunsten von Steinbrücks Position sowieso schon auf der Hand lag. Merkel hat versucht, immer Tempo rauszunehmen, zu retardieren, zu verlangsamen, Druck wegzunehmen, bloß nicht in den Inside gehen, bloß nicht in den Clinch geraten, um auch nicht zu viel Augenhöhe herzustellen.
Liminski: Ein Wort zum Format, Herr Schütze. Damit scheint ja keiner zufrieden zu sein. Seit der ersten Elefantenrunde 1969 hat sich das Bild sozusagen verlagert. Jetzt sitzen die Elefanten auf den Journalistenstühlen. Vier sind es mittlerweile. Wie beurteilen Sie das Verhalten dieser vier?
Schütze: Die vier Journalisten hatten unterschiedliche Rollenaufteilungen. Zunächst hat man versucht, mit geschlossenen Fragestellungen zu attackieren, Druck reinzugeben, Provokation aufzubauen. Das waren zum Teil geschlossene verneinende Fragen, die auch die Absicht hatten zu polarisieren. Zum Teil setzten die Fragen sehr viel Vorwissen bei den Zuschauern voraus. Da das gleich zu Beginn war, hat die Kanzlerin dann die Gelegenheit genutzt, selber mal in längeren Elogen auszuführen, was denn so die Rahmenvoraussetzungen ihrer Politik sind. Steinbrück – der ist da ein bisschen forcierter reingegangen, hat aber doch auch erst mal seine Statements abgeladen. Als die Journalisten dieses Spiel dann durchschaut hatten, haben sie gewechselt zur Methodik der benotenden Bewertung. Anstatt zu beschreiben, wurde dann gesagt, Frau Merkel muss natürlich die ganze Situation rosarot mahlen. Oder eine indirekte Frage an Herrn Steinbrück von Peter Kloeppel: Sind Sie vielleicht ehrlicher (als Frau Merkel) in Bezug auf die Situation des Euro. Da kamen neue Facetten rein. Da haben die Journalisten selber Konfliktpartei gespielt, sind in die konfliktive Situation reingegangen, haben sich nicht zurückgehalten als kommentierende, als beobachtende, als offene Fragen Stellende, sicherlich auch harte Fragen stellende, sondern sind selber so ein bisschen in den Inside. Stefan Raab hat die Situation dann eigentlich rausgerissen, indem er das ganze überspitzt hat und sich in die Zuschauerrolle geschwungen hat und gesagt hat, wenn ich jetzt mal der Wähler wäre, zum Beispiel an Steinbrück, dann betrachte ich die SPD, dann weiß ich, welche Chancen habt ihr, wollen Sie denn gar nicht mitmachen, geben Sie mir doch eine Chance, Sie zu wählen, indem Sie sagen, dass Sie in einer Koalition mit dabei sind. Er hat dann auch die flotten Sprüche rausgehauen wie zum Beispiel "King of Koteletts".
Liminski: Noch eine Frage, bitte eine kurze Antwort, weil sonst die Nachrichten uns dazwischen fahren. Eine besondere Rolle spielte offenbar die Halskette von Frau Merkel in den Farben rot, schwarz, gelb. Sie bewegte das Netz, hat mittlerweile sogar einen eigenen Twitter-Account mit dem Namen "Schlandkette", offenbar eine Abkürzung für Deutschlandkette, mit heute Morgen schon mehr als 4000 Followern. War das ein Zufall oder geschicktes Ablenkungsmanöver?
Schütze: Alle diese Accessoires, gerade was die Kleidung anbetrifft, sind natürlich exakt vorausgeplant. Steinbrück trat in einer blauen Krawatte auf, alle hatten rot erwartet. Das war so ein bisschen der präsidiale Stil, damit wollte er vielleicht auch Frau Merkel auskontern, so ein kleiner Tick von Obama oder Clinton, die Amerikaner, die amerikanischen Präsidenten immer blaue Krawatte. Frau Merkel: Mit dieser Halskette hat sie eine deutliche Note gesetzt, hat sie ihre Weiblichkeit ein bisschen vorgeholt, hat sie forciert, ich bin eine kluge Frau. Es war ein reduzierter Schmuck, ein auffälliger Schmuck trotzdem, und das kann vielleicht jetzt sogar ein Modetrend werden.
Liminski: Das TV-Duell aus, sagen wir mal, verhaltenspsychologischer Sicht – das war der Medientrainer und Politikberater Richard Schütze. Besten Dank für das Gespräch, Herr Schütze.
Schütze: Vielen Dank, Herr Liminski.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Richard Schütze: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski: Herr Schütze, wie sahen Sie die Körpersprache der beiden gestern Abend?
Schütze: Beide waren austariert, aufrecht, Kopfhaltung gerade, zugewandt im ersten Drittel allein allerdings zu den Journalisten. Als dann der Schlagabtausch etwas intensiver wurde und alle beide ihre Statement-Ballaste abgeworfen, abgeladen und deponiert hatten, das was man so sagen muss in Wahlkämpfen, da haben sie sich auch stärker einander zugewandt. Da wurde die Gestik lebendiger. Und als dann Stefan Raab richtig Dampf in die Hütte brachte, da wurden dann auch beide richtig agil: Steinbrück eher mit ausholender Gestik der rechten Hand und Merkel mit ihren bekannten, eher ein bisschen schematischen, eher ein wenig zurückgenommenen Gesten.
Liminski: Steinbrück gilt als barsch, Merkel als zurückhaltend. Passten die Klischees?
Schütze: Merkel hat ihren präsidialen Stil fortgesetzt. Da war sie auch richtig beraten, bei sich bleibend, sich in Sicherheit wiegend, ihr Programm in Ruhe mit langsamer Stimme ausformulierend durchziehend. Da hatte sie auch rasch viel mehr Redeanteile herausgearbeitet als Steinbrück, zum Teil fünf Minuten Vorsprung sogar auf ihn. Steinbrück die kurze Attacke, die schnellen Sentenzen, Stakkato-Fragen, prägnanter, kürzer, aber durch diese Aggressivität natürlich auch Schwierigkeiten mit dem Faktor Sympathie.
Liminski: Da sind wir schon bei der Sprache, also bei den rhetorischen Mitteln: der Satzbau, die Betonung, die Sprachmelodie. Was sagt da der Analytiker?
Schütze: Die Melodie und die Wirkungsmittel beherrschen natürlich beide. Das sind lang erprobte Schlachtrosse, die haben sich viele Duelle geliefert im Bundestag, die sind aufgetreten draußen auf Marktplätzen und in den großen Hallen. Die wissen, wie man Stimme zurücknimmt, wie man Stimme wieder forciert, wie man Wirkpausen einbaut, wie man Betonung reinlegt durch eine Verstärkung der Phonetik. Das ist alles präsent, das können die und das haben die auch eingesetzt, gestern sehr wirkungsvoll, wenn es ihnen darauf ankam bei unterschiedlichen Situationen, wo betont werden muss. Da gleiche Punktzahl für beide.
Liminski: Es sind aber beide bei Ihrem Stil geblieben?
Schütze: Es sind beide bei ihrem Stil geblieben. Steinbrück wurde immer eloquenter, wurde immer schneller, wurde immer präziser, wurde immer kürzer und prägnanter. Das kann man auch schon verfolgen, dass die Sätze fünf, sechs, sieben, acht Worte und dann wieder ein Punkt, ein Ausrufezeichen, häufig auch eine ganze Serie von Fragen abgefeuert in Richtung der Kanzlerin, die natürlich so suggestiv gestellt waren, dass deren Beantwortung zugunsten von Steinbrücks Position sowieso schon auf der Hand lag. Merkel hat versucht, immer Tempo rauszunehmen, zu retardieren, zu verlangsamen, Druck wegzunehmen, bloß nicht in den Inside gehen, bloß nicht in den Clinch geraten, um auch nicht zu viel Augenhöhe herzustellen.
Liminski: Ein Wort zum Format, Herr Schütze. Damit scheint ja keiner zufrieden zu sein. Seit der ersten Elefantenrunde 1969 hat sich das Bild sozusagen verlagert. Jetzt sitzen die Elefanten auf den Journalistenstühlen. Vier sind es mittlerweile. Wie beurteilen Sie das Verhalten dieser vier?
Schütze: Die vier Journalisten hatten unterschiedliche Rollenaufteilungen. Zunächst hat man versucht, mit geschlossenen Fragestellungen zu attackieren, Druck reinzugeben, Provokation aufzubauen. Das waren zum Teil geschlossene verneinende Fragen, die auch die Absicht hatten zu polarisieren. Zum Teil setzten die Fragen sehr viel Vorwissen bei den Zuschauern voraus. Da das gleich zu Beginn war, hat die Kanzlerin dann die Gelegenheit genutzt, selber mal in längeren Elogen auszuführen, was denn so die Rahmenvoraussetzungen ihrer Politik sind. Steinbrück – der ist da ein bisschen forcierter reingegangen, hat aber doch auch erst mal seine Statements abgeladen. Als die Journalisten dieses Spiel dann durchschaut hatten, haben sie gewechselt zur Methodik der benotenden Bewertung. Anstatt zu beschreiben, wurde dann gesagt, Frau Merkel muss natürlich die ganze Situation rosarot mahlen. Oder eine indirekte Frage an Herrn Steinbrück von Peter Kloeppel: Sind Sie vielleicht ehrlicher (als Frau Merkel) in Bezug auf die Situation des Euro. Da kamen neue Facetten rein. Da haben die Journalisten selber Konfliktpartei gespielt, sind in die konfliktive Situation reingegangen, haben sich nicht zurückgehalten als kommentierende, als beobachtende, als offene Fragen Stellende, sicherlich auch harte Fragen stellende, sondern sind selber so ein bisschen in den Inside. Stefan Raab hat die Situation dann eigentlich rausgerissen, indem er das ganze überspitzt hat und sich in die Zuschauerrolle geschwungen hat und gesagt hat, wenn ich jetzt mal der Wähler wäre, zum Beispiel an Steinbrück, dann betrachte ich die SPD, dann weiß ich, welche Chancen habt ihr, wollen Sie denn gar nicht mitmachen, geben Sie mir doch eine Chance, Sie zu wählen, indem Sie sagen, dass Sie in einer Koalition mit dabei sind. Er hat dann auch die flotten Sprüche rausgehauen wie zum Beispiel "King of Koteletts".
Liminski: Noch eine Frage, bitte eine kurze Antwort, weil sonst die Nachrichten uns dazwischen fahren. Eine besondere Rolle spielte offenbar die Halskette von Frau Merkel in den Farben rot, schwarz, gelb. Sie bewegte das Netz, hat mittlerweile sogar einen eigenen Twitter-Account mit dem Namen "Schlandkette", offenbar eine Abkürzung für Deutschlandkette, mit heute Morgen schon mehr als 4000 Followern. War das ein Zufall oder geschicktes Ablenkungsmanöver?
Schütze: Alle diese Accessoires, gerade was die Kleidung anbetrifft, sind natürlich exakt vorausgeplant. Steinbrück trat in einer blauen Krawatte auf, alle hatten rot erwartet. Das war so ein bisschen der präsidiale Stil, damit wollte er vielleicht auch Frau Merkel auskontern, so ein kleiner Tick von Obama oder Clinton, die Amerikaner, die amerikanischen Präsidenten immer blaue Krawatte. Frau Merkel: Mit dieser Halskette hat sie eine deutliche Note gesetzt, hat sie ihre Weiblichkeit ein bisschen vorgeholt, hat sie forciert, ich bin eine kluge Frau. Es war ein reduzierter Schmuck, ein auffälliger Schmuck trotzdem, und das kann vielleicht jetzt sogar ein Modetrend werden.
Liminski: Das TV-Duell aus, sagen wir mal, verhaltenspsychologischer Sicht – das war der Medientrainer und Politikberater Richard Schütze. Besten Dank für das Gespräch, Herr Schütze.
Schütze: Vielen Dank, Herr Liminski.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.