Dalila Jakupovic steht kurz vor dem Sieg. Plötzlich beugt sie sich nach vorn, fasst sich an die Rippen, ringt nach Luft. "Ich konnte nicht atmen, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich dachte, ich würde auf dem Platz kollabieren. Ich hatte wirklich Angst." So beschreibt es die Slowenin später im australischen Fernsehen. Betreuer begleiten sie schließlich vom Feld.
Auch andere Spielerinnen und Spieler haben in dem Rauch von Melbourne Probleme, mehrere brauchen Asthma-Spray. Als Jakupovic spielt, liegt die Feinstaub-Belastung bei mehr als 200 Mikrogramm pro Kubikmeter. Zum Vergleich: In deutschen Städten erreichen die Werte selten 20 Mikrogramm. Jakupovic atmet während des Spiels also sehr viele Partikel ein – mehr, als ihre Atemwege verkraften können, erklärt der Sport- und Lungenarzt Thilo Kaiser.
"Die kurzfristige Veränderung von der Luftzusammensetzung von der Staubmenge führt zu einer Reizung in die Atemwege. Die schwellen an und diese Anschwellung der Atemwege führt letzten Endes zur Verkrampfung. Und die Lunge will sich irgendwie wehren und den Staub wieder raus transportieren. Und durch diese Verkrampfung entsteht eben auch die Kurzatmigkeit. Das ist das, was jeder Asthmatiker leider auch im Alltag immer wieder erfährt und kennt."
"Aus medizinischer Sicht müsste man Veranstaltung verbieten"
Die Australian Open seien schon immer ein Turnier mit teils extremen Bedingungen gewesen, wegen der Luftfeuchtigkeit und der hohen Temperatur. Aber der Rauch in der Luft mache Topleistungen endgültig unmöglich, sagt Kaiser. Zumal der einzig wirksame Schutz sei, den Rauch zu vermeiden.
"Aus medizinischer Sicht müsste man diese Sportveranstaltung im Grunde verbieten. Und je mehr Sportler unter dieser Belastung leiden müsste man eigentlich dazu aufrufen, das Turnier in dem Moment komplett zu boykottieren. Das würde einen Riesenaufschrei für die Sportwelt und die Geldgeber geben. Aber die Gesundheit kann ja in keinster Weise da mehr geschützt werden."
Einen Boykott gibt es noch nicht, aber unter den Spielerinnen und Spielern gärt es. Auf Twitter fragt der Brite Liam Broady: "Die Einwohner von Melbourne sollten ihre Tiere im Haus behalten, aber wir sollten Leistungssport betreiben? Was müssen wir noch tun, um eine Spielergewerkschaft zu gründen? Alle Spieler müssten geschützt werden, nicht nur ein paar Auserwählte."
Damit spielt Broady auf Spieler wie Rafael Nadal oder Roger Federer an. Die hatten in den deutlich weniger verrauchten Arenen trainiert, während die Qualifikanten in schlechter Luft um die Teilnahme kämpfen mussten. Der Kanadier Brayden Schnur – 103. der Welt - hatte Nadal und Federer sogar als selbstsüchtig bezeichnet, weil sie ihre Stimme nicht erheben würden. Später entschuldigt sich Schnur für die Wortwahl, schreibt aber auch, dass die Stars helfen müssten – weil die Meinung der Spielerinnen und Spieler außerhalb der Top 100 nicht wahrgenommen würden.
Noch kein Bewusstsein für Feinstaubwerte
Trotz solcher Beschwerden findet das Turnier statt. Turnierdirektor Craig Tiley verteidigt diese Entscheidung, sagt, er vertraue den medizinischen und wissenschaftlichen Ratschlägen, die er bekomme. Festgeschriebene Regeln gibt es dazu keine. Wie gefährlich Feinstaub sein kann, unterschätzten die Veranstalter und Verbände, sagt Lungenarzt Kaiser.
"Es gibt keine Sanktionierungen. Und so ist im Moment da das ökonomische Interesse an erster Stelle. Das Gefühl, dass Feinstaub hier ein gesundheitliches Risiko darstellt, ist sehr, sehr unterentwickelt. Da wünsche ich mir natürlich als Lungenarzt ein größeres Gespür für und da muss sich auch in den nächsten Jahren was tun."
Möglich seien zum Beispiel ähnliche Beschränkungen, wie es sie heute schon in Hinblick auf die Temperatur gibt: Zum Beispiel darf beim Freiwasserschwimmen das Wasser nicht zu kalt oder warm sein. Das Problem: Die Fachwelt sei zerstritten, ab welchem Wert die Feinstaub-Belastung zu hoch sei.
Bei den Australian Open gilt nun: Liegen die Werte über 200 Mikrogramm pro Kubikmeter werde es keine Spiele mehr geben, so Turnierdirektor Tiley. Die Umweltbehörde im Bundestaat empfiehlt ab einem Wert von 97 Mikrogramm nicht mehr draußen zu sein.