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Australien
Was vom Fußball-WM-Hype geblieben ist

Im Juli und August begeisterten Australien und Neuseeland als Gastgeber der Frauen-Weltmeisterschaft. Die australische Nationalmannschaft erreichte den vierten Platz und löste eine regelrechte Matilda-Mania aus. Doch was ist vom WM-Hype geblieben?

Von Jennifer Johnston |
Sam Kerr (20) feiert mit Hayley Raso (16) ihr Tor im Halbfinale der Frauen-WM in Australien
Australiens Superstar Sam Kerr und ihre "Matildas" machten bei der Heim-WM die Australier zu Fußballfans (picture alliance / ATP photo agency / Daniela Porcelli / SPP)
In einer Sporthalle an der Universität Sydney spielen sich Studierende die Bälle zu. Sport-Professor Steve Georgakis gibt Anweisungen. Aus dem Rugby-Fan ist während der WM vor zwei Monaten ein Fußball-Fan geworden.
"Es war, was für ein Wahnsinn. Was für eine Reise das war. Das sage ich als Akademiker, als jemand, der sein ganzes Leben lang Sport gemacht hat und Sport liebt. Aber für den Rest der Australier, ich glaube, jeder ist einfach überwältigt. So etwas gab es bisher noch nicht."

Erfolg der Australierinnen elektrisiert das ganze Land

Die australische Nationalmannschaft, die Matildas, haben den 4. Platz belegt – vorher hatten sie es bei einer WM nie aus der Gruppen-Phase geschafft. "Sie haben nicht nur ihrem Sport Ehre gemacht, sondern auch ihrem Land", sagt Georgakis.
Früher habe er nur Rugby- und Cricketspiele im Fernsehen verfolgt. Ab nun werde er auch öfter mal beim Fußball einschalten. Ein bisschen muss er darauf noch warten. Die heimische Profiliga fängt - anders als in Europa - erst Mitte Oktober an.

Hype um Superstar Sam Kerr hält an

Das erste Spiel der Nationalmannschaft, der Matildas, seit der WM ist erst Ende Oktober. Der Hype ums Nationalteam mit Superstar Sam Kerr scheint jedoch anzuhalten. Das Olympia-Qualifikationsspiel gegen die Philippinen war nach kurzer Zeit ausverkauft und wurde ins drittgrößte Stadion des Landes in Perth verlegt.
Statt 20.000 Fans finden dort 60.000 Zuschauer Platz. "Ich denke, was die Matildas getan haben, wird den Australiern noch lange in Erinnerung bleiben."

Ballmädchen Millie: "Inspirierende Wochen"

Die 14-jährige Millie Green erinnert sich auch gerne an die WM zurück. Sie war bei mehreren Spielen Ballmädchen. "Es war eine großartige Erfahrung, neben einigen der besten Spielerinnen der Welt auf dem Platz zu stehen, und ich habe sogar die deutsche Stürmerin Alexandra Popp getroffen. Es waren ein paar ziemlich inspirierende Wochen, die mich darin bestärkt haben, dass Fußball genau das ist, was ich machen will."
Ihr Traum ist, irgendwann nicht mehr neben, sondern auf dem Platz zu stehen – für die australische Nationalmannschaft. "Ich möchte mal Profi-Fußballerin werden und die junge Generation so inspirieren wie die Matildas mich inspiriert haben." Auch in der Schule – mit den anderen Mädchen – sei Fußball seit der WM viel häufiger Thema.

Mehr Anmeldungen bei australischen Vereinen

Trainer Tom Kenny aus Brisbane spürt das an mehr Anmeldungen zu seinem Klub – der Football Company. "Es gab einen Kulturwandel. Ich habe viel mehr Interessenten, die mitspielen wollen – nicht unbedingt auf Elite-Niveau, aber Spielerinnen, die technisch besser werden wollen. Ich denke, die Zukunft des Frauen-Fußballs bei uns sieht wirklich gut aus.
Auch andere Vereine im Land berichten von stark gestiegenem Interesse und mehr Anmeldungen. Doch nicht alle Klubs sind gut ausgestattet. Einigen fehlen genügend Umkleidekabinen, Sanitäranlagen sind alt oder es gibt nicht genug Licht fürs Spielfeld. In Rugby, Cricket und Co sei in der Vergangenheit einfach mehr investiert worden.

Auch andere Sportarten profitieren

„Der Erfolg der Frauen-Fußball-WM hat darauf Auswirkungen. Sowohl der Staat als auch die Bundesstaaten stecken mehr Geld in den Sport“, sagt die ehemalige australische Nationalspielerin Kate Gill. Und nicht nur der Frauen-Fußball profitiere. „Andere Sportarten profitieren ebenfalls von dem Erfolg der Matildas – Sie konnten deutlich bessere Spieler Konditionen aushandeln – besonders die Frauen.“
So bekommen die Frauen im Australien Rules Football ab nun - erstmals - das gleiche Preisgeld wie ihre männlichen Kollegen. Für die heimische Fußball-Liga wünscht sich Kate Gill dies auch. Noch bekommen Profi-Spielerinnen in South Australia nur 5.000 Dollar Preisgeld für den Saison-Sieg – weniger als ein Drittel der Männer.
"Der professionelle Frauenfußball muss sich nach dem Vorbild der Matildas weiterentwickeln. Unsere A-League-Spielerinnen müssen Vollzeit-Profi-Verträge mit einem angemessenen Gehalt bekommen, damit es ihnen möglich ist, sich voll in diesen Beruf zu stürzen. Die Profiliga ist der Weg zu dauerhaftem internationalem Erfolg für unsere Nationalmannschaft, und alle Beteiligten müssen gemeinsam dafür sorgen, dass sie ihr volles Potenzial ausschöpfen kann."
Damit die Matildas bei der nächsten WM noch besser abschneiden. Dann könnten die Australierinnen und Australier die Spiele sogar im Free-TV schauen. Dieses Jahr waren sie bei einem Privatsender hinter der Bezahlschranke. Der Erfolg der Matildas hat die Regierung jedoch dazu veranlasst, Fußball mit auf die Liste der Sportarten zu nehmen, die frei verfügbar sein müssen - da sie von nationaler Relevanz und kultureller Bedeutung seien.