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Kritik am Umgang mit Russland
Skandinavier wollen Journalistenverband IFJ verlassen

Vier Journalistengewerkschaften wollen aus der Internationalen Vereinigung IFJ austreten. Diese habe nicht angemessen auf Niederlassungen einer russischen Gewerkschaft in besetzten Gebieten der Ukraine reagiert. Auch der DJV überlegt, auszutreten.

Text: Isabelle Klein | Hendrik Zörner im Gespräch mit Mirjam Kid |
Mehrere internationale Presse-Ausweise vor hellem Hintergrund. Diese Ausweise werden von der "Internationalen Journalisten Förderation" (IJF) für Berufsjournalisten ausgestellt
Die Internationale Journalisten-Förderation IFJ stellt nicht nur Ausweise für Berufsjournalisten aus, sondern setzt sich nach eigenen Angaben auch für Pressefreiheit und demokratische Werte ein (picture alliance / Romain Fellens / Romain Fellens)

Wer will aus der IFJ austreten?

Die Journalistengewerkschaften aus Dänemark, Norwegen, Finnland und Island haben erklärt, die Internationalen Journalisten-Föderation IFJ zu verlassen. Der finnische Verband UJF hat als Austrittstermin den 31. Juli genannt. Die dänische Vereinigung DJ will im April darüber abstimmen. Auch der schwedische Journalistenverband denkt darüber nach, sich aus dem Dachverband zurückzuziehen.
Der deutsche Journalistenverband DJV, der noch Mitglied bei der IFJ ist, will sich nun intensiv mit den Vorwürfen befassen, hab aber noch keine konkreten Konsequenzen gezogen.

Warum wollen die nordischen Verbände aus der IFJ austreten?

Laut des dänischen Journalistenverbandes ist es die Reaktion auf mehrere aus ihrer Sicht „besorgniserregende Beschlüsse“ der IJF. Die skandinavischen Gewerkschaften bemängeln schon seit langem die Führung der Internationalen Journalistenvereinigung: Sie werfen ihr Voreingenommenheit, undemokratische Praktiken und mangelnde Transparenz bis hin zu Korruption vor.
„Wir sind Journalisten. Wir arbeiten für Offenheit, Demokratie und gerechte Wahlen. Wir können nicht Mitglieder einer Organisation sein, die sich nicht an diese wichtigsten Regeln des Journalismus hält“, sagte Eva Stabell vom Norwegischen Journalistenverband NJ gegenüber dem Dlf.
Streit um Russland: Nordische Journalistenverbände wollen IFJ verlassen
Anlass der Austritte war aber der Umgang der IFJ mit der ihm angehörende russische Journalisten-Föderation, dem größten russischen Journalistenverband und, laut Hendrik Zörner vom DJV, ein "verlängerter Arm des russischen Propagandaapparats". Der russische Verband hatte im Oktober 2022 in besetzten Gebieten in der Ukraine Büros eröffnet - ohne dass die IFJ Konsequenzen gezogen hatte.
Ähnlich habe sich die internationale Vereinigung auch schon im Fall der abtrünnigen georgischen Provinz Abchasien verhalten, heißt es aus dem norwegischen Verband. Hier hatte Russland nach einem Krieg 2008 gegen Georgien Militärstützpunkte errichtet. Darauf sei hingewiesen worden, aber es sei nichts unternommen worden, so Dag Idar Tryggestad vom dänischen Journalistenverband gegenüber der dpa.
Kritik seitens der norwegischen und dänischen Vorsitzenden gab es auch zur Art und Weise der Organisation von Kongressen und Wahlen. Beispielsweise war der IFJ-Jahreskongress 2022 in Oman abgehalten worden, obwohl die Pressefreiheit in dem Golfstaat als extrem beschränkt eingeschätzt wird. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ belegt Oman mit dem 163 Platz einen der hinteren der 180 Ränge.
„Wir hoffen, dass unser Rückzug andere IFJ-Mitgliedsgewerkschaften dazu ermutigt, Veränderungen einzufordern“, erklärte Präsidentin der finnischen Vereinigung UJF, Hanne Aho gegenüber AP. Der dänische Verband schloss im Dlf eine Rückkehr in den Dachverband nicht aus, wenn dieser sich weiterentwickle und einen Plan für Transparenz und „good governance“ entwickle.

Was sagt die IFJ?

Dass der russische Journalistenverband seit Oktober 2022 in den besetzten Gebieten in der Ukraine auftritt, hatte die IFJ zwar kritisiert, zog aber bisher keine Konsequenzen wie etwa die Russen aus dem Verband auszuschließen. Nach der Entscheidung der nordischen Verbände hat die internationale Journalistenvereinigung aber angekündigt, den Fall in einer außerordentlichen Vorstandssitzung am 22. Februar zu behandeln, statt wie eigentlich geplant erst im April. Dort solle geprüft werden, ob der Dachverband befugt sei, den russischen Verband zu suspendieren, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der IFJ. Sie bedauere, dass die vier Verbände wollten und hoffe, sie zur Rückkehr bewegen zu können. Die Korruptionsvorwürfe wies die IFJ hingegen als falsch, diffamierend und schädlich zurück.
Der internationale Journalistenverband ist die Dachorganisation von 187 Verbänden und Gewerkschaften in mehr als 140 Ländern. Die erstmals 1926 gegründete Vereinigung vertritt nach eigenen Angaben rund 600.000 Medienschaffende und ist damit die weltweit größte Journalistenorganisation.
Nach Einschätzung der norwegischen Medienwissenschaftlerin Kristin Skare Orgeret ist die IFJ einflussreich, weil sie Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit aufwerfen kann. „Deshalb ist es schade, wenn dieses Netz zusammenbricht, weil es international eine besondere Position innehat“, sagte sie gegenüber dem Dlf.

Wie positioniert sich die deutsche Journalistengewerkschaft DJV?

Auch der deutsche Journalistenverband DJV ist Mitglied im IFJ. Nach Ansicht des DJV-Pressesprechers Hendrik Zörner ist der Dachverband ein wichtiges „Instrument der internationalen Solidarität" von Medienschaffenden. Ob die IFJ dieses Ziel noch erfülle, wolle man nun prüfen. Dass die IFJ noch nicht zu einem Ergebnis im Falle der russischen Journalisten-Föderation gekommen sei, halte er für "verhaltensoriginell", sagte Zörner im Dlf.
Ein Austritt wäre "auf jeden Fall" eine Option, sagte Zörner im Dlf. Er forderte eine Reform der Internationalen Journalisten-Föderation, diese müsse aber "von innen heraus" kommen. Die aktuellen Strukturen des Verbands seien allerdings "ziemlich verknöchert".