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Ausverkauf des Dichterfürsten?

Wolfgang Holler, der Generaldirektor der Museen der Klassik Stiftung Weimar, über den Verkauf von Goethe-Zeichnungen ins Ausland.

Wolfgang Holler im Gespräch mit Karin Fischer |
    Einen großen, weltweit einzigartigen Bestand an Goethe-Zeichnungen bewahrt die Klassik Stiftung Weimar auf, über 2000 Stück.

    Ein früherer Graf von Donnersmarck hatte 1885 den Grundstock dafür gelegt mit einem Legat und die Familie Henckel von Donnersmarck hat diese Tradition nach der Wende aufgenommen, indem sie dem Goethe-Museum in Weimar eine Vielzahl von Kunstgegenständen aus ihrem Schloss Hirschhügel und auch ein Konvolut von Handzeichnungen Goethes als Dauerleihgabe überließ. Zehn Zeichnungen aus diesem Konvolut von 45 Werken waren zuletzt im Sommer 2009 in einer Ausstellung mit Goethe-Landschaften gezeigt worden, wozu der Dauerleihvertrag auf Bitten des Eigentümers geändert wurde.

    Heute nun titelt die Thüringer Ausgabe der Bildzeitung, "Goethe-Zeichnungen in Weimar verschwunden", was nicht ganz richtig ist, denn diese Zeichnungen wurden offenbar verkauft, von der Familie Graf Henckel von Donnersmarck. Wolfgang Holler ist der Generaldirektor der 25 Museen der Stiftung und kann Licht in die Sache bringen.

    Karin Fischer: Herr Holler, was ist passiert?

    Wolfgang Holler: Die Zeichnungen sind tatsächlich verkauft und sie sind eben zu einem Zeitpunkt verkauft worden, als der Dauerleihvertrag mit Henckel Donnersmarck noch galt, und wir sind natürlich sehr traurig gewesen. Wir fanden es einfach sehr unfair, dass man das gemacht hat, ohne mit uns zuvor natürlich zu sprechen und zu fragen, Mensch, wollt ihr die Zeichnungen nicht kaufen. Wir haben uns immer bemüht, mit dem Graf Henckel Donnersmarck im Gespräch zu bleiben, um zu sagen, wir brauchen die, die sind wirklich äußerst wichtig für die Sammlungen hier in Weimar, also bitte, bevor du dich entscheidest, das anderswo zu verkaufen, komm zu uns. Das hat er nicht getan, er wird seine Gründe haben, aber wir waren natürlich gewaltig enttäuscht, als wir dann erfahren haben - ich bin gerade aus dem Urlaub zurückgekommen, ich habe es überhaupt erst heute Morgen erfahren -, dass er die Zeichnungen offenbar, jedenfalls einen Teil, schon längst verkauft hatte.

    Fischer: Nun hat die Klassik Stiftung Weimar ja versucht, dieses Konvolut – es gibt eine längere Vorgeschichte dazu – als national wertvolles Kulturgut unter Schutz zu stellen, was auch gelang.

    Holler: Das haben wir getan!

    Fischer: Der Schutz ist seit November letzten Jahres wirksam. Das klingt in meinen Ohren zumindest so, als ob die Zeichnungen eventuell nicht hätten verkauft werden dürfen. Was wissen Sie dazu?

    Holler: Es ist so, ein Teil dieser Zeichnungen ist tatsächlich offenbar verkauft worden, bevor die Zeichnungen unter Schutz gestellt wurden. Man muss dazu sagen, die zehn Zeichnungen, die bei uns waren in dieser Sonderausstellung, sind natürlich vom Lande Thüringen unter Schutz gestellt worden, während die anderen 35 Zeichnungen, die ja in München schon waren, oder wieder bei ihm waren, von Bayern unter Schutz gestellt werden. Das ist immer Ländersache, die Kultur. Aber die Zeichnungen, die in Bayern waren, waren schon verkauft, bevor diese unter Schutz Stellung in Kraft trat. Also war das ein vollkommen legitimer Akt seinerseits, wenn auch sehr unfair, während die zehn Zeichnungen, die noch hier in Weimar waren, konnten wir auf diese Weise, ich will sagen, sichern, dass sie nicht außer Landes gehen, denn so weit wir ja wissen, sind diese anderen Zeichnungen nach Österreich verkauft worden. Wir erhoffen uns jetzt, dass wir doch wieder mit Henckel Donnersmarck ins Gespräch kommen können, denn natürlich bleiben wir dabei: Auch diese zehn Zeichnungen wären für uns von größter Bedeutung. Ich hoffe sehr, dass er da aufgeschlossen ist und dass er doch sieht, dass wir immer versucht haben, ihm da entgegenzukommen, und dass wir einen Weg finden, wenigstens diese zehn Zeichnungen für Weimar zu erhalten.

    Fischer: Welche Bedeutung haben diese Zeichnungen?

    Holler: Die Zeichnungen sind natürlich ersten Ranges. Man muss sagen, das Werk Goethes – und es gibt etwa 2600 Zeichnungen von ihm; davon besitzen wir etwa 2000. Da kann jetzt natürlich jeder sagen, Mensch, was braucht ihr die zehn Zeichnungen auch noch. Aber im Werk sind diese Zeichnungen – da gehört zum Beispiel die berühmte Zeichnung "Mein geheimster Wohnsitz" dazu; geheimster Wohnsitz ist wirklich eine Inkunabel seines ganzen kunsttheoretischen Arbeitens auch, die bezieht sich auf diese Zeichnung. Die sind wirklich herausragend für uns und wir bemühen uns unbedingt, die trotzdem für uns zu erwerben.