Fast täglich steigt Georges Medinger hinab ins Stadtarchiv von Arlon. In Hochzeitsdokumenten, Geburts- und Sterbeurkunden der vergangenen 200 Jahre fahndet der Kommunalbeamte nach luxemburgischen Wurzeln. Nur wenn er fündig wird, können die Menschen hier im Süden Belgiens einen Luxemburger Pass beantragen – auch für sich selbst sucht Medinger.
"Wenn ich das Beispiel meines eigenen Großvaters nehme: Er wurde 1876 in Luxemburg geboren, und heiratete meine Großmutter im Jahre 1902, also muss ich hier im Archiv, in diesem Register, die Heiratsurkunde meiner Großeltern finden."
Bei der Familie Beyaert ist es der Ur-Ur-Ur-Urgroßvater, er war Luxemburger. Das beweist die Geburtsurkunde, sie ist noch auf Deutsch verfasst, Pascal Beyaert versucht sie seinen beiden Söhnen vorzulesen.
Nur durch Zufall hatte der Ingenieur seine luxemburgischen Wurzeln entdeckt: in einem kleinen Büchlein hatte seine Großmutter alle Geburts- und Todesanzeigen eingeklebt - auch die des Luxemburger Ahnen. Inzwischen hat die ganze Familie neue Pässe beantragt. Von Belgiens politischer Dauerkrise hat Vater Pascal schon lange die Nase voll:
"Ich gehe jetzt seit 30 Jahren wählen und habe inzwischen schon für alle Parteien gestimmt: die Roten, die Grünen, die Gelben und die Schwarzen. Aber geändert hat sich bei uns in Belgien nie etwas."
Für ihn und viele Menschen hier im südlichsten Zipfel Belgiens sind die ständigen Streitereien zwischen Flamen und Wallonen nicht mehr nachvollziehbar. Luxemburg ist ihnen wesentlich näher, viele arbeiten dort. Pascal Beyaerts 16-jähriger Sohn Alexandre:
"Belgien ist schon so lange ohne Regierung, dass wir vor Kurzem den Weltrekord gebrochen haben – gegen den Irak. Ein Skandal! Belgier zu sein, bedeutet für mich überhaupt nichts."
Und so träumt die Familie jetzt davon, Staatsbürger des zehn Kilometer entfernten Großherzogtums zu werden: Hier ist die Arbeitslosigkeit niedrig, die Löhne hoch – und, wie die Beyaerts betonen: Die Politiker kümmerten sich um ihre Bürger und nicht um sich selbst.
Die Luxemburger ihrerseits sehen die neu entbrannte Liebe der belgischen Nachbarn eher gelassen, wie etwa diese Passantin:
"Wir sind alle so kosmopolitisch hier, die Belgier, die Luxemburger, wir leben alle so gut zusammen, ich denke nicht, dass da irgendwie Luxemburger Angst haben."
Ein anderer fügt grinsend hinzu:
"In Belgien zahlen sie natürlich auch viel Steuern, ne, sehr viel. Also das ist hier schon ein bisschen besser."
Der luxemburgische Justizminister Francois Biltgen freut sich über die neuen Bürger für sein kleines Großherzogtum, er unterzeichnet die Einbürgerungsurkunden gern:
"Ich fürchte weder eine Belgisierung Luxemburgs, noch fürchte ich eine Annexion Belgiens durch Luxemburg. Ich glaube, dass es gut ist, wenn zum Beispiel ein Pendler aus Belgien nicht nur Luxemburg als das Land ansieht, in dem er Geld verdient und wieder in sein Land zurückgeht, sondern ein Land sieht, dem er auch verwurzelt ist."
Gemeinsame kulturelle Wurzeln, das ist die Bedingung, unter der Luxemburg seine bislang restriktive Einbürgerungspolitik ein wenig öffnet. Probleme mit türkisch- oder arabisch stämmigen Einwanderern sollen so gar nicht erst entstehen.
Für Pascal Beyaert ist es jetzt soweit: Nach einem halben Jahr kann er im Passamt in Luxemburg seinen neuen Ausweis abholen. Zwar bleibt er weiterhin auch Belgier, seinen belgischen Pass aber will er nicht verlängern lassen.
"Nein, wehmütig bin ich überhaupt nicht. Niemand weiß, wie lange es Belgien noch gibt. Und ich, ich bin jetzt Luxemburger, und das Beste ist: Ich bleibe es auch!"
Drüben in Belgien, im kleinen Dorf Barniche, probt der Kommunalbeamte Georges Medinger mit seinem Kirchenchor das luxemburgische Kirchenlied "O Mamm, léif Mamm". Luxemburgisch sprechen hier fast alle, sie hätten nichts dagegen, wenn ihr ganzes Dorf irgendwann wieder zum Großherzogtum gehören würde. Und so singen sie auf Luxemburgisch: "Heilige Maria, wir alle im Luxemburger Land geben uns dir hin."
"Wenn ich das Beispiel meines eigenen Großvaters nehme: Er wurde 1876 in Luxemburg geboren, und heiratete meine Großmutter im Jahre 1902, also muss ich hier im Archiv, in diesem Register, die Heiratsurkunde meiner Großeltern finden."
Bei der Familie Beyaert ist es der Ur-Ur-Ur-Urgroßvater, er war Luxemburger. Das beweist die Geburtsurkunde, sie ist noch auf Deutsch verfasst, Pascal Beyaert versucht sie seinen beiden Söhnen vorzulesen.
Nur durch Zufall hatte der Ingenieur seine luxemburgischen Wurzeln entdeckt: in einem kleinen Büchlein hatte seine Großmutter alle Geburts- und Todesanzeigen eingeklebt - auch die des Luxemburger Ahnen. Inzwischen hat die ganze Familie neue Pässe beantragt. Von Belgiens politischer Dauerkrise hat Vater Pascal schon lange die Nase voll:
"Ich gehe jetzt seit 30 Jahren wählen und habe inzwischen schon für alle Parteien gestimmt: die Roten, die Grünen, die Gelben und die Schwarzen. Aber geändert hat sich bei uns in Belgien nie etwas."
Für ihn und viele Menschen hier im südlichsten Zipfel Belgiens sind die ständigen Streitereien zwischen Flamen und Wallonen nicht mehr nachvollziehbar. Luxemburg ist ihnen wesentlich näher, viele arbeiten dort. Pascal Beyaerts 16-jähriger Sohn Alexandre:
"Belgien ist schon so lange ohne Regierung, dass wir vor Kurzem den Weltrekord gebrochen haben – gegen den Irak. Ein Skandal! Belgier zu sein, bedeutet für mich überhaupt nichts."
Und so träumt die Familie jetzt davon, Staatsbürger des zehn Kilometer entfernten Großherzogtums zu werden: Hier ist die Arbeitslosigkeit niedrig, die Löhne hoch – und, wie die Beyaerts betonen: Die Politiker kümmerten sich um ihre Bürger und nicht um sich selbst.
Die Luxemburger ihrerseits sehen die neu entbrannte Liebe der belgischen Nachbarn eher gelassen, wie etwa diese Passantin:
"Wir sind alle so kosmopolitisch hier, die Belgier, die Luxemburger, wir leben alle so gut zusammen, ich denke nicht, dass da irgendwie Luxemburger Angst haben."
Ein anderer fügt grinsend hinzu:
"In Belgien zahlen sie natürlich auch viel Steuern, ne, sehr viel. Also das ist hier schon ein bisschen besser."
Der luxemburgische Justizminister Francois Biltgen freut sich über die neuen Bürger für sein kleines Großherzogtum, er unterzeichnet die Einbürgerungsurkunden gern:
"Ich fürchte weder eine Belgisierung Luxemburgs, noch fürchte ich eine Annexion Belgiens durch Luxemburg. Ich glaube, dass es gut ist, wenn zum Beispiel ein Pendler aus Belgien nicht nur Luxemburg als das Land ansieht, in dem er Geld verdient und wieder in sein Land zurückgeht, sondern ein Land sieht, dem er auch verwurzelt ist."
Gemeinsame kulturelle Wurzeln, das ist die Bedingung, unter der Luxemburg seine bislang restriktive Einbürgerungspolitik ein wenig öffnet. Probleme mit türkisch- oder arabisch stämmigen Einwanderern sollen so gar nicht erst entstehen.
Für Pascal Beyaert ist es jetzt soweit: Nach einem halben Jahr kann er im Passamt in Luxemburg seinen neuen Ausweis abholen. Zwar bleibt er weiterhin auch Belgier, seinen belgischen Pass aber will er nicht verlängern lassen.
"Nein, wehmütig bin ich überhaupt nicht. Niemand weiß, wie lange es Belgien noch gibt. Und ich, ich bin jetzt Luxemburger, und das Beste ist: Ich bleibe es auch!"
Drüben in Belgien, im kleinen Dorf Barniche, probt der Kommunalbeamte Georges Medinger mit seinem Kirchenchor das luxemburgische Kirchenlied "O Mamm, léif Mamm". Luxemburgisch sprechen hier fast alle, sie hätten nichts dagegen, wenn ihr ganzes Dorf irgendwann wieder zum Großherzogtum gehören würde. Und so singen sie auf Luxemburgisch: "Heilige Maria, wir alle im Luxemburger Land geben uns dir hin."