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Ausweitung von Auslandseinsätzen
"Das kann unsere Bundeswehr zurzeit nicht"

Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD, Rüdiger Lucassen, hat sich gegen eine Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgesprochen. Die Bundeswehr sei derzeit nicht in der Lage, diese Aufträge sicher auszuführen, sagte er im Dlf. Zudem verteidigte er das Treffen seiner Fraktionskollegen mit dem Großmufti in Damaskus.

Rüdiger Lucassen im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Kurdische Soldaten zeigen bei einer Übung die Dekontamination ihrer ABC-Schutzkleidung
    Den weiteren Einsatz der Bundeswehr im Irak lehnt die AfD ab (dpa / Kay Niedfeld)
    Martin Zagatta: Wie passt das zusammen, die großen Materialmängel bei der Bundeswehr, von denen wir in den letzten Wochen gehört haben, Einschätzungen sogar, die Bundeswehr sei kaum noch funktionsfähig, und dann beschließt das Bundeskabinett, die alte und die neue Koalition aus Union und SPD, die Auslandseinsätze der Bundeswehr noch auszuweiten?
    Mitgehört hat Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Er war mehr als 30 Jahre bei der Bundeswehr Oberst im Generalstab, er war im Verteidigungsministerium tätig und auch bei der NATO. Guten Tag, Herr Lucassen!
    Rüdiger Lucassen: Schönen guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Lucassen, die AfD hat sich ja ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen soll. Wieso lehnen Sie dann diese Auslandseinsätze – so habe ich zumindest gelesen -, diese Ausweitung der Bundeswehreinsätze jetzt ab?
    Lucassen: Grundsätzlich lehnen wir nicht alle Auslandseinsätze ab. Das haben wir ja auch bei den letzten Entscheidungen im Parlament zu den Mandatsverlängerungen deutlich machen können. Allerdings bei den jetzigen in Rede stehenden Mandatsverlängerungen oder sogar neuen Mandaten, wenn Sie Irak ansprechen, lehnen wir deswegen ab, weil die Bundeswehr gar nicht mehr in der Lage sein wird, diese Aufträge zumindest so, dass sie auch sicher durchgeführt werden können, zu erfüllen.
    "Ein solcher Einsatz kann niemals neutral sein"
    Zagatta: Wenn Sie Irak ansprechen – da geht es doch, wenn ich das recht sehe, darum, die Ausbildung, die man den Peschmerga hat zukommen lassen, die geholfen hat, die Terroristen vom IS zu besiegen, dass man das jetzt auch im Irak an anderen Orten macht. Das ist doch höchst sinnvoll. Das lehnen Sie nur ab, weil das schwierig würde?
    Lucassen: Erst mal ist ein Widerspruch zu erkennen, den die alte und jetzt wohl auch neue Bundesregierung uns dann erklären muss. In der Koalitionsvereinbarung wird deutlich gemacht, dass diese Unterstützung zurückgefahren wird. Der IS sei zurückgedrängt. Nun werden die Regierungstruppen des Zentralregimes nach Absicht unserer Bundesregierung unterstützt. Wir sehen die Situation und auch die Gefahr, dass hier auch Konfliktparteien aufeinanderstoßen, und ein solcher Einsatz kann niemals neutral sein. Das heißt, unsere Bundeswehr wird einer Konfliktpartei zuzuordnen sein. Sie wird dann Teil einer Konfliktpartei sein, und da muss sie sich entsprechend schützen können. Das kann unsere Bundeswehr zurzeit nicht.
    Zagatta: Diesen Einsatz im Irak, den lehnen Sie aus diesem Grund ab. – Wie ist das in Syrien? Da hilft die Bundeswehr ja auch mit, mit Überwachungsflügen zum Beispiel gegen den Islamischen Staat vorzugehen. Wie ist es damit?
    Lucassen: Das ist natürlich auf jeden Fall zu unterscheiden. Wir unterstützen nicht eine Landkriegsführung in Syrien, sondern aus relativ gesicherten Einsätzen heraus. Sie sprachen es ja richtig an: die Aufklärungsflüge mit Tornado. Sie sind allerdings für uns nicht effizient und werden deswegen auch von uns abgelehnt. Die Ergebnisse, die dort erzielt werden sollen, kann man auch mit anderen Kräften und Mitteln erzielen.
    "Die AfD stellt sich nicht ins Abseits"
    Zagatta: Stichwort Syrien, wenn ich Sie vielleicht danach auch gleich fragen darf. Da herrscht ja heute ganz große Empörung über eine Syrien-Reise von AfD-Politikern über ein Treffen mit dem Großmufti in Damaskus, ein Mann, der in der Vergangenheit mit Terroranschlägen in Europa gedroht hat. Stellt sich die AfD damit nicht total ins Abseits?
    Rüdiger Lucassen (AfD)
    Rüdiger Lucassen (AfD) (picture alliance / Jutrczenka)
    Lucassen: Nein. Die AfD stellt sich nicht ins Abseits und ich kann diese Aufregung auch nicht verstehen. Ich kann sie nur erklären damit, dass eine gewisse Angst besteht, dass wir unter Umständen oder die Kollegen, die jetzt dort nach Syrien gereist sind, ein Lagebild transportieren in unsere Heimat, das einigen vielleicht nicht passt. Ansonsten kann ich es mir nicht erklären.
    Zagatta: Was soll das für ein Lagebild sein?
    Lucassen: Ein Lagebild, dass sich dieser Konflikt vielleicht anders darstellt, dass sich die Bilder der Zerstörung Syriens, die ja nicht von der Hand zu weisen sind, die eindeutig sind, vielleicht gar nicht auf das ganze Land erstrecken. Und insofern, sage ich mal, gerade in Krisen- und Kriegszeiten auch mit anderen Parteien zu reden, ist doch ein wesentlicher Bestandteil von Diplomatie. Ich fordere unsere Bundesregierung auf, das zu tun – nicht nur in Syrien, sondern auch mit Russland.
    Zagatta: Aber soll man da mit jemand reden, der in der Vergangenheit zu Terroranschlägen in Europa aufgerufen hat und der an Hinrichtungen von Gefangenen in Foltergefängnissen selbst beteiligt gewesen sein soll? Sind das Gesprächspartner?
    Lucassen: Gut, das ist mir jetzt nicht bekannt, dass es hier sich um einen solchen Gesprächspartner handelt. Das würde ich dann schon differenziert sehen, kann ich aber im Moment nicht beurteilen.
    Zagatta: Aber soweit ich das jetzt gelesen habe, Ihre Kollegen in Syrien, die wollen nur vom Regime kontrollierte Städte besuchen. Wie kann man sich da ein Bild machen?
    Lucassen: Das wird ein Teilbild sein. Wie so häufig – und das sage ich jetzt mal als Militär – setzt sich ein gesamtes Lagebild aus mehreren Bildern zusammen, wie die schrecklichen Bilder von dem Krieg, von der Zerstörung, und jetzt kommen vielleicht – ich kann es nur vermuten – noch ein paar andere Bilder dazu. Und wir werden sicherlich auch neuere und weitere Bilder benötigen, um uns ein Gesamtbild darüber zu machen, wie die Lage in Syrien ist.
    Zagatta: Die UNO hat Syrien als Ort des schlimmsten Horrors im Moment bezeichnet. Die AfD denkt trotzdem darüber nach, dass das ein sicheres Herkunftsland werden könnte für Flüchtlinge? Oder habe ich Sie da falsch verstanden?
    Lucassen: Jedes Land, in dem so lange schon Krieg geführt wird wie in Syrien und die Zivilbevölkerung betroffen ist, schlimmst betroffen ist, das ist zu verurteilen. Und da geht es darum, alles Menschenmögliche zu machen, um hier eine Wende herbeizuführen. Wir würden uns natürlich wünschen, dass möglichst schnell viele der Menschen, die bei uns Zuflucht gesucht haben aus Syrien, wieder zurückkönnen in das Land und mit bei der Befriedung ihrer Heimat und gegebenenfalls und hoffentlich bald auch für den Wiederaufbau beitragen können.
    "Sicherheitslage in Afghanistan hat sich verschlechtert"
    Zagatta: Wünschen würden sich das wahrscheinlich viele, wahrscheinlich nicht zuletzt die Flüchtlinge selbst. – Was sagen Sie denn jetzt zu den Stellungnahmen, die so empört sind heute, aus Regierungs- und Parteikreisen? Zum Beispiel aus der CDU heißt es, der AfD-Besuch in Syrien, der sei einfach widerlich, wenn man sich mit der Täterclique trifft, während Bomben und Giftgas von Diktator Assad eingesetzt werden. Das klingt doch plausibel.
    Lucassen: Herr Zagatta, das überrascht mich nicht. Nach nun, ich denke mal, ungefähr 15 Parlamentstagen sind mir diese Reflexe der, ich sage, Altparteien, aber auch der neuen Parteien im Bundestag sehr bewusst. Ich kenne sie. Ich sehe das als ein Aufbäumen, um die AfD in eine bestimmte Ecke zu stellen. Das wird nicht gelingen! Die AfD ist stärkste Oppositionspartei. Sie ist eine demokratische Partei. Sie hat gezeigt, dass sie nicht nur Fundamentalopposition betreibt, sondern je nachdem, welche Partei aus unserer Sicht vernünftige Vorschläge macht, wir das auch mit applaudieren und sogar mitstimmen, ganz im Gegensatz zu allen anderen fünf Parteien im Bundestag.
    Zagatta: Herr Lucassen, machen wir da einen Punkt. Bleiben wir bei der Verteidigungspolitik vor allem. Was ist mit Afghanistan? Von dort kommen ja sehr viele Flüchtlinge, Asylbewerber zu uns. Da müssten Sie sich doch jetzt, wenn wir auf diesen Einsatz schauen, freuen, wenn die Bundeswehr dort Fluchtursachen bekämpft.
    Lucassen: Nun, zunächst: Sie bekämpft diese Fluchtursachen ja nur indirekt. Das heißt, sie unterstützt bei dem sogenannten Capacity Building. Sie versucht, die Qualität der irakischen Streitkräfte zu verbessern, aufzubauen. Das ist ein Beitrag, wenn auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. – Ich habe "irakisch" gesagt; ich meinte natürlich die afghanischen Streitkräfte.
    Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir bereits 16 Jahre in dem Land sind, dass wir noch keinen nachhaltigen Erfolg erzielt haben. Ganz im Gegenteil! In den letzten zwei, drei Jahren ist die Sicherheitslage in Afghanistan zurückgegangen, hat sich verschlechtert.
    Wir fordern von der Regierung eine tragfähige Strategie, die uns zeigt, dass wir auch Ziele haben, Ziele verfolgen und daran auch dieser Einsatz gemessen wird. Das ist nicht der Fall.
    "Ich erinnere an das Zwei-Prozent-Ziel des Verteidigungshaushalts"
    Zagatta: Ganz grundsätzlich Ihre Verteidigungspolitik. US-Präsident Trump, der fordert ja mehr Engagement von NATO-Partnern. Ist das falsch, oder sollten wir da mitgehen?
    Lucassen: Diese Bundesregierung hat sich selbst mit einem Außenminister Steinmeier dazu verpflichtet, dazu verpflichtet in dem Vertrag von Wales, einen größeren Beitrag zu leisten. Ich erinnere an dieses Zwei-Prozent-Ziel des Verteidigungshaushalts, zwei Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Wir warten immer noch auf verlässliche Zahlen der Bundesregierung, wie sie das bis 2024 erreichen will. Und wenn sie es nicht für erreichbar hält oder nicht für notwendig hält, dann soll sie eben sagen, vor allen Dingen ihren NATO-Partnern, wie sie dann ihren Beitrag leisten kann.
    Zagatta: Aber Sie halten es für sinnvoll?
    Lucassen: Wir halten es allein deswegen für sinnvoll, weil wir eine Bundeswehr brauchen, die ihren Auftrag erfüllen kann. Es geht nicht darum, die Bundeswehr in irgendeiner Form zu vergrößern. Nein! Ihre inneren Strukturen, ihre Ausstattung, vor allen Dingen die mit Großgerät, die muss erst mal herbeigeführt werden, damit wir einen verlässlichen Partner im Bündnis oder auch in der UN oder auch in Europa stellen können. Das ist nicht der Fall.
    Zagatta: … sagt Rüdiger Lucassen. Er ist der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Herr Lucassen, danke für das Gespräch.
    Lucassen: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.