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Autobahnbrücke bei Leverkusen
Marodes Nadelöhr auf belastetem Grund

Eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen im Rheinland führt mit der Autobahn A1 über die Rheinbrücke bei Leverkusen. 1965 für einen Bruchteil des heutigen Verkehrs gebaut, muss sie dringend ausgetauscht werden. Das aber ist gar nicht so einfach.

Von Monika Seynsche |
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    Blick auf die 1961-1965 erbaute Rheinbrücke bei Leverkusen: Bis zu 120.000 Fahrzeuge wechseln hier täglich die Rheinseite. (picture alliance / dpa / Horst Ossinger)
    "Wir stehen auf der rechtsrheinischen Seite im Bereich Leverkusen, haben jetzt Blick auf die Brücke."
    Sven Sieberth ist beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen für den Brückenbau auf dem Kölner Autobahnring zuständig.
    "Wir sehen eine zweihüftige Schrägseilbrücke, eine Stahlkonstruktion. Die Brücke wurde 1965 gebaut, mit damals vier Fahrstreifen plus Standstreifen, und wurde gebaut für 40.000 Fahrzeuge am Tag."
    120.000 Fahrzeuge täglich - zuviel für die alte Brücke
    Heute donnern jeden Tag 120.000 Autos über die Fahrbahn. Zuviel für die alte Brücke. Ständig treten neue Risse auf. Um sie zu flicken, und die Brücke vor dem Einsturz zu bewahren, sind jeden Tag drei Prüfteams und ein Schweißtrupp im Einsatz. Weil die Brücke so marode ist, dürfen Autos nicht mehr schneller als 60 km/h fahren. Das ist keine Lösung für die Ewigkeit. Sven Sieberth und seine Kollegen wollen deshalb eine neue Brücke neben die alte bauen.
    "Wir haben beengte Platzverhältnisse. Sie sehen hier auf der Leverkusener Seite das Autobahnkreuz Leverkusen West mit zahlreichen Brückenbauwerken, hier stehen wir gerade im Bereich der Altablagerung Dhünnaue, einer ehemaligen Deponie, also es sind in der Tat sehr beengte Platzverhältnisse und auch durchaus ein schwieriges Bauvorhaben."
    Schwierig ist es, da die Deponie den einzig möglichen Platz zum Bau der Pfeiler der neuen Brücke bietet. Über 40 Jahre lang hat der Chemiekonzern Bayer hier seinen Müll abgelagert: 6,5 Millionen Tonnen.
    "Also wir haben diverse Materialien, die dort gelagert sind, ein Großteil ist Bauschutt und auch Hausmüll. Aber wir haben auch, ja, in Anführungsstrichen belastetere Stoffe, wie Produktionsrückstände aus der chemischen Industrie."
    Produktionsrückstände aus der chemischen Industrie
    Stoffe mit hohen Konzentrationen an Arsen, Blei, Chrom und Kadmium sind darunter, ebenso zahlreiche organische Verbindungen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Chlorbenzole und -toluole. Die Liste ist lang. In einen solchen Chemiecocktail Brückenfundamente zu setzen, sei nicht ganz ohne, sagt Manfred Curbach, denn einige Stoffe können den Beton der Brückenpfeiler angreifen. Der Professor für Massivbau an der Technischen Universität Dresden hält das Problem aber für beherrschbar.
    "Man muss es vorher planen, man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind, welche davon den Beton angreifen könnten. Da sind es vor allem Chloride die berücksichtigt werden müssten, aber auch das ist dann kein Problem, weil man dafür Lösungen dann hat."
    Spezielle Betonmischungen zum Beispiel, denen die aggressiven Schadstoffe nichts anhaben können.
    Sven Sieberth ist vor einem Bauzaun stehen geblieben, hinter dem drei Arbeiter in grünen Ganzkörperschutzanzügen und Atemmasken mit einem Gerät hantieren, das aussieht, wie ein mannshohes Schraubengewinde.
    "Wir bohren genau neben der Brücke, da steht ein Bohrgerät. Wir führen gerade Bohrungen aus. Das ist ein Bohrverfahren, mit einer verrohrten Schneckenbohrung, es wird gerade ein Rohr angehangen, in diesen Rohren wird eine Schnecke geführt, die das Erdreich nach oben fördert."
    Die Deponie macht Probleme
    Es ist die vierte von insgesamt sieben Erkundungsbohrungen, mit denen die Ingenieure die Deponie untersuchen. Auf ihre chemische Zusammensetzung und auf ihre Tragfähigkeit hin. Denn in die Deponie müssen nicht nur die Pfeiler der neuen Brücke gesetzt werden, sondern auch ein Teil der Autobahn muss hier hin verlegt werden, um die neue Brücke zu erreichen. Und das könnte problematisch werden, sagt Sven Sieberth.
    "Die Deponie ist abgedichtet, sie ist geschützt, auch von Oberflächenwasser. Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das worst case scenario wäre dann, dass man ich sag mal im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten dann auch führen."
    Möglicherweise reiche es aber auch aus, einige Meter Boden auf der Deponie durch tragfähiges Material zu ersetzen. Welche Variante realistisch ist, werden die Untersuchungen der nächsten Monate zeigen. Sobald die zweite Brücke dann gebaut ist - nach aktuellen Planungen soll sie 2020 fertig sein - wird die alte Brücke abgerissen und durch eine neue ersetzt - sodass im Endeffekt zwei Brücken nebeneinander den Rhein überspannen werden.