Autodiebstähle
Wie sie ablaufen, wie sie verfolgt werden

Um rund 30 Prozent stieg die Zahl der Autodiebstähle in Deutschland 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten? Wer sind die Täter? Wie geht die Polizei gegen sie vor? Und wie kann man sich vor Autodiebstahl schützen?

    Zwei Polizisten stehen im Rahmen eines Fototermins vor einem Polizeifahrzeug
    Mehr Autodiebstähle, doch auch mehr Aufklärung: In 60 Prozent der Fälle wurden 2022 die Fahrzeuge wiedergefunden. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Im Jahr 2022 wurden laut Bundeskriminalamt (BKA) mehr als 40.000 Pkw zur Fahndung ausgeschrieben – der Großteil wurde gestohlen. Das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Post-Corona-Peak, sagt Mark Schwalbe, der beim BKA das Referat leitet, das mit der Auswertung von Eigentumskriminalität betraut ist. Die Entwicklung macht deutlich: Autodiebstahl bleibt in Deutschland weiter ein Problem. Doch die Arbeit von Polizei und Autoherstellern zur Verbesserung der Sicherheit zahlt sich aus. Ddas zeigt der langfristige Trend.

    Inhalt

    Wer sind die Täter bei Autodiebstahl-Delikten?

    Die Täter sind meist Profis, Einzeltäter eher die Ausnahme. "In der Regel sind es organisierte Banden, vernetzte und hierarchische Strukturen, weil sie in der Regel mehrere Beteiligte für die Tatbegehung brauchen", sagt David Fritsch vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Aus dem Bundeslagebild Kfz-Kriminalität geht hervor, dass organisierten Gruppen überwiegend von nicht-deutschen Tatverdächtigen dominiert werden – oft aus dem osteuropäischen Raum.
    Die Täter sind meist auf unterschiedliche Teilbereiche der internationalen Kfz-Verschiebung spezialisiert. Es gebe Täter, die Fahrzeuge in Grenznähe stehlen, um sie sofort ins Ausland zu bringen, erläutert Fritsch. Andere würden die Fahrzeuge erst einmal irgendwo zwischenparken, etwa in einer Garage oder einem Container, um sie später außer Landes zu schaffen.
    Statistik zur dauerhaften Entwendung von
    Deutlicher Anstieg in 2022: Der gesamte Schaden für Autodiebstähle lag im Jahr 2022 bei knapp 250 Millionen Euro, also fast 700.000 Euro pro Tag. (statista)

    Wie gehen die Autodiebe vor?

    Die professionellen Gruppen planen ihre Diebstähle gezielt. Oft gebe es sogenannte Späher, die nach Deutschland einreisten, um mögliche Objekte und Tatorte auszukundschaften, berichtet Fritsch vom LKA Baden-Württemberg. Sobald einige Fahrzeuge lokalisiert sind, reisten weitere Komplizen an, um die Autos zu knacken. In einem eng begrenzten Gebiet würden schon mal zwei oder drei Fahrzeuge in einer Nacht gestohlen.
    Auch beim Diebstahl selbst gehen die Täter unterschiedlich vor. Einige brechen zunächst in die Häuser der Fahrzeugbesitzer ein, um die Autoschlüssel zu stehlen. Andere versuchen, Sicherheitsvorkehrungen am Auto mit technischen Hilfsmitteln auszuschalten bzw. zu überwinden. Besonders einfach für die Täter ist der Diebstahl von Autos mit bestimmten schlüssellosen Zugangssystemen.       
    Etwa bei solchen, bei denen sich das Auto automatisch öffnet, wenn sich der Besitzer mit dem passsenden Schlüssel-Chip dem Fahrzeug nähert. Solche Systeme ließen sich mit einer sogenannten Funkstreckenverlängerung leicht überlisten, erläutert BKA-Referatsleiter Schwalbe. Fahrzeuge könnten damit auch über größere Distanzen geöffnet werden. Der Täter müsse dazu nicht im Besitz des Chips sein, es reiche aus, wenn er sich in dessen Nähe befindet, beispielsweise vor der Haustür.
    Um das Fahrzeug mit einer Funkstreckenverlängerung zu öffnen sind allerdings meist zwei Täter notwendig: Einer fängt das Funksignal des Chip ab und verlängert es zu einer zweiten Person, die am Auto steht und dieses Signal mit einem Empfangsgerät aufnimmt, den Wagen damit aufsperrt und dann starten kann, erläutert Katja Legner vom ADAC.
    Die zweite Gefahr bei schlüssellosen Systeme ist das sogenannte Skimming. Dabei wird das Chipsignal abgefangen, gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt in der Nähe des Wagens reproduziert.

    Was geschieht mit in Deutschland gestohlenen Autos?

    Viele der in Deutschland gestohlenen Autos werden zeitnah ins Ausland gebracht. Eine der wichtigsten Transitrouten führt laut Angaben des BKA über Osteuropa, insbesondere Polen. Von dort geht es weiter in andere östliche Staaten sowie in Richtung Zentralasien. Auch das Baltikum war lange wichtige Handels- und Transitregion, bevor wegen des Ukrainekriegs die Grenzübergänge nach Belarus und Russland geschlossen wurden.
    Weitere Wege von in Deutschland gestohlenen Fahrzeugen führen über die Türkei in den Nahen und Mittleren Osten. Zielländer sind vor allem der Libanon, die Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Zudem werden Fahrzeuge, etwa von Frankreich oder Spanien aus nach Marokko, Tunesien und Algerien verschifft.
    Auch die niederländischen Häfen in Antwerpen und Rotterdam sowie in Deutschland Hamburg und Bremerhaven würden als Ausgangspunkte für Container-Transporte entwendeter Fahrzeuge und Fahrzeugteile genutzt, sagt Mark Schwalbe vom BKA. Die Routen führten nach Westafrika und auf die Arabische Halbinsel.
    Zum Teil werden die Fahrzeuge aber auch noch in Deutschland in ihre Einzelteile zerlegt. Gerade bei teuren Fabrikaten sind die Ersatzteile oft sehr teuer, sodass die Täter auf diese Weise mitunter höhere Summen erzielen können als durch den Verkauf des kompletten Fahrzeugs. Zudem ließen sich die Teile leichter über die Grenze schmuggeln, sagt David Fritsch vom LKA Baden-Württemberg.

    Wie kann man sich vor Autodiebstahl schützen?

    Einige Besitzer von Fahrzeugen mit schlüssellosen Systemen versuchen sich vor Skimming und Funkstreckenverlängerung zu schützen, indem sie den Chip-Öffner in strahlensichere Etuis packen. „Manche legen ihn auch in den Kühlschrank oder in einen Kochtopf“, weiß Katja Legner vom ADAC. „Das sind natürlich alles nur jämmerliche Hilfskonstruktionen, die auch das System ad absurdum führen.“
    Manche neueren Autos sind inzwischen mit einer weiteren Sicherheitstechnologie ausgestattet: Das Fahrzeug lässt sich nur starten, wenn sich ein Schlüssel mit eingebautem RFI-Chip in unmittelbarer Nähe befindet. Alle anderen müssten nachrüsten, empfiehlt Martin Lorenz,  Fachgebietsleiter für Cybersicherheit, Daten und Wirtschaftsschutz beim Verband der Automobilindustrie. Man könne die schlüssellosen Systeme updaten lassen oder auf eine neue Technologie umsteigen, bei der Frequenz und Code regelmäßig in bestimmten Intervallen wechseln.
    Der ADAC empfiehlt außerdem, Fahrzeuge aufzurüsten - mit einer Alarmanlage, mechanischen Sicherungen wie Lenkkralle oder Felgenschloss oder mit GPS-Trackern. Mit diesen können Autos geortet werden.

    Wie geht die Polizei gegen Autodiebstahl vor?

    Bei der Aufklärung und Bekämpfung von Autodiebstahlsdelikten arbeiten inzwischen viele Länder zusammen, etwa durch gegenseitigen Informationsaustausch, mit kooperativ durchgeführten Polizeimaßnahmen oder auch der Arbeit in gemeinsamen Zentren. Angesichts der Strukturen der Tätergruppen ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Aufklärung und Bekämpfung vieler Autodiebstähle unerlässlich. 
    Zudem gibt es zahlreiche internationale Bemühungen. So verpflichtet ein EU-Beschluss von 2004 die Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung und Aufklärung von Autodiebstählen enger zu kooperieren. Gestohlene Fahrzeuge werden über das Schengener Informationssystem ausgeschrieben und in die Interpol-Datenbank für gestohlene Kraftfahrzeuge eingetragen.
    Besonders wichtig ist dabei die individuelle FIN-Nummer, die das Fahrzeug eindeutig identifizierbar macht. Diese international genormte, 17-stellige Kombination aus Zahlen und Buchstaben befindet sich im Fahrzeugschein, sowie mehrfach am Fahrzeug selbst.
    Seit 2009 gibt es bei Interpol außerdem das Projekt Invex, an dem auch Kfz-Hersteller beteiligt sind. Im Rahmen von Invex werden Kfz -Fahndungsdaten von den teilnehmenden Staaten an die teilnehmenden KFZ-Hersteller transferiert. „Diese sperren dann gesuchte Fahrzeuge in ihren Systemen, sodass für die Fahrzeuge keine Ersatzteile mehr bestellt werden können“, erläutert Mark Schwalbe vom BKA. Bei einem Werkstattaufenthalt eines als gestohlen registrierten Fahrzeugs erhält die Polizei, die den Diebstahl registriert hat, außerdem eine Benachrichtigung.
    Seit 2010 bietet innerhalb der EU zudem EMPACT, die „European Multidisciplinary Platform against Criminal Threats“, die Möglichkeit, mit einem breiten Spektrum multidisziplinärer Fachleute konkrete Maßnahmen gegen kriminelle Netzwerke zu ergreifen. Zu den Teilnehmern gehören Strafverfolgungsbehörden, die Justiz, EU-Agenturen, Zoll- und Steuerbehörden sowie private Partner.  So konnten mit EMPACT beispielsweise im Jahr 2022 im Rahmen einer koordinierten Aktion zwischen Frankreich, Spanien und Lettland 31 Bandenmitglieder festgenommen werden, die mit einer speziellen Software schlüssellose Zugangssysteme ausgetrickst hatten.
    Ein weiterer Fokus liegt auf der Prävention. Polizei- und Landeskriminalämter stehen laut eigenem Bekunden in ständigen Austausch mit Versicherern und KFZ-Herstellern, um dem Diebstahlschutz zu verbessern und neue Modelle noch sicherer zu machen. Auch die Politik hat auf diesem Feld gehandelt: Seit Ende der 1990er Jahren ist für neu in Deutschland zugelassene Fahrzeuge eine automatische Wegfahrsperre verpflichtend, die beim Abschalten der Zündung automatisch aktiviert wird.

    Wie ist die langfristige Entwicklung bei Autodiebstahl-Delikten?

    Die Aufklärungsquote bei gestohlenen Pkw liegt bei mehr als 60 Prozent. So sind von den 40.000 Pkw, die 2022 in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben wurden, rund 25.000 wieder aufgetaucht. Knapp 15.000 gelten als dauerhaft abhandengekommen.
    Insgesamt scheint sich die Verbesserung von Fahndungs- und Sicherheitsmaßnahmen auszuzahlen. Auch wenn in Deutschland die Zahl der gestohlenen Autos im Post-Corona-Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 vergleichsweise hoch war – langfristig gehen die Zahlen laut Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft zurück: Anfang der 1990er-Jahre wurden demnach noch etwas mehr als 100.000 Autos jährlich gestohlen.

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