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Autoexperte zu Konjunkturpaket
"Investitionen weiter in Richtung E-Mobilität fokussieren"

Höhere Kaufprämien für E-Autos und Hybridfahrzeuge: Der Autoexperte Stefan Bratzel hält diesen Aspekt des Konjunkturprogramms für richtig. Im Dlf sagte er, es sei ein klares Signal an Öffentlichkeit und Unternehmen, wenn die Politik diese Fahrzeuge wolle. Ein Problem sei aber die mangelhafte Lade-Infrastruktur.

Stefan Bratzel im Gespräch mit Christiane Kaess |
Zwei Elektroautos werden an einer Ladesäule geladen.
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung sollte auch dafür genutzt werden, an der mangelnden Ladeinfrastruktur für E-Autos zu arbeiten, sagte der Autoexperte Stefan Bratzel im Dlf (dpa / ZB / Monika Skolimowska)
Einen Umfang von 130 Milliarden Euro soll das Konjunkturpaket der Großen Koalition für 2020 und 2021 haben. Unter anderem wird die Mehrwertsteuer vorübergehend gesenkt, es gibt Finanzspritzen für Familien und Kommunen und eine höhere Kaufprämie für Hybridfahrzeuge und Elektroautos. Auf eine generelle Kaufprämie auch für Wagen mit Verbrennungsmotor hat die Autobranche umsonst gehofft. Wir sprechen darüber mit dem Autoexperten Stefan Bratzel von der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach.
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Christiane Kaess: Keine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor, sondern nur für E-Autos und Hybridfahrzeuge. Die können auch bezuschusst werden. Wie sehr hilft das der deutschen Autoindustrie und den Zulieferern?
Bratzel: Es ist zunächst mal eine ganz klare Ansage auch der Öffentlichkeit der Politik, dass das Thema Klima und Elektromobilität eine wichtige Strategie bleibt, und insofern hilft es den Automobilherstellern, die das Thema der reinen Elektromobilität und der Plug-in-Hybride in ihren Produktprogrammen seit längeren verfolgt haben.
Aber klar ist natürlich auch: Gerade bei den deutschen Herstellern fehlt es noch an einem breiten Produktangebot. Insofern ist es richtig, dass man die Prämie auch fürs nächste Jahr noch ausgeschrieben hat, und eine Prämie jetzt von insgesamt 9.000 Euro ist natürlich schon ein hartes und starkes Kaufsignal für Elektrofahrzeuge, das an die Kunden gesendet wird.
"Die Lieferprobleme, die liegen schon vor"
Kaess: Aber, Herr Bratzel, würden Sie sagen, Arbeitsplätze werden damit jetzt nicht gerettet?
Bratzel: Man darf sich, glaube ich, auf der anderen Seite auch nichts vormachen. Mit oder ohne Coronakrise – die Elektromobilität wird in den 2000er-Jahren in einer Größenordnung 15 bis 20 Prozent Arbeitsplätze kosten. Das ist völlig unabhängig von der Coronakrise. Was jetzt tatsächlich passiert ist, dass manche Entwicklungen noch schneller kommen, als man ursprünglich gedacht hat. Das heißt: Dieser Wandel und damit auch diese Transformation, die Arbeitsplätze kosten wird, geht noch schneller, als man ursprünglich gedacht hat.
Kaess: Sollten viele Leute jetzt tatsächlich E-Autos kaufen wollen, kann die Autoindustrie da liefern?
Bratzel: Ja, die Lieferprobleme, die liegen schon vor. Es gibt Hersteller, die können in zwei, drei Monaten Fahrzeuge liefern. Es geht! Der eine oder andere Hersteller hat Probleme auch mit der Lieferung, insbesondere bei Batterien. Aber diese Themen muss man jetzt lösen!
Man hat gewisse Versäumnisse in der Vergangenheit gehabt. Man muss den deutschen Herstellern aber auch zugutehalten, dass sie diese Veränderung jetzt verstanden haben, aber die Umsetzung dauert noch ein bisschen. Aber ich gehe davon aus, dass man doch einiges an Elektrofahrzeugen in den nächsten eineinhalb Jahren kaufen kann.
Kaess: Aber diese Lieferprobleme liegen vor allem bei den deutschen Herstellern?
Bratzel: Die sind vor allem bei den deutschen Herstellern. Auch die Lieferengpässe von dem einen oder anderen Importeur sind ein bisschen länger. Auch da gibt es Knappheiten bei Batterien. Aber wenn man etwa Tesla herausnimmt – dort sind die Lieferprobleme relativ gering. Andere Hersteller haben auch Lieferfristen von drei Monaten. Auch BMW wird den E3 in drei Monaten ausliefern können. Das heißt, so schlecht ist die Lage wiederum nicht.
Allerdings die Kapazitäten für das gesamte Jahr sind im Wesentlichen eigentlich schon verplant. Man muss sehr stark auf das neue Jahr und die neuen Modelle setzen wie etwa den Volkswagen ID3, der ja ab Sommer bestellbar sein wird.
Bauklötze bilden eine Treppe, die von links nach rechts nach unten geht.
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Nachfrage nach Verbrennern wird ab Juli wieder steigen
Kaess: Jetzt sagt die Autoindustrie, wir nutzen den Spielraum der Mehrwertsteuer-Senkung, um Autos mit Verbrennungsmotoren billiger zu machen. Das könnte eine Strategie sein, aber das Ergebnis wäre dann doch, dass die Bilanz des Umweltschutzes negativ sein wird.
Bratzel: Ja, ich glaube, man muss ein bisschen auch der Öffentlichkeit klarmachen, dass wir im Moment einen Anteil von Elektrofahrzeugen von rund sieben Prozent haben. Den können wir vielleicht in den nächsten Monaten auf zehn Prozent, vielleicht im nächsten Jahr Richtung 15 Prozent bekommen. Aber das heißt auf der anderen Seite auch, dass wir 80, 90 Prozent der Fahrzeuge nach wie vor mit Verbrennungsmotoren verkaufen müssen. Das sollen möglichst ökologische, möglichst Fahrzeuge mit einem geringen CO2-Ausstoß sein, aber wir brauchen nach wie vor auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Die müssen auch verkauft werden.
Richtig ist es auch durch die Autoindustrie, dass man natürlich jetzt diese Mehrwertsteuer-Verminderung an die Kunden weitergibt. Das sind ja auch bei einem Durchschnittspreis von über 30.000 Euro pro Fahrzeug 800, 900 Euro, die man dort dann weitergeben kann.
Kaess: Aber schauen wir noch mal ein bisschen genauer auf die Situation jetzt. Wie muss man sich das denn vorstellen? Sind die Höfe der Autohäuser voll mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, die jetzt keiner mehr haben will, und die nachgefragten E-Autos, die gibt es noch gar nicht?
Bratzel: Es ist richtig: Die Höfe der Hersteller und insbesondere der Händler natürlich sind voll mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Aber es ist falsch zu sagen, dass die keiner mehr haben will. Wir haben nach wie vor eine gewisse Nachfrage auch nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Was tatsächlich passiert ist, durch die Coronakrise und auch durch die recht frühzeitige Diskussion um Kaufprämien für Verbrenner, dass es eine noch zusätzliche Kaufzurückhaltung gab, weil sich natürlich potenzielle Käufer erst mal die Diskussionen angeschaut haben und mögliche Zuschüsse für den Verbrenner gerne mitnehmen wollten, was jetzt nicht der Fall ist. Ich gehe davon aus, dass ab Juli auch die Nachfrage nach Verbrennern wieder deutlich steigt.
"Man muss die Fahrzeuge vom Hof kriegen"
Kaess: Weil die eventuell dann auch zu Schleuderpreisen weggehen?
Bratzel: Ja, ich glaube schon, dass die Industrie hier auch etwas auf Marge verzichten muss, um jetzt diese Wertschöpfungskette wieder in Gang zu kriegen. Man muss die Fahrzeuge vom Hof kriegen. Dann kann man die Produktion bei den Herstellern weiter hochfahren und dann können auch die Zulieferer profitieren, die ja die Teile für diese Produktion liefern. Enorm wichtig: Man muss etwas auf Marge verzichten in dieser kritischen Zeit. Sicherlich wird das Jahr 2020 kein Rekordjahr im Sinne von Gewinnen für die Hersteller enden.
Kaess: Das wäre dann auch nicht wirklich der Durchbruch für die E-Mobilität. Da haben jetzt Kritiker zum Beispiel auch noch mal darauf verwiesen, dass wir immer noch eine eigentlich fehlende Infrastruktur haben zum Laden von E-Autos. Wie groß, würden Sie sagen, ist das Hindernis?
Bratzel: Das Hindernis ist sehr groß. Das ist meines Wissens oder meines Erachtens die größte Problematik im Moment: das Thema Ladeinfrastruktur. Da geht es ja sowohl um Schnelllade-Möglichkeiten, aber auch um Normal-Ladeinfrastrukturen für die, die in Städten wohnen und vielleicht keine Garage mit Stromanschluss haben. Das ist ein großes Versäumnis im Übrigen auch der Bundesregierung. Wir wissen das nun schon seit zehn Jahren, dass das Thema Ladeinfrastruktur ein wesentliches Hemmnis ist, und das muss man jetzt – und da könnte ja auch das Konjunkturpaket mit dafür sorgen – noch schneller dafür Sorge tragen, dass man das behebt.
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"Ich glaube, dass diese Kaufprämie gut ist"
Kaess: Herr Bratzel, glauben Sie, die Autoindustrie hätte auch auf diese Kaufprämie für E-Autos verzichten können, weil die Nachfrage eventuell sowieso automatisch steigen wird – einfach aus Sorge auch, dass das Auto in der Pandemie das angeblich sicherste Verkehrsmittel ist, diese Sorge vor Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln?
Bratzel: Ich glaube, dass diese Kaufprämie gut ist, weil sie setzt ein klares Signal an die Öffentlichkeit, dass man diese Fahrzeuge möchte. Das ist wichtig. Auf der anderen Seite reduziert sie auch die Anschaffungskosten, die bei Elektrofahrzeugen, bei reinen Elektrofahrzeugen nach wie vor deutlich höher sind als die Verbrenner. Insofern geht man hier in die richtige Richtung.
Und man darf auch nicht vergessen: Man sendet durch diese Entscheidung jetzt der Koalition im Konjunkturpaket auch ein Signal an die Unternehmen selbst und fördert dort die interne Transformation. Dieser Wandel Richtung Elektromobilität ist in den Unternehmen ja keinesfalls unumstritten, sondern hier gibt es auch unterschiedliche Koalitionen in den Unternehmen, und das ist jetzt ein wichtiges Signal, dass man das Thema E-Mobilität jetzt weiter braucht und die Investitionen auch in diese Richtung weiter fokussieren muss.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.