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Autohersteller und ihre Zulieferer
Eine schwierige Symbiose

Der Streit zwischen Volkswagen und zwei Zulieferern zeigt, wie sehr beide Seiten voneinander abhängen. Volkswagen muss ohne die Teile die Produktion herunterfahren, die Zulieferer können ohne Autohersteller ihre Waren nicht absetzen. Auch bei anderen Unternehmen zeigt sich, dass gegenseitig Druck ausgeübt wird. Oft sitzen die Autobauer dabei am längeren Hebel.

Von Michael Braun |
    Ein Mitarbeiter des Autozulieferers Boge Elastmetall arbeitet in einer Werkshalle der Firma in Damme (Niedersachsen) in der Hydrolager-Montage.
    Ein Mitarbeiter des Autozulieferers Boge Elastmetall in Damme (Niedersachsen) arbeitet in der Hydrolager-Montage. (dpa / Carmen Jaspersen)
    Die Stimmung wechselt. Heute kassierte Goldman-Sachs seine Empfehlung, Aktien von Autoherstellern und einigen Zulieferern zu kaufen. Kürzlich hatte auch die Commerzbank vor allem die Zulieferbranche unter die Lupe genommen: Autos würden künftig zunehmend in Schwellenländern gebaut, Zulieferer müssen mitziehen, die E-Mobilität und Digitalisierung erforderten hohe Investitionen. Kurzum, so Analyst Thomas Gronemeier:
    "Es gibt viele Argumente, warum die Profitabilität in den nächsten Jahren schon niedriger sein wird. Es wird auf jeden Fall einen Druck geben"
    Man darf annehmen, dass Autohersteller den Preisdruck, den sie spüren, an ihre Zulieferer weiterzugeben versuchen. Da waren sie schon bisher nicht zimperlich. Gelegentlich fällt in dem Zusammenhang das Wort "Knebelung". Elmar Degenhart jedoch, der Chef des Zulieferers Continental, distanziert sich von dem Ausdruck.
    "Wir benutzen diesen Begriff nicht, wir kennen ihn auch nicht. Wir haben Verträge mit unseren Kunden. Und dass es dabei ab und zu mal unterschiedliche Meinungen gibt, Interessenskonflikte, ist ganz normal."
    Die Konflikte können sich auswachsen. Die thüringische Mitec AG etwa baut im ehemaligen Wartburgwerk in Eisenach sogenannte Balancer. Das sind Massenausgleichsgetriebe, die die Schwingungen von Motoren dämpfen und so für einen ruhigen Lauf sorgen. Ford kündigte vor neun Jahren per E-Mail einen Großauftrag für solche Balancer. Mitec beklagte daraufhin, Ford lasse sie nun - deutlich billiger - in Mexiko herstellen. Nach gut sechs Jahren Prozessdauer hat das Oberlandesgericht Jena im Dezember vorigen Jahres entschieden, Ford habe Systemdaten und Zeichnungen seines Zulieferers Mitec unerlaubt weiter gegeben.
    Technisches Wissen von Zulieferern abzuzweigen, ist eine Form unredlicher Zusammenarbeit. Jörg Hofmann, der Vorsitzende der IG Metall, kennt noch weitere:
    "Es sind Praktiken, ich sag mal, ein ehrbarer Kaufmann bedient sich derer nicht, etwa, dass man, um überhaupt in eine Auftragsvergabe zu kommen, Eintrittsgeld zahlen muss. Dieses 'Pay and Play', wie sich's nett nennt, heißt für viele einfach Ausschluss vom Markt, Ausschluss vom Wettbewerb."
    Der Branchenverband der Automobilindustrie VDA versucht, die Interessenkonflikte zwischen Herstellern und Zulieferern auszugleichen. "Das Ziel bleibt der ehrbare Kaufmann", sagt Verbandsgeschäftsführer Klaus Bräunig.
    Doch oft seien die Zulieferer auf Gedeih und Verderb vom guten Willen des Herstellers abhängig, weiß Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Er spricht sich für einen Verhaltenskodex aus, also Regeln ethischen Verhaltens, auf die sich beide Gruppen verständigen:
    "Vielleicht muss diese Zusammenarbeit eben auf neue vertrauensvolle Beine gestellt werden, sodass es möglicherweise bei Verstößen eben auch Schiedskommissionen gibt, die solche Streitfälle dann auch gemeinschaftlich lösen."
    Die Konfliktmöglichkeiten sind groß. Denn im Schnitt fertigt ein Autohersteller nur 25 Prozent des Autos selbst. Drei Viertel der Wertschöpfung kommt von Zulieferern. Schon ein kleines fehlendes Teil kann die ganze Kette unterbrechen. Und da nichts mehr auf Lager gelegt wird, stockt dann die ganze Produktion.