Am 21. September 2015 waren die Vorwürfe aus den USA um Betrugssoftware in Diesel-Autos von Volkswagen seit drei Tagen in der Welt, da schreibt der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, seinem Kollegen im Verkehrsressort. In dem Brief wirft er die Frage auf, ob es Ähnliches auch in Deutschland geben könne und er schlägt vor:
"Darüber hinaus, halte ich eine umfassende Aufklärung und Bewertung, der für die Umweltpolitik ebenso wie für das Ansehen der deutschen Automobilhersteller alarmierenden Vorgänge, in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe für geboten."
Das heißt, der Umweltstaatssekretär möchte, dass sein Ministerium mit am Tisch sitzt, wenn die VW-Affäre aufgeklärt wird. Das Schreiben liegt NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung neben zahlreichen weiteren Dokumenten zum Verhältnis der Bundesregierung zur Automobilwirtschaft vor. Doch das SPD-geführte Umweltressort blitzt mit dem Vorschlag ab. Verkehrsminister Alexander Dobrinth von der CSU verkündet noch in derselben Woche im Bundestag sein Vorgehen:
"Am Dienstag habe ich eine Untersuchungskommission eingesetzt, aus Fachleuten des Bundesverkehrsministeriums und des Kraftfahrtbundesamts."
Konsequenzen bislang nicht erkennbar
Die Kommission arbeitet – ohne Vertreter aus dem Umweltressort - bis Ende April, dann veröffentlicht sie Ergebnisse, die deutlich machen: Auch andere Hersteller haben mit ihren Diesel-Motoren getrickst oder zumindest die gesetzlichen Regelungen sehr großzügig ausgenutzt. Welche Konsequenzen das für sie hat, ist bislang nicht erkennbar. Sollten also Kritiker, die wie des Umweltbundesamts, das Dieselmotoren seit Jahren für Drecksschleudern hält, bei diesen Untersuchungen außen vor gehalten werden?
Dieser Eindruck entsteht auch an anderen Stellen in den Regierungsunterlagen. Vor allem wenn es um die Frage der CO2-Grenzwerte in der EU geht. Da sollen Verbraucherschützer laut eines Vermerks auf einen Brief mit kritischen Anmerkungen zu dem Thema lediglich eine "Höflichkeitsantwort" erhalten. Und in einem Dossier zu einem Treffen im Wirtschaftsministerium mit dem Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, wird dieser als "Hardliner in Sachen Co2 Ausstoß" charakterisiert. Und seine Positionen "sind unrealistisch und werden von uns abgelehnt".
VDA-Positionen fallen auf fruchtbaren Boden
Die Positionen des Verbandes der Automobilindustrie VDA fallen den Unterlagen zufolge in Bundesregierung auf wesentlich fruchtbareren Boden. So gibt es regelmäßig ausführliche Gespräche, in denen gegenseitig Positionen ausgetauscht werden. Vor allem in der seit Jahren laufenden Diskussion über CO2-Grenzwerte in der EU. Immer wieder weisen die Bundesregierungen in Brüssel auf die Interessen der deutschen Premium-Hersteller hin. Zuletzt im vergangenen Jahr, als der Präsident des VDA, Matthias Wissmann, sich dafür einsetzt, dass neue Grenzwerte später greifen sollen. Nach einem internen Abstimmungsprozess in der Bundesregierung entsteht im Wirtschaftsministerium ein Vermerk. Dort wird als Ergebnis festgehalten:
"Zentrale Forderungen des VDA decken sich im Grundsatz mit den nunmehr zwischen Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium vereinbarten Eckpunkten".
Und diese Eckpunkte sind industriefreundlich.