Gerd Breker: Die große Hoffnung auf die Elektromobilität hat sich bislang noch nicht erfüllt. Derzeit fahren nur gut 4.500 Elektro-PKW auf deutschen Straßen herum. Ernüchterung herrschte deshalb gestern nach einem Spitzentreffen von Wirtschaft und Politik im Kanzleramt.
- Mein Kollege Gerd Breker sprach darüber gestern Abend mit Professor Stefan Bratzel. Er ist Leiter des Bereichs "Automotive" von der privaten Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Er fragte, ob die Zielvorgabe der Bundesregierung, bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos zu haben, Wunschtraum oder realistische Annahme sei.
Stefan Bratzel: Aus meiner Sicht ist es ein Wunschtraum, der zwar ganz nett ist, aber vergleichsweise unrealistisch. Wir haben ja gerade in den letzten Monaten gesehen, nachdem einige Fahrzeuge auch tatsächlich prinzipiell von Kunden gekauft werden können, dass die nur in ganz homöopathischen Dosen quasi jetzt auf der Straße zu finden sind. Und daran wird sich auch in den nächsten Jahren kaum was ändern.
Gerd Breker: Eine Kaufprämie für diese Fahrzeuge lehnt die Kanzlerin ab und der Verkehrsminister begründet das mit dem Hinweis, davon würden hauptsächlich die ausländischen Hersteller profitieren. Es geht also eigentlich mehr darum, erst einmal die deutschen Hersteller vom Elektroauto zu überzeugen, oder?
Bratzel: Nun, es ist in der Tat so, dass die ausländischen Hersteller, also beispielsweise Nissan, Mitsubishi, deutlich weiter sind im Bereich der Elektromobilität und die deutschen Hersteller erst in den nächsten ein, zwei Jahren mit Modellen kommen. Insofern ist es richtig, man wird mit der Kaufprämie erst mal eher die Importeure hier bevorzugen. Aber eins ist natürlich auch klar: der Preisabstand, wenn man wirklich sozusagen Elektroautos auf der Straße haben will, der Preisabstand zwischen konventionell betriebenen Benzin- und Dieselfahrzeugen und Elektrofahrzeugen, der ist in einer Größenordnung 50, teilweise 80 bis 100 Prozent teurer. Und mit diesem Preisabstand wird man sicherlich keine Fahrzeuge auf die Straße kriegen. Es heißt, zentraler Kostenblock ist die Batterie und die ist noch viel zu teuer.
Breker: Die Elektroautos sind teuer und sie haben zwei weitere Nachteile. Zum einen ist die Reichweite relativ gering und die Ladezeiten dauern länger. Heißt das eigentlich, dass die Fahrzeuge, wenn man das vergleicht mit der Art und Weise, wie Autos derzeit genutzt werden, für den Alltag untauglich sind?
Bratzel: Na, das heißt das nur zum Teil. Aber Sie haben es angesprochen: Das Thema Reichweite ist schon ein Problem, ein sehr begrenzendes Problem. Zwar kann man auf der einen Seite sagen, dass die durchschnittliche Fahrstrecke von rund 50 bis 80 Kilometer weit unter der durchschnittlichen Reichweite von Elektrofahrzeugen ist, aber es besteht so eine Art Reichweitenangst. Das heißt, die Gefahr, wenn beispielsweise mal ein Umweg ist oder ein Stau ist, liegen zu bleiben, diese Angst ist doch relativ stark entwickelt bei vielen. Und zum anderen muss man natürlich sagen: Wenn ich nur 150 Kilometer fahren kann mit meinem Auto, dann bedeutet das, ich kann nicht mit ihm in den Urlaub fahren und bestimmte Spontanfahrten, wenn das Auto nun mal gerade aufgeladen wird, kann ich auch nicht unternehmen. Das heißt, es eignet sich eigentlich eher als Zweitwagen und ich brauche eine Garage mit Stromanschluss, damit ich das Auto überhaupt laden kann. Das schränkt den Nutzerkreis schon sehr stark ein.
Breker: Wäre es nicht sinnvoller, statt das Elektroauto so zu pushen, die herkömmlichen Autos einfach energieeffizienter zu machen?
Bratzel: In der Tat, das würde ich für die richtige Strategie halten. Die Regierung ist meines Erachtens sehr gut beraten, wenn sie nicht bestimmte Technologien fördert, sondern gesellschaftliche Ziele unterstützt, die zum Beispiel sein können, eben den CO2-Ausstoß eines Fuhrparks in Deutschland zu verringern. Und die Automobilhersteller müssten dann eben die jeweils passende Technologie entwickeln, um diese Ziele zu erreichen. Ich glaube, dass Förderung von bestimmten Technologien nicht unbedingt der Kompetenzbereich von Regierungen ist.
Breker: Ist denn für den Übergang möglicherweise die Hybrid-Technologie eine wirkliche Alternative?
Bratzel: Ja, in der Tat. Wir sehen zwei große Alternativen im Moment. Da haben wir auch einen technologischen Spagat, den die Hersteller im Moment unternehmen müssen. Auf der einen Seite haben wir die Benzin- und Dieselmotoren, die werden zurzeit optimiert und die stellen ja auch das Rückgrat der Erträge der globalen Automobilhersteller dar. Und wir haben auf der anderen Seite in der Tat erhebliche Innovationsanstrengungen im Moment im Hybrid-Bereich, insbesondere im Plug-in-Hybrid-Bereich, also sozusagen Hybrid-Fahrzeuge, die sowohl einen Elektromodus als auch einen Verbrennungsmodus haben, aber die man an der Steckdose aufladen kann und dann 50 Kilometer rein elektrisch fahren kann oder 25, je nach Typus. In der Tat ist das eine interessante Zwischentechnologie, weil viele der Probleme, die wir eben benannt haben, wie beispielsweise die Reichweitenproblematik, werden durch solche Hybrid-Modelle eben beseitigt.
Breker: Wenn wir auf den aktuellen Automarkt schauen, Herr Bratzel. Die Fahrzeughersteller in Deutschland haben Absatzprobleme, es tobt eine Rabattschlacht. Es scheint, als seien die Zeiten der Finanzkrise keine guten Zeiten für den Autokauf, also den großen Wandel kann es so schnell nicht geben.
Bratzel: Ja, in der Tat. Wir sind gerade in Europa in einer großen Krise. Und da müssen die Automobilhersteller noch mehr darauf achten, dass sie solche Modelle auf den Markt bringen, die tatsächlich gekauft werden. Wir haben ja so eine Zweiteilung im Moment in der Tat in der globalen Automobilbranche. Wir haben für viele das beste Jahr der Geschichte, der Unternehmensgeschichte hinter sich. Unternehmen wie Volkswagen, aber auch BMW oder Daimler. Auf der anderen Seite haben wir Unternehmen wie Peugeot und Citroen oder eben auch PSA, die sehr stark leiden unter den extremen Absatzproblemen in Südeuropa. Und wenn man dann natürlich fragt, soll man jetzt sehr stark Hunderte von Millionen in alternative Antriebe stecken, dann wird man relativ schnell zum Schluss kommen, dass sich viele Automobilhersteller im Moment es sich gar nicht leisten können, sowohl diesen Spagat im konventionellen Antriebsbereich als auch im alternativen Antriebsbereich zu finanzieren. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass viele Hersteller in den nächsten Jahren große Probleme kriegen werden, weil sie schlicht nicht so finanzkräftig und innovationsstark sind, um diesen Wandel zu überleben.
Engels: Professor Stefan Bratzel von der privaten Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach im Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker zum Stichwort Elektromobilität.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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- Mein Kollege Gerd Breker sprach darüber gestern Abend mit Professor Stefan Bratzel. Er ist Leiter des Bereichs "Automotive" von der privaten Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Er fragte, ob die Zielvorgabe der Bundesregierung, bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos zu haben, Wunschtraum oder realistische Annahme sei.
Stefan Bratzel: Aus meiner Sicht ist es ein Wunschtraum, der zwar ganz nett ist, aber vergleichsweise unrealistisch. Wir haben ja gerade in den letzten Monaten gesehen, nachdem einige Fahrzeuge auch tatsächlich prinzipiell von Kunden gekauft werden können, dass die nur in ganz homöopathischen Dosen quasi jetzt auf der Straße zu finden sind. Und daran wird sich auch in den nächsten Jahren kaum was ändern.
Gerd Breker: Eine Kaufprämie für diese Fahrzeuge lehnt die Kanzlerin ab und der Verkehrsminister begründet das mit dem Hinweis, davon würden hauptsächlich die ausländischen Hersteller profitieren. Es geht also eigentlich mehr darum, erst einmal die deutschen Hersteller vom Elektroauto zu überzeugen, oder?
Bratzel: Nun, es ist in der Tat so, dass die ausländischen Hersteller, also beispielsweise Nissan, Mitsubishi, deutlich weiter sind im Bereich der Elektromobilität und die deutschen Hersteller erst in den nächsten ein, zwei Jahren mit Modellen kommen. Insofern ist es richtig, man wird mit der Kaufprämie erst mal eher die Importeure hier bevorzugen. Aber eins ist natürlich auch klar: der Preisabstand, wenn man wirklich sozusagen Elektroautos auf der Straße haben will, der Preisabstand zwischen konventionell betriebenen Benzin- und Dieselfahrzeugen und Elektrofahrzeugen, der ist in einer Größenordnung 50, teilweise 80 bis 100 Prozent teurer. Und mit diesem Preisabstand wird man sicherlich keine Fahrzeuge auf die Straße kriegen. Es heißt, zentraler Kostenblock ist die Batterie und die ist noch viel zu teuer.
Breker: Die Elektroautos sind teuer und sie haben zwei weitere Nachteile. Zum einen ist die Reichweite relativ gering und die Ladezeiten dauern länger. Heißt das eigentlich, dass die Fahrzeuge, wenn man das vergleicht mit der Art und Weise, wie Autos derzeit genutzt werden, für den Alltag untauglich sind?
Bratzel: Na, das heißt das nur zum Teil. Aber Sie haben es angesprochen: Das Thema Reichweite ist schon ein Problem, ein sehr begrenzendes Problem. Zwar kann man auf der einen Seite sagen, dass die durchschnittliche Fahrstrecke von rund 50 bis 80 Kilometer weit unter der durchschnittlichen Reichweite von Elektrofahrzeugen ist, aber es besteht so eine Art Reichweitenangst. Das heißt, die Gefahr, wenn beispielsweise mal ein Umweg ist oder ein Stau ist, liegen zu bleiben, diese Angst ist doch relativ stark entwickelt bei vielen. Und zum anderen muss man natürlich sagen: Wenn ich nur 150 Kilometer fahren kann mit meinem Auto, dann bedeutet das, ich kann nicht mit ihm in den Urlaub fahren und bestimmte Spontanfahrten, wenn das Auto nun mal gerade aufgeladen wird, kann ich auch nicht unternehmen. Das heißt, es eignet sich eigentlich eher als Zweitwagen und ich brauche eine Garage mit Stromanschluss, damit ich das Auto überhaupt laden kann. Das schränkt den Nutzerkreis schon sehr stark ein.
Breker: Wäre es nicht sinnvoller, statt das Elektroauto so zu pushen, die herkömmlichen Autos einfach energieeffizienter zu machen?
Bratzel: In der Tat, das würde ich für die richtige Strategie halten. Die Regierung ist meines Erachtens sehr gut beraten, wenn sie nicht bestimmte Technologien fördert, sondern gesellschaftliche Ziele unterstützt, die zum Beispiel sein können, eben den CO2-Ausstoß eines Fuhrparks in Deutschland zu verringern. Und die Automobilhersteller müssten dann eben die jeweils passende Technologie entwickeln, um diese Ziele zu erreichen. Ich glaube, dass Förderung von bestimmten Technologien nicht unbedingt der Kompetenzbereich von Regierungen ist.
Breker: Ist denn für den Übergang möglicherweise die Hybrid-Technologie eine wirkliche Alternative?
Bratzel: Ja, in der Tat. Wir sehen zwei große Alternativen im Moment. Da haben wir auch einen technologischen Spagat, den die Hersteller im Moment unternehmen müssen. Auf der einen Seite haben wir die Benzin- und Dieselmotoren, die werden zurzeit optimiert und die stellen ja auch das Rückgrat der Erträge der globalen Automobilhersteller dar. Und wir haben auf der anderen Seite in der Tat erhebliche Innovationsanstrengungen im Moment im Hybrid-Bereich, insbesondere im Plug-in-Hybrid-Bereich, also sozusagen Hybrid-Fahrzeuge, die sowohl einen Elektromodus als auch einen Verbrennungsmodus haben, aber die man an der Steckdose aufladen kann und dann 50 Kilometer rein elektrisch fahren kann oder 25, je nach Typus. In der Tat ist das eine interessante Zwischentechnologie, weil viele der Probleme, die wir eben benannt haben, wie beispielsweise die Reichweitenproblematik, werden durch solche Hybrid-Modelle eben beseitigt.
Breker: Wenn wir auf den aktuellen Automarkt schauen, Herr Bratzel. Die Fahrzeughersteller in Deutschland haben Absatzprobleme, es tobt eine Rabattschlacht. Es scheint, als seien die Zeiten der Finanzkrise keine guten Zeiten für den Autokauf, also den großen Wandel kann es so schnell nicht geben.
Bratzel: Ja, in der Tat. Wir sind gerade in Europa in einer großen Krise. Und da müssen die Automobilhersteller noch mehr darauf achten, dass sie solche Modelle auf den Markt bringen, die tatsächlich gekauft werden. Wir haben ja so eine Zweiteilung im Moment in der Tat in der globalen Automobilbranche. Wir haben für viele das beste Jahr der Geschichte, der Unternehmensgeschichte hinter sich. Unternehmen wie Volkswagen, aber auch BMW oder Daimler. Auf der anderen Seite haben wir Unternehmen wie Peugeot und Citroen oder eben auch PSA, die sehr stark leiden unter den extremen Absatzproblemen in Südeuropa. Und wenn man dann natürlich fragt, soll man jetzt sehr stark Hunderte von Millionen in alternative Antriebe stecken, dann wird man relativ schnell zum Schluss kommen, dass sich viele Automobilhersteller im Moment es sich gar nicht leisten können, sowohl diesen Spagat im konventionellen Antriebsbereich als auch im alternativen Antriebsbereich zu finanzieren. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass viele Hersteller in den nächsten Jahren große Probleme kriegen werden, weil sie schlicht nicht so finanzkräftig und innovationsstark sind, um diesen Wandel zu überleben.
Engels: Professor Stefan Bratzel von der privaten Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach im Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker zum Stichwort Elektromobilität.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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