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"Automobilindustrie versus Erneuerbare Energie wäre eine schlechte Formel"

Achim Steiner, Chef von UNEP, dem UN-Umweltprogramm, warnte im Deutschlandfunk vor nicht allzu langer Zeit: Klimawandel und Globalerwärmung werden einen drastischen Wandel in unserem Leben und in unserer Wirtschaft herbeiführen. Sehr viel bewegt hat sich nichts seither beim Klimaschutz. Trotzdem ist Steiner der Ansicht, dass die Konjunkturprogramme mit Maßnahmen zum Klimawandel sehr wohl vereinbar sind.

Achim Steiner im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Sind Sie manchmal neidisch, wie schnell jetzt die Regierungen in der Wirtschaftskrise handeln?

    Achim Steiner: Ja, es kann einem manchmal schon etwas Sorge bereiten, aber andererseits muss man auch anerkennen, dass wir gerade in den letzten Wochen ja gesehen haben, dass die Klimathematik im Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm sehr wohl einen neuen Zug bekommen hat. Ob das nun die neue Obama-Administration ist, ob das China ist, ob das Korea ist, Japan, Deutschland, England - in gewisser Hinsicht haben wir in diesen Ländern sehr viel mehr Finanzmittel auf einmal für Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, als vielleicht noch vor einem Jahr. Aber das alleine bringt uns natürlich noch nicht an einen Punkt, wo diese Konjunkturprogramme auch wirklich umgesetzt werden. Und das wird sich nun gerade in Rom bei dem G20-Gipfel im April und auch letztlich in vielen anderen Foren entscheiden müssen, unter anderem natürlich den Parlamenten.

    Reimer: Das heißt, Sie haben schon den Eindruck, dass jetzt trotz Wirtschaftskrise die ganzen Klimaanforderungen nicht aus dem Blick gelassen werden?

    Steiner: Ich glaube, wir haben ja in den letzten Wochen sehr wohl erkannt, dass die Konjunkturprogramme in Verbindung mit auch einem Maßnahmenprogramm zum Klimawandel sehr wohl vereinbar sind. Zum einen Arbeitsplätze schaffen, Energieeffizienz, Gebäudesanierung ist eine enorme Möglichkeit, in wenigen Monaten, und mit einer großen Zahl von Arbeitsplätzen, vor allem in der Bauindustrie und auch im Wohnungsbau, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Zweitens bei Erneuerbaren Energien: Seit einigen Monaten ist Amerika weltgrößter Produzent von Windenergie, diesen Status hatte Deutschland in den letzten Jahren. Hier sind überall enorme Industrien und auch Sektoren, die potenziell wachsen können, das hat auch die Regierung Obama erkannt. Deswegen ist ja in dem Paket, das ja nun im Senat und auch im Repräsentantenhaus verhandelt wird, sind ja dort fast 100 Milliarden in diesen grünen Sektor, in der grünen Ökonomie auch gelagert und Ähnliches sehen wir in anderen Ländern. Das heißt, es gibt enorme Möglichkeiten, hier eine sogenannte Doppelwirkung zu schaffen, nur darf dies natürlich in den nächsten Wochen nicht verloren gehen, wenn es wieder um Partikularinteressen geht, Automobilindustrie versus Erneuerbare Energie wäre eine schlechte Formel.

    Reimer: Energiesicherheit ist jetzt in Europa überall, seit dem Gasstreit mit Russland und der Ukraine, ein ganz wichtiges Thema. Die schwedische Regierung hat angekündigt, dass sie alte Atomreaktoren durch neue ersetzen möchte. Wie lautet denn die Emfehlung von UNEP zur Atomkraft? CO2-neutral?

    Steiner: Da wir ja eine internationale Organisation sind, können Sie sich vorstellen, dass unter den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedliche Perspektiven existieren, von daher gibt es keine offizielle Pro- oder Kontraposition in UNEP. Unsere Aufgabe als Umweltprogramm ist es, zum einen sicherzustellen, dass in der öffentlichen Diskussion und auch in der Energiepolitik eine faire Abwägung stattfindet erstens unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, zweitens auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es ist natürlich eine Verlockung, Atomkraft kurzfristig einzusetzen. Die Frage bleibt immer noch: Was ist eigentlich langfristig die wirtschaftlich bessere Strategie und wie können wir auch unsere Energiesicherheit herstellen? Zum anderen ist da natürlich die ganze Frage Atommüll und auch internationale Sicherheit. Wenn sich Schweden, Deutschland, Amerika das Recht beibehalten, weiter Atomkraftwerke zu bauen, dann wird es schwierig, anderen Ländern das zu verbieten, und da sind natürlich auch Länder wie Nordkorea oder Iran in der internationalen Diskussion von dem Standpunkt ausgegangen: Wenn ihr es machen könnt, dann habt ihr kein Recht, uns die Atomenergie zu verbieten. Ich glaube, wir werden noch eine sehr intensive Diskussion vor allem auch auf faktischen Grundlagen führen müssen, ob eigentlich die Atomenergie die große Antwort auf unsere Energiekrise ist.

    Reimer: Viele Entwicklungsländer fürchten ja jetzt, dass die Zusagen für die Entwicklungszusammenarbeit sinken werden, andererseits sehen sie höhere Kosten für die Katastrophenvorsorge aufgrund des Klimawandels auf sich zukommen. Was ist denn aus Sicht der UNEP in Zeiten knapper Kassen in den Industriestaaten wünschenswerter: höhere Entwicklungsausgaben oder radikale Treibhausgas-Einsparprogramme der Industriestaaten?
    Steiner: Es wäre natürlich jetzt nicht sehr intelligent zu sagen, es gibt hier kein Problem, sondern man müsste beides machen. Aber das ist ja auch gerade der Ansatz, den wir in der Arbeit der letzten Wochen mit Volkswirten und ökonomischen Experten versucht haben, international zur Diskussion zu bringen. Wir mobilisieren im Augenblick 2000 bis 3000 Milliarden Dollar für ökonomische Stabilisierungen, Finanzkrise und Konjunkturprogramme, das heißt, man muss sich hier nur überlegen, wir haben bislang als Industrieländer lediglich 100 Milliarden Dollar im Jahr für die Entwicklungshilfe ausgegeben, das heißt: Jetzt hier zu kürzen und diese Gelder nicht zu nutzen, um auch langfristige Energiepolitik und letztlich auch Klimapolitik zu betreiben, wäre ein großer Fehler. Und gerade weil wir uns mit enormen Schulden nun aufbürden, um diese Krise zu bewältigen, wäre es ein Fehler und letztlich auch meiner Ansicht nach ein Mangel führender Politiker, hier nicht auch langfristig Investitionen herbeizuführen. Deutschland ist ein Exportland, Entwicklungszusammenarbeit schafft auch Märkte und Möglichkeiten für deutsche Arbeitsplätze, für deutsche Expertise, für deutsche Produkte. Das heißt: Wir haben ein Interesse, die Wirtschaft in Entwicklungsländern anzukurbeln, so schnell es geht, gleichzeitig unsere eigene Energiepolitik zu reformieren. Daher sehe ich weder den Widerspruch zwischen diesen zwei Zielen noch die Notwendigkeit angesichts dieser enormen Schulden, die wir nicht nur für unsere Generation, sondern letztlich auch für die nächste im Moment aufnehmen.

    Reimer: Vielen Dank, das war Achim Steiner, der Chef von UNEP, des UN-Umweltprogramms, wir sprachen mit ihm in Nairobi.