Silvia Engels: Heute zum 1. September treten einige neue gesetzliche Vorgaben in Kraft. Unter anderem gibt es europaweit neue Regelungen für Abgastests, die bisher wirklichkeitsfremd waren, also nichts mit der Realität zu tun hatten - und das auch ohne Schummelsoftware. Günter Hetzke aus unserer Wirtschaftsredaktion, wird jetzt alles besser?
Günter Hetzke: Also, besser als vorher schon, würde ich sagen. Aber das heißt noch lange nicht, dass künftig alles gut wird - gut unter dem Gesichtspunkt saubere Luft und Gesundheit. Stutzig macht allein schon, dass der Verband der deutschen Automobilindustrie die Regelungen toll findet. Er stöhnt nicht mal auf oder jammert, dass allein sagt ja schon einiges aus.
Engels: Was ändert sich denn ab heute?
Hetzke: Blicken wir kurz zurück: Bisher war es ja so, dass die Grenzwerte im Labor, also auf dem Rollenprüfstand ermittelt wurden, es wurde eine Fahrt durch die Innenstadt simuliert unter genau vorgegebenen Bedingungen, die, wie wir alle wissen, realitätsfern waren plus einer kleinen Fahrt auf der Straße. Das ändert sich tatsächlich grundlegend und zwar ab heute für den Fall, dass die Autohersteller eine neue Typengenehmigung erhalten wollen.
Engels: Typengenehmigung heißt?
Hetzke: Gemeint ist, wenn ein neues Modell entwickelt wurde - bevor das in die Serienproduktion geht, dann braucht es diese Genehmigung. Und für diese neuen und nur für diese neuen Fahrzeugtypen gelten ab heute die neuen Tests.
Kfz-Steuer steigt durch höheren Verbrauch
Engels: Und die sehen jetzt wie genau aus?
Hetzke: Es bleibt zum einen bei dem Test auf dem Rollenstand, aber die Fahrt dort - wenn möglich ohne Schummelsoftware - wird jetzt realitätsnäher gestaltet, also es wird mehr beschleunigt und gebremst. Und nach wie vor wird auf dem Rollenstand der Ausstoß von Kohlendioxid, also CO2 und damit der Verbrauch ermittelt. Zusätzlich gibt es jetzt für die Messung von Stickoxiden, also NOX, die für die Luftverschmutzung eine große Rolle spielen, eine Messung im realen Straßenverkehr. Deshalb auch der Name des Messverfahrens: RDE – Real Driving Emissions. Im Groben ist die Regel: Es wird jeweils ein Drittel innerorts, außer Orts und auf der Autobahn gefahren.
Engels: Das klingt doch soweit gut. Wo ist der Pferdefuß?
Hetzke: Naja, auch das wissen wir ja inzwischen. Im realen Straßenverkehr werden die Grenzwerte nicht oder in den seltensten Fällen eingehalten. Was also wurde gemacht? Die Grenzwerte wurden heraufgesetzt, sie wurden mehr als verdoppelt. Und selbst das ist nicht die Obergrenze. Da ist noch ein Aufschlag erlaubt, weil Wetterbedingungen oder besonderes Fahrverhalten, also nicht alle messbaren Rahmenbedingungen, den Ausstoß erhöhen können. Die Regelung gilt zunächst bis Januar 2020. Und noch zwei Zahlen: Für Neuzulassungen generell gelten die neuen Labortests ab September 2018, die neuen RDE-Tests dann erst in zwei Jahren, also ab September 2019.
Engels: Was heißt das jetzt für die Autobesitzer und Autofahrer?
Hetzke: Wer ein Auto hat, für den ändert sich erst einmal nichts. Wer ein neues Auto kaufen will, der Hinweis: Durch den neuen Labortest wird sich oft der CO2-Ausstoß erhöhen, also der Verbrauch. Und mehr Verbrauch heißt, die Kfz-Steuer steigt - die neue Regel gilt, wie gesagt, ab 1.9.2018. Das sollte man im Hinterkopf behalten. Und wer bei Dieselfahrzeugen umweltbewusst kaufen will, so unter anderem die Automobilclubs, der sollte noch ein wenig warten. Ab Herbst sollen ja Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 6 D auf den Markt kommen. Die gilt derzeit als so gut, dass Fahrverbote damit umgangen werden können.