Die Straßenbahn und ihr Fahrer, Manfred Kienitz, der im Führerstand Platz genommen hat, sind ungefähr gleichlang im Dienst: 23 Jahre. Manfred Kienitz konzentriert sich heute mal nicht auf die vielen Schalter, Rechner und farbigen Leuchten des Bedienpults, sondern auf einen grauen, schuhkartongroßen Kunststoffkasten, auf dem er nur wenige Knöpfe zu drücken braucht.
"Das ist die Notbremse, das Not-Aus, wenn eine größere Gefahr ist, dass ich die Bahn zum normalen Stehen nicht mehr kriege. Das ist die Schienenbremse, als System, das ich noch zusätzlich einsetzen könnte. Hier wird die Automatik in Betrieb genommen oder ausgeschaltet, hier ist die Warnglocke und hier ist mein Fahrtrichtungsschalter, nach vorne und hier gebe ich, wie man so schön sagt Gas nach vorne und nach hinten, bremsen."
Technik überwacht das Gleisbett
Über dem grauen Kasten ist ein kleiner Bildschirm montiert, auf dem ein hellgrauer Halbkreis zu sehen ist. In diesem Halbkreis, unten am Bildrand: ein runder Tachometer mit Zeiger, und weiter oben zeigt das Bild die nächsten 100 Meter des Schienenweges. Mit einem Blick aus dem Fenster würde Manfred Kienitz dasselbe sehen, aber auf dem Bildschirm werden ihm zusätzlich farbige Markierungen angezeigt.
"Dann sehe ich hier, wie schnell ich fahre und ob im Gleisbereich Gefahren zu erkennen und signalisiert werden, entsprechend der Farbgebung mit Grün Gelb und Rot."
Für Grün, Gelb und Rot, ist auf den ersten Sitzen hinter dem Fahrer ein hinter Glastüren montierter Rechner zuständig, der von einem Servicetechniker überwacht wird. Denn die rechnergesteuerte Straßenbahn befindet sich noch in der Lernphase, sagt Christoph Klaes von Siemens. Um ihre Umgebung kennenzulernen nutzt die Bahn hinter dunklen Scheiben verborgene Sensoren:
"In Summe sechs Kameras, vornehmlich in dem oberen Bereich und zwei unterschiedliche Sorten von Radar. Die sind hier im unteren Bereich verbaut und zwar in der Mitte. In diesem Fensterchen dort. Und auf der linken und der rechten Seite das so genannte Lidar, was auch eine Radarart ist, aber nicht eine so eine lange Reichweite hat, dafür aber auch nicht-metallische Gegenstände erkennt."
Laserstrahlen erkennen Hindernisse
Die zeilenförmig schnell kreisenden schwachen Laserstrahlen des Lidar erkennen die Struktur von Gegenständen. Auch im Dunkeln und wenn normale Kamerabilder nicht ausreichen, um bei strahlendem Sonnenschein einen auf den Schienen liegenden Baum vom Schatten eines Baumes zu unterscheiden. Selbst für menschliche Augen wäre dies bei Gegenlicht schwierig.
"Und diese Kombination der Sensorik ergibt die Inputdaten, die in den Rechner gehen und die durch Algorithmen ausgewertet werden. Und diese Algorithmen konsolidieren die Daten, erzeugen ein Bild und machen dann eine Bewertung, ob innerhalb eines definierten Bereiches Gegenstände quasi als Hindernisse erkannt werden oder nicht. Wenn sie erkannt werden, dann wird eine entsprechende Reaktion der Bahn ausgelöst - normalerweise Bremsen."
Kinderwagen auf den Schienen
Es geht los. Der Fahrer schaltet auf Automatik und die Bahn zeigt, dass sie Haltestellen und rote Ampeln erkennt, um dort anzuhalten. Mehr als 450 Mal wurde das schon im Stadtgebiet Potsdams erprobt. Auch kaum vorhersehbare Reaktionen von Radfahren, Fussgängern und Fahrgästen einzuschätzen steht auf dem Lehrplan.
Ein Test ist, ob das System einen Kinderwagen auf den Schienen erkennt. Die mitfahrenden Pressefotografen zücken ihre Kameras.
Auch wenn die Bahn alle Tests besteht - richtig autonom darf sie laut Gesetz nicht in der Öffentlichkeit fahren. Aber auf dem eingezäunten Betriebshof darf sie autonom rangieren.