Einfach reinsetzen und das Auto machen lassen: Das ist die Vision des autonomen Fahrens. Und sie ist vor allem mit einem Namen verbunden: Google beziehungsweise Alphabet, der neu gegründeten Holding, die das klassische Geschäft von Google und seine anderen, abseitigeren Projekte zusammen verwaltet. Das Unternehmen lässt seit Mitte Juni erste Prototypen seines autonomen Autos über die Straßen Kaliforniens fahren und wühlt damit auch in Europa die Branche auf.
Hersteller wie BMW, Audi und Mercedes entwickeln unter Hochdruck ebenfalls selbstfahrende Autos. Doch im Gegensatz zum Internetriesen Google nutzen sie einen leicht anderen Ansatz zur Navigation. Wo genau der Unterschied liegt, erklärt Martin Duncan Er ist als Entwickler von Mikroelektronik an verschiedenen Projekten zum autonomen Fahren beteiligt:
"Googles Ansatz ist es vor allem, durch die Welt zu fahren und sie zu vermessen. Die dabei gewonnenen Daten kommen dann in die Cloud. Wenn nun ein Nutzer in eine ähnliche Verkehrssituation gerät, werden diese alten Daten abgerufen. Basierend darauf entscheidet das Auto, wie es jetzt abbiegen und fahren muss. Der Ansatz der klassischen Hersteller dagegen ist es, von Anfang alles im Bordcomputer des Autos zu haben. Die Sensoren am Auto schauen in die Umwelt und erkunden sie. Der Computer im Auto entscheidet dann mit diesen Messdaten, was das Auto jetzt tun muss."
Googles Auto tauscht sich mit Servern aus
Der Ansatz von Google lebt also vor allem davon, sich permanent mit Servern auszutauschen. Wenn beispielsweise ein vorausfahrender LKW sich verlangsamt, greift das Google Car auf eine sich ständig aktualisierende Datenbank zurück, in der solche Situationen gespeichert sind. Dann wählt das Google Car aus, was die wahrscheinlich beste Lösung ist, ob es bremsen oder das Hindernis umkurven sollte.
Die autonomen Autos der klassischen Hersteller dagegen bekommen solche Situationen genau einprogrammiert. Sie erkennen und reagieren sofort. Der Bordcomputer hat also quasi kein Gedächtnis und entscheidet aus dem Moment heraus, was zu tun ist.
Das hat aber nicht nur auf die technische Entwicklung Auswirkungen. Auch rechtlich gesehen, wird das Google-Auto damit wohl anders bewertet werden als seine Konkurrenz. Das ist zumindest die Meinung von Gaelle Kermorgant, die sich als Spezialistin für europäisches Recht mit den juristischen Fallstricken für autonome Autos auseinandersetzt:
"Natürlich ist für autonome Autos die Frage der Haftung wichtig. Aber das wirklich größte Problem sehe ich beim Datenschutz. Denn wenn permanent Daten zwischen Autos und Servern ausgetauscht werden, stellen sich viele Fragen. Es muss rechtlich geklärt sein, wohin die Daten gehen und wie sie genutzt werden. Denn man will ja nicht, dass ständig die eigene Position preisgegeben wird. Die eigene Privatsphäre und Sicherheit müssen gewährleistet sein."
Europäische Hersteller gehen anders mit den Daten um
Wie heikel ein permanenter Datenaustausch zwischen Servern und einem Auto schon heute sein kann, zeigten vor einigen Wochen amerikanische Hacker. Sie führten einem Autor des Technikmagazins "Wired" vor, wie sie Kontrolle über sein Auto erlangen konnten. Ihnen gelang es sogar, Gas und Bremse nach Belieben zu manipulieren.
Sollten europäische Hersteller also ein autonomes Auto bauen, das sicherer mit den Daten umgeht, könnte das laut Gaelle Kermorgant tatsächlich ein Verkaufsargument sein.
"Ich glaube, das könnte eine Chance sein. Die Frage ist, ob die Hersteller darin investieren wollen. Denn IT-Sicherheit ist teuer. Aber es kann ein großes Plus sein, wenn man sagen kann: Unser Auto respektiert Datenschutz und Privatsphäre."
Wie ernst klassische Autohersteller es mit dem Datenschutz meinen und wie andersartig ihre autonomen Autos funktionieren, das wird man wohl bald sehen können. Tim Duncan verspricht jedenfalls, dass nächstes Jahr einige große Marken nachziehen und Google Paroli bieten werden:
"Es wird schon nächstes Jahr einige beeindruckende Produkte geben. Eine europäische Marke wird etwas Anfang nächsten Jahres vorstellen. Ein weiterer Hersteller aus Europa wird nachziehen und auch jeweils einer aus den USA und aus Japan. Vier große Hersteller werden also etwas zumindest teilweise Autonomes vorstellen können. Drei davon durfte ich sogar testen. Und sie waren erstaunlich gut. Ich hatte nichts gemacht, meine Hände waren wenige Millimeter über dem Lenkrad und meine Füße wenige Millimeter oberhalb der Pedale. Und die Autos haben super ihre Arbeit erledigt."