Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt versprach nichts anderes als eine Revolution auf der Straße. Mit dem automatisierten Fahren gebe es weniger Staus, weniger Unfälle, weniger Parkplatzsuchverkehr. Doch damit nicht genug:
"Wir geben heute den Startschuss für das innovativste Straßenverkehrsrecht der Welt mit einer rechtlichen Gleichstellung vom Mensch als Fahrer und dem Computer als Fahrer. Das heißt im Klartext, in der Zukunft darf der Computer ans Steuer."
Wer haftet bei einem Unfall?
Das sei ein echter Paradigmenwechsel und die größte Reform des Straßenverkehrsrechts in seiner über einhundertjährigen Geschichte, erklärte der CSU-Politiker. Der Gesetzentwurf aus seinem Haus, über den der Bundestag heute in erster Lesung beraten hat, sieht vor, dass zukünftig ein Computer das Fahrzeug steuern darf, solange der Fahrer im Notfall eingreifen kann.
"Beim hochautomatisierten Fahren sprechen wir also über eine Erleichterung, mehr Fahrkomfort, mehr Sicherheit, eine große Evolution schon vorhandener Assistenzsysteme. Ein Schläfchen auf der Autobahn, nein, das gibt es noch nicht," erklärte SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol. Für die Kritiker des Gesetzentwurfs ist in ihm die zentrale Frage nicht beantwortet: Wer haftet bei einem Unfall? Ist es der Fahrer, der Hersteller oder die Firma, die den Computer programmiert?
Verkehrsminister Alexander Dobrindt machte zwar wiederholt deutlich:
"Auch diese Haftungsfragen haben wir in unserem Gesetz geklärt. Wenn der Computer fährt, dann haftet am Schluss der Hersteller."
"Die Fahrzeuge werden zur Datenkrake"
Das aber genau bezweifeln die Kritiker. Der ADAC sieht die erforderliche Rechtssicherheit noch nicht gegeben, der Bundesverband der Verbraucherzentralen bemängelt, dass die Hersteller der automatisierten Systeme in dem Gesetzentwurf weitgehend aus der Verantwortung entlassen würden. Herbert Behrens, der Obmann der Linkenfraktion im Bundestag kritisiert:
"Im Gesetz steht, dass der Fahrzeugführer beim hochautomatisierten Fahren unverzüglich das Steuer wieder übernehmen muss, wenn das Fahrzeug ihn dazu auffordert. Diese Formulierung ist so unscharf, dass selbst Sie, Herr Minister Dobrindt fälschlicherweise davon ausgehen, dass man bei diesen Autos mal eben schnell E-Mails bearbeiten darf, weil es schließlich möglich ist, das Steuer unverzüglich wieder zu übernehmen. Studien und Fahrsimulatoren haben gezeigt, dass mindestens 15 Sekunden nötig sein können, um sich von einer fahrfremden Tätigkeit wieder ins Verkehrsgeschehen einstellen zu können. Ist das unverzüglich?"
Auch die Datenschutzinteressen von Fahrern und Haltern seien nicht ausreichend berücksichtigt, kritisiert etwa der Grüne Stephan Kühn:
"Die Fahrzeuge werden zur Datenkrake, wenn die Daten bis zu drei Jahren gespeichert zu werden."
Kritik von der Datenschutzbeauftragten
Die Befugnis, die im Fahrzeug gespeicherten Daten an Behörden weiterzugeben, sei zu weitgehend gefasst, während es für die Hersteller keine richtigen Vorschriften gebe, wie die Datensicherheit und Transparenz gegenüber den Verbrauchern gewährleistet werde, bemängelt auch die Linke, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff. Sie merkt an, dass obwohl die aufgezeichneten Fahrdaten personenbezogen seien, der Entwurf nicht festlege, welche Fahrdaten konkret gespeichert werden sollen. Unklar sei ebenfalls, ob die im Auto gespeicherten Daten nach kurzer Zeit wieder gelöscht und nur nach einem Unfall dauerhaft gespeichert würden oder wann und für welche Zwecke Behörden und Unfallgegner die aufgezeichneten Fahrdaten erhalten dürfen.
Wenn der Bundestag das Gesetz beschließt, wird Deutschland das erste Land weltweit, in dem das voll automatisierte Fahren ohne Sondergenehmigung zulässig ist. So weit ist es aber noch nicht. Zunächst einmal wurde der Gesetzentwurf in den zuständigen Bundestags-Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Überarbeitung überwiesen.