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Autonomes Fahren
Testrunden für das erste fahrerlose Autorennen der Welt

Selbstfahrende Autos gibt es schon einige – in der Regel in Pilotprojekten, bei denen sich die Vehikel eher vorsichtig im Verkehr vortasten. Im kommenden Oktober soll nun in den USA erstmals ein Rennen mit selbstfahrenden Boliden stattfinden. Am Start: ein junges Team der TU München.

Von Frank Grotelüschen |
Ein Rennen der IndyLights-Serie im August 2019 im US-Bundesstaat Illinois. Pilot Rinus VeeKay führt das Feld an.
Bei dem autonomen Autorennen sollen Wagen der US-Rennserie Indy Lights zum Einsatz kommen. (Imago/ Michael Allio/Icon Sportswire)
Mit Vollgas rast der Rennwagen um die Kurve. Es ist ein Wagen der US-Rennserie Indy Lights, 500 PS, 320 km/h. Hinterm Steuer sitzt – natürlich – ein Mensch. Doch das wird sich ändern. Denn bald soll ein Rennen stattfinden, bei dem so ein Wagen ohne Fahrer seine Runden dreht, vollständig autonom, und dabei gegen andere Boliden um die Wette fährt.

Keinerlei Kommunikation mit dem Fahrzeug

"Das Ziel ist, dass die Fahrzeuge 20 Runden komplett selbstständig, ohne Eingriff durch das Team oder durch andere Teilnehmer, diese 20 Runden absolvieren können", sagt Alexander Wischnewski, Ingenieur an der TU München. "Das Fahrzeug muss dabei sowohl Objekterkennung als auch Planung und die Regelung komplett selbstständig übernehmen. Das heißt, man kann nicht mal für strategische Entscheidungen mit dem Fahrzeug kommunizieren. Es muss also vollständig autonom agieren können."
Indy Autonomous Challenge, so heißt das weltweit erste Rennen für selbstfahrende Autos. Es soll am 23. Oktober in Indianapolis stattfinden. Mit dabei: "TUM Autonomous Motorsport", ein Team aus 13 Doktoranden aus München, gemanagt von Alexander Wischnewski, 28 Jahre alt. Manche der Teammitglieder haben schon Renn-Erfahrung, bei einer Veranstaltung namens Roborace.
"Unser Fokus dabei war immer auf einzelnen Runden. Wir wollten möglichst schnell fahren, die Fahrperformance eines menschlichen Fahrers erreichen. Das neue an der Indy Autonomous Challenge ist jetzt, dass hier viele Fahrzeuge gleichzeitig auf der Strecke agieren. Wir gehen aktuell davon aus, dass bis zu zehn Teams gleichzeitig auf dieser Rennstrecke antreten werden. Das ist natürlich eine hochkomplexe und gleichzeitig dynamische Umgebung."

Sechs Kameras, vier Radare, drei Lasersensoren

Dreht der Wagen eine einsame Runde, lässt sich der Kurs weitgehend programmieren. Fährt er dagegen Rennen gegen andere, muss er flexibel reagieren können, muss ausweichen, bremsen, überholen, und das ist technisch viel anspruchsvoller. Die Teams entwickeln dabei nur die Software. Die Hardware, also das Rennauto, ist bei allen identisch: Leider kein Elektro-Bolide, bedauert Wischnewski, sondern ein benzinbetriebener Indy-Lights-Wagen. Er entspricht der europäischen Formel 2 und ist ausstaffiert mit jeder Menge Extra-Sensorik.
"Das sind aktuell sechs Kameras, die in alle Richtungen blicken. Das sind vier Radare und drei Lasersensoren, die auch eine Abdeckung von 360 Grad um das gesamte Fahrzeug ermöglichen. Mit diesen drei Sensortypen muss man dann die gesamte autonome Fahraufgabe bewältigen." Ausgeliefert werden die Autos aber erst Ende Mai in den USA. Bis dahin ist das Team auf Trockenübungen angewiesen, auf Rechnersimulationen. Die wirken, wenn Wischnewski und seine Leute vor dem PC sitzen, fast so wie ein Computerspiel.

Bordcomputer muss noch schneller werden

Mit diesen Simulationen bringen die Forscher der Software bei, die anderen Renner zu erkennen, ihr Verhalten zu interpretieren, um dann eigene Aktionen zu planen und auszuführen, etwa einen Überholvorgang. Virtuelle Rennen haben die Münchener bereits bestritten, in sogenannten Hackathons, der aktuelle läuft gerade. Und dabei wurde manche Schwachstelle deutlich: So muss der Bordcomputer noch ein Stück schneller werden, damit der Wagen fixer reagieren kann.
Ein weiteres Problem: "Was passiert, wenn ich auf der Gegengerade auf die Sonne zufahre und auf der eigentlichen Start-Ziel-Geraden von der Sonne wegfahre? Solche Sachen sind immer noch schwierig, realitätsgetreu darzustellen in der Simulation. Und da erwarten wir eine ganze Menge Überraschungen, wenn wir das erste Mal auf dem echten Fahrzeug testen."
Ein Fragezeichen aber bleibt: Sollte sich die Corona-Situation bis zum Sommer zuspitzen, ist nicht auszuschließen, dass das Rennen verschoben werden muss.