Der zelluläre Stoffwechsel ist eine anstrengende Angelegenheit, kein Wunder, dass es ständig Ausschuss gibt, Proteine, die zusammenkleben oder sich verformen, überarbeitete Mitochondrien, die mehr gefährliche Sauerstoffradikale als Energie produzieren. Die Autophagie sorgt hier für Ordnung.
"Sodass es der Zelle zum Beispiel möglich ist, ein defektes Mitochondrium abzubauen, während das gesunde Mitochondrium in der gleichen Zelle vom Abbau verschont wird."
Nur im Alter funktioniert diese Autophagie nicht mehr so gut, erläutert Volker Hauke, Direktor am Leibniz Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin. Und so sammelt sich molekularer Müll in den Zellen an. Über die Jahre kann der dann zu großen Krankheiten des Alters beitragen: Diabetes, Alzheimer und Parkinson. Kein Wunder, dass die Autophagie sich zu einem spannenden Forschungsfeld entwickelt hat. Yoshinori Ohsumi hat entdeckt, dass dieser Prozess dazu dient, in Zeiten der Nahrungsknappheit Nährstoffe aus überflüssigen Eiweißen freizusetzen. Das passt gut zu der Beobachtung, dass eine Reduktion der Nahrungszufuhr in Versuchstieren das Leben verlängert und Alterungsprozessen entgegenwirkt.
"Man geht davon aus, dass Hungerperioden in der Lage sind, dass Autophagiesystem wieder anzuschalten. Und man nicht nur durch anschalten des Autophagiesystems den Nährstoff-Vorrat wieder befüllt, sondern gleichzeitig auch dafür sorgt, dass defekte Eiweißmoleküle und defekte Organellen aus der Zelle abgebaut werden könne. Insofern mag Fasten durchaus ein therapeutisch wirksames Mittel sein."
Autophagie-System wieder anschalten
Fasten ist andererseits nicht jedermanns Sache. Es gibt aber einfachere, geradezu genussvolle Wege, der müden Müllabfuhr wieder Beine zu machen.
"Es gibt Hinweise, dass natürlich vorkommende Substanzen wie Resveratrol, das ein Bestandteil von Rotwein ist, oder Polylamine, in der Lage sind Autophagie anzuschalten."
Aktuell haben Forscher in Berlin herausgefunden, dass ein natürliches Polyamin, das Spermidin, bei Fruchtfliegen die Funktion der Synapsen, der wichtigen Kontaktpunkte zwischen Nerven auch im Alter flexibel halten kann. Und eine Kur mit Spermidin oder Resveratrol erhöht die Lebenszeit von Hefen, Fruchtfliegen und sogar Mäusen. Wunder darf man sich von reichlich Rotwein aber nicht erwarten, zumal eine zu hohe Dosierung dieses besonderen Heilmittels ja eine ganze Reihe bekannter Nebenwirkungen verursacht. Vielleicht zeigte sich aus diesem Grund bei einer Studie aus Italien kein Unterschied in der Lebenszeit zwischen Personen, die viel beziehungsweise wenig Rotwein tranken. Vielleicht ist in Wein einfach zu wenig Resveratrol enthalten.
In den USA gibt es seit Langem Tabletten zu kaufen, die hundertmal mehr Resveratrol enthalten als eine Flasche Wein. Inzwischen gibt es solche Produkte auch in Deutschland. Ob die aber tatsächlich den Alterungsprozess merklich stoppen ist noch offen. Eine dänische Studie an übergewichtigen Männern zeigte jedenfalls keine positive Veränderung im Stoffwechsel. Aber vielleicht war die Laufzeit von vier Wochen einfach zu kurz. Volker Haucke ist Pharmakologe, von daher ist es kein Wunder, dass er dafür plädiert, effektivere Wege zu suchen, über die sich die Autophagie im Alter aktivieren lässt.
"Ich glaube, das, was wir jetzt brauchen, ist mit den Repertoire dessen, was Yoshinori Ohsumis Forschung und die von vielen anderen über die Autophagie zu Tage gefördert hat, dass wir gezielter eingreifen und in einzelnen zellulären Systemen und Organen anschauen wie Autophagie wirklich reguliert wird und dann in der Lage sind, durch gezielte Anwendung von pharmakologischen Wirkstoffen oder natürlich vorkommenden Substanzen, dieses System zu reaktivieren."