Was für ein Stoff für einen Autor vom Range des Honoré de Balzac - die Vita und die Schriften des Universalkaisers der Franzosen, der sich selbst vor aller Welt den Nimbus eines "neuen Prometheus" zugesprochen hatte. Die intellektuellen Leuchtspuren dieser so fürstenherrlichen wie geschichtsmächtigen Legende will der berühmte Schriftsteller acht Jahre nach der Juli-Revolution von 1830 einer mittlerweile republikanisch gestimmten Öffentlichkeit zur staunenden Besichtigung freigeben. Dem legendären Napoleon Bonaparte, der im höchsten Maße Franzose gewesen sei und als "größter Organisator der neueren Zeiten" zu gelten habe, soll ein möglichst vorurteilsfreies Andenken bewahrt werden, deshalb lässt ihn der Herausgeber fast kommentarlos allein zu Wort kommen. Und seinen Lesern hat dieser Bonaparte tatsächlich einiges zu bieten, mit seinem manchmal aphoristisch gewitzten, zumeist aber in scharfkantigen Sentenzen und Apercus entfalteten Gedankenbrevier. Balzac ist es durchaus gelungen, die Reflexionen und Maximen sowohl des frühen Revolutionsfreundes wie des späteren Kaisers aller Franzosen in eine biografisch und systematisch wohlbedachte Ordnung zu bringen. Da sind zunächst die Reflexionen des jungen Bonaparte, der an die Urteilsfähigkeit des Volkes glauben möchte, wenn es nicht auf "Schaumschläger" höre, der den Sinn der meisten Gesetze entlarvt als Instrumente, die den Unglücklichen unterdrücken und den Mächtigen schützen, und der Jesus Christus für den größten Republikaner hält:
Bei Staatsaffären braucht man keine Leidenschaften oder Vorurteile; die einzige erlaubte Leidenschaft ist die für das Gemeinwohl.
Man führt das Volk nur, indem man ihm eine Zukunft zeigt: Ein Führer ist ein Händler, der Hoffnungen verkauft.
Wer sein Vaterland rettet, hat gegen kein Gesetz verstoßen.
Schon als jugendlicher Citoyen zeigt sich Bonaparte vom teuflischen und terroristischen Charakter jeder Revolution überzeugt. Ein zu großer Parteienpluralismus erscheint ihm gefährlich, und er stellt die Schwäche der Demokratie der Stärke des Despotismus gegenüber, nur der vermöchte "Großes zu vollbringen". Aber wenn schon der junge Napoleon seine spätere Machtanmaßung antizipiert, so tut dies erst recht der gloriose Feldherr und Universalmonarch. Vom Genie und von der Intuition des Krieg führenden Helden ist in seinen Niederschriften oft die Rede, von Generälen als durchtriebenen Scharlatanen, von der Armee als einem unbedingt gehorchenden Volk und vom unbändigen "Geist" der Franzosen in höchster nationaler Gefahr. Vollends Macht anmaßend und nicht selten zynisch wird es in den Einsichten und Gedanken zu Herrschaft und politischer Praxis. Dass es äußerst schwierig sei, "ehrlich zu regieren", ist dabei noch eine der selbstkritischen Reflexionen des Napoleon Bonaparte. Aber liest man diese dekretartig pointierten Notate genauer, stellt sich rasch der Eindruck her von einem unerhört gewaltbereiten Veränderungswillen in der europäischen Politik:
Wenn man die politische Freiheit gründlich prüft, erweist sie sich als eine allgemein anerkannte Legende, die von den Regierenden ersonnen wurde, um die Regierten einzuschläfern. [ ... ]. Die Demokratie erhöht die Souveränität, nur die Aristokratie bewahrt sie. [ ... ] Die absolute Macht muss in ihrem Wesen väterlich sein, sonst wird sie gestürzt. [ ... ] Die Bevölkerung braucht lärmende Feste; Dummköpfe haben Lärm gern, und die Menge besteht aus Dummköpfen.
Herrschen könne man überhaupt nur als Militär in Stiefeln und Sporen, heißt es, der bloße Begriff der Volksrechte dagegen komme einem Verbrechen am Staat gleich. Für einen "Reichsgründer" wie Napoleon sind die Menschen deshalb nicht als Menschen zu betrachten, sondern nur als "Instrumente", als "Masse" von Bedeutung. Vor allem aber hat es der schreibfertige Neu-Monarch auf die Intellektuellen abgesehen, denn ihre Ideen und moralischen Anmaßungen seien die Hauptfeinde jeder Herrschaft, zumal bei den Schriftstellern handle es sich durchweg um Schwätzer, aber auch mit den Philosophen sei in der Politik nichts anzufangen.
Dass zu viel Macht irgendwann selbst den "ehrlichsten Menschen" verdirbt, weiß dieser selbstherrliche Schüler Machiavellis durchaus, aber das hindert ihn nicht, allzeit an seine großartige Sendung in und für Europa zu glauben. Vor dem heraufziehenden Kapitalismus mitsamt seiner "Aristokratie des Geldes" und vor der Macht der "Tinte" glaubt Bonaparte schließlich noch warnen zu müssen, beide Tendenzen neigten dazu, neuerliche Despotien über die Menschheit zu bringen. Wogegen er seine ureigene Vorstellung einer europäischen Universalmonarchie gesetzt habe:
Eine meiner großen Ideen bestand darin, dieselben geographisch zusammengehörenden Völker, die die Revolutionen und die Politik aufgelöst und zersplittert haben, wieder eng zusammenzuschließen und zu konzentrieren. [ ... ]; ich wollte jedes Volk in einer Nation vereinen. Der Anstoß ist gegeben; jede derartige Revolution wird sich vollziehen; und meine Idee kann als Hebel für die zukünftigen Geschicke Europas dienen.
Man dürfe diesem Mann, der aus dem "Nichts" gekommen und zum Mächtigsten seiner Zeit avanciert sei, "große Eigenschaften unmöglich absprechen", schreibt der österreichische Staatskanzler Metternich, der am Ende dieses aufschlussreichen Bandes auch noch zu Wort kommt. Mag sein, dass der politische Denker und Usurpator Bonaparte stets mehr erriet, als er wirklich wusste, aber er hat als einer der ersten Mächtigen in Europa wahrgenommen, dass Herrschaft sich künftig nur im "Raum der Gründe", getragen von klugen Maximen und Gedanken, wird am Leben erhalten können.
Napoleon Bonaparte: Maximen und Gedanken. Ausgewählt und mit einem Vorwort von Honoré de Balzac. Matthes & Seitz 2010, 136 Seiten 18,80 Euro
Bei Staatsaffären braucht man keine Leidenschaften oder Vorurteile; die einzige erlaubte Leidenschaft ist die für das Gemeinwohl.
Man führt das Volk nur, indem man ihm eine Zukunft zeigt: Ein Führer ist ein Händler, der Hoffnungen verkauft.
Wer sein Vaterland rettet, hat gegen kein Gesetz verstoßen.
Schon als jugendlicher Citoyen zeigt sich Bonaparte vom teuflischen und terroristischen Charakter jeder Revolution überzeugt. Ein zu großer Parteienpluralismus erscheint ihm gefährlich, und er stellt die Schwäche der Demokratie der Stärke des Despotismus gegenüber, nur der vermöchte "Großes zu vollbringen". Aber wenn schon der junge Napoleon seine spätere Machtanmaßung antizipiert, so tut dies erst recht der gloriose Feldherr und Universalmonarch. Vom Genie und von der Intuition des Krieg führenden Helden ist in seinen Niederschriften oft die Rede, von Generälen als durchtriebenen Scharlatanen, von der Armee als einem unbedingt gehorchenden Volk und vom unbändigen "Geist" der Franzosen in höchster nationaler Gefahr. Vollends Macht anmaßend und nicht selten zynisch wird es in den Einsichten und Gedanken zu Herrschaft und politischer Praxis. Dass es äußerst schwierig sei, "ehrlich zu regieren", ist dabei noch eine der selbstkritischen Reflexionen des Napoleon Bonaparte. Aber liest man diese dekretartig pointierten Notate genauer, stellt sich rasch der Eindruck her von einem unerhört gewaltbereiten Veränderungswillen in der europäischen Politik:
Wenn man die politische Freiheit gründlich prüft, erweist sie sich als eine allgemein anerkannte Legende, die von den Regierenden ersonnen wurde, um die Regierten einzuschläfern. [ ... ]. Die Demokratie erhöht die Souveränität, nur die Aristokratie bewahrt sie. [ ... ] Die absolute Macht muss in ihrem Wesen väterlich sein, sonst wird sie gestürzt. [ ... ] Die Bevölkerung braucht lärmende Feste; Dummköpfe haben Lärm gern, und die Menge besteht aus Dummköpfen.
Herrschen könne man überhaupt nur als Militär in Stiefeln und Sporen, heißt es, der bloße Begriff der Volksrechte dagegen komme einem Verbrechen am Staat gleich. Für einen "Reichsgründer" wie Napoleon sind die Menschen deshalb nicht als Menschen zu betrachten, sondern nur als "Instrumente", als "Masse" von Bedeutung. Vor allem aber hat es der schreibfertige Neu-Monarch auf die Intellektuellen abgesehen, denn ihre Ideen und moralischen Anmaßungen seien die Hauptfeinde jeder Herrschaft, zumal bei den Schriftstellern handle es sich durchweg um Schwätzer, aber auch mit den Philosophen sei in der Politik nichts anzufangen.
Dass zu viel Macht irgendwann selbst den "ehrlichsten Menschen" verdirbt, weiß dieser selbstherrliche Schüler Machiavellis durchaus, aber das hindert ihn nicht, allzeit an seine großartige Sendung in und für Europa zu glauben. Vor dem heraufziehenden Kapitalismus mitsamt seiner "Aristokratie des Geldes" und vor der Macht der "Tinte" glaubt Bonaparte schließlich noch warnen zu müssen, beide Tendenzen neigten dazu, neuerliche Despotien über die Menschheit zu bringen. Wogegen er seine ureigene Vorstellung einer europäischen Universalmonarchie gesetzt habe:
Eine meiner großen Ideen bestand darin, dieselben geographisch zusammengehörenden Völker, die die Revolutionen und die Politik aufgelöst und zersplittert haben, wieder eng zusammenzuschließen und zu konzentrieren. [ ... ]; ich wollte jedes Volk in einer Nation vereinen. Der Anstoß ist gegeben; jede derartige Revolution wird sich vollziehen; und meine Idee kann als Hebel für die zukünftigen Geschicke Europas dienen.
Man dürfe diesem Mann, der aus dem "Nichts" gekommen und zum Mächtigsten seiner Zeit avanciert sei, "große Eigenschaften unmöglich absprechen", schreibt der österreichische Staatskanzler Metternich, der am Ende dieses aufschlussreichen Bandes auch noch zu Wort kommt. Mag sein, dass der politische Denker und Usurpator Bonaparte stets mehr erriet, als er wirklich wusste, aber er hat als einer der ersten Mächtigen in Europa wahrgenommen, dass Herrschaft sich künftig nur im "Raum der Gründe", getragen von klugen Maximen und Gedanken, wird am Leben erhalten können.
Napoleon Bonaparte: Maximen und Gedanken. Ausgewählt und mit einem Vorwort von Honoré de Balzac. Matthes & Seitz 2010, 136 Seiten 18,80 Euro