Nachfahre einer der legendärsten deutschen Dichterfamilien zu sein, war für Bernard von Brentano nicht nur Anlass zum Stolz, sondern beunruhigte ihn auch so sehr, dass er ein großes Unterscheidungsbedürfnis entwickelte und bat:
Bernard von Brentano: "Man verwechsle mich bitte nicht mit meinem berühmten Vorfahren."
Immerhin verband den am 15. Oktober 1901 in Offenbach am Main geborenen Bernard von Brentano mit seinem romantischen Vorfahren Clemens von Brentano von früher Jugend an der Traum von einer Schriftsteller-Existenz, an dem er auch während der Studienjahre in Freiburg, München und Berlin festhielt.
"Ich war noch ein sehr junger Mann, keine 23 Jahre alt, als ich nach Berlin zog, und zwar für immer, wie ich damals glaubte, fürs ganze Leben. Berlin war doch unsere Hauptstadt. Und die Entschlossenheit, gemischt mit Ungestüm, mit der ich damals an die Dinge heranzugehen pflegte, war doch für ‚ganz oder gar nicht'. Ich wollte entweder auf dem Land leben oder in der Hauptstadt. "
Die Wahrheit als Aufgabe der Republik
1925 trat Bernard von Brentano in die Redaktion der "Frankfurter Zeitung" ein und wurde deren Berliner Korrespondent. Er kümmerte sich aber nicht so sehr um politische Probleme der Weimarer Republik, sondern war lieber auf den Straßen Berlins unterwegs, in Hinterhöfen, Kudamm-Cafés, Boxhallen, Gerichten, Revuen, Freibädern, Kinopalästen - und erwies sich in seinen Feuilletons als Reporter der Neuen Sachlichkeit.
"Ich habe den Lyriker Gottfried Benn verhältnismäßig oft besucht in seiner urberlinischen Arztwohnung, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir je ein Wort über Politik gesprochen hätten ... Auch Bert Brecht sprach nicht über Politik in dieser Zeit, sondern über Marxismus. Gespräche über ernste Themen gehörten zur Arbeit bei diesem fleißigen Mann, und das war sehr berlinisch."
Analysierte Bernard von Brentano doch einmal politische Verhältnisse der Weimarer Republik, hielt er mit seiner linksliberalen Gesinnung nicht hinter den Berg. Wieder einmal aus einem Kino kommend, nach der Uraufführung von "Der Weltkrieg als Ufa-Film", notierte er:
"Es spaziert in diesem Film eine Menge Generäle und Fürsten über die Leinwand. Es fehlen dafür der unbekannte Soldat und die unbekannte Mutter. Es fehlt die Wahrheit. Die Wahrheit ist die Aufgabe der Republik."
Hitler war für ihn der "Beginn der Barbarei"
Der Wahrheit gab er die Überschrift: "Der Beginn der Barbarei". So nannte er ein Buch, das Ende 1932, kurz vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, vor den Nationalsozialisten warnte. Die hatten nach ihrem Machtantritt nichts Eiligeres zu tun, als das Buch öffentlich zu verbrennen. Brentano ging kurz darauf ins Exil, zunächst nach Wien, dann in die Schweiz, nach Küsnacht. Spaziergänge mit dem Nachbarn Thomas Mann, der Brentanos Arbeit an dem Familienroman "Theodor Chindler" aufmerksam begleitete. Das Buch, 1936 erschienen und als Chronik des deutschen Bürgertums während des Ersten Weltkriegs im Ausland sehr beachtet, gilt heute als Brentanos bestes literarisches Konzept, geschrieben nach der Devise:
"Sagen lassen sich die Menschen nichts, aber erzählen lassen sie sich alles."
Die Erfahrung des Exils empfand Brentano allerdings derart bedrückend, dass er mehrfach bat, wieder nach Deutschland zurückkehren zu können; die Nationalsozialisten wiesen die Bitten umgehend zurück. Wegen dieser Heimkehr-Anfragen war Brentano in den Augen anderer Exilanten diskreditiert. Die Verstörungen im Umgang mit ihm legten sich auch nicht, als er 1949 nach Westdeutschland zurückkehrte, mit Wohnsitz in Wiesbaden, zumal er nunmehr nicht nur mit deutschnationalen Ansichten, sondern auch erzkonservativ-ästhetischen Urteilen selbst enge Freunde irritierte. Trotz der Vorbehalte, die man ihm deutlich zu erkennen gab, schrieb er unbekümmert weiter, bis wenige Tage vor seinem Tod am 29. Dezember 1964. In seinem Erinnerungsbuch "Du Land der Liebe" ist nachzulesen, wer Bernard von Brentano war und warum ihn eine Frage umtrieb, die trotz all seiner Wandlungen sein frühes Werk aus den 1920er Jahren mit seinem Spätwerk doch verbindet:
"Der Deutsche, sagt man, weiß, wie es der Materie zumute ist. Wie ist es aber eigentlich dem Deutschen zumute?"