Sie lassen sich nicht einschüchtern: Die regimekritischen Polit-AktivistInnen von Pussy Riot haben einen "Song über einen guten Polizisten" veröffentlicht. Er zeigt die Sicherheitskräfte in einem utopischen Traum als freundlich und nett im Umgang mit der Bevölkerung. Zuvor hatte ein Moskauer Gericht vier Mitglieder unter anderem zu 15 Tagen Haft verurteilt, außerdem dürfen sie drei Jahre lang keine Sportveranstaltungen mehr besuchen. Grund für diese Strafe war die Flitzer-Aktion in Polizeiuniform beim Fußball-WM-Finale - dabei stecken einigen der Pussy-Riot-AktivistInnen die Untersuchungshaft und Straflager-Internierung für ihr Punk-Gebet von 2012 sicher noch in den Knochen. Diese Strafe war nicht rechtens, urteilte wiederum gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Vielleicht fühlte sich die Gruppe ermutigt, im aktuellen WM-Fall nochmals nachzulegen.
"Es war der richtige Ort und die richtige Zeit für Pussy Riot, um sich wieder in die Öffentlichkeit zu beamen", sagte der in Berlin lebende russische Autor, Wladimir Kaminer, im Deutschlandfunk. "Seit 2012 ist die Gruppe ziemlich in Vergessenheit geraten", so Kaminer. Die Aktion habe die Menschen daran erinnert, dass sie zwar bei einem sportlichen Fest, aber "in einer Diktatur, im Grunde genommen, sich befinden". Gleichzeitig zur WM habe sich der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow, der "zu Unrecht" zu 20 Jahren Haft verurteilt worden sei, im Hungerstreik befunden.
"Russland ist ein Unrechtsstaat", sagte Kaminer weiter. "Und die Polizisten, die so freundlich waren während der WM - es steht natürlich in keinem Himmel geschrieben, dass sie auch nach der WM diese Freundlichkeit behalten werden."
Dieses Deutschland von der AFD ist wenig real
Wladimir Kaminer selbst hat wie viele andere kürzlich die so genannte "Brüsseler Erklärung" unterzeichnet. Die Initiative ging aus von den Grünen-Politikern Claudia Roth und Erhard Grundl und richtet sich gegen den Rechtsruck in Europa und für das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vielfalt und die Freiheit der Kunst. Auf die Frage, wie stark diese Freiheit auch hierzulande bedroht ist, sagte Kaminer: "Die neue Rechte versucht in vielen Bundesländern, ein eigenes Kulturkonzept oder Bildungskonzept für die Schulen zu schaffen. Dieses Deutschland von der AFD ist genauso wenig real wie das Polen von Kaczyński oder Italien von Lega Nord."
Künstler sollten ihre Stimme erheben
Die Aufgabe der Kunst sei es, "die Gardinien aufzumachen, die Fenster aufzureißen und die Türen. Damit wir verstehen, wo wir in Wahrheit sind." An die Kreativen appelliert er: "Ich erwarte von den Künstlern in Europa, dass sie ohen Angst ihre Stimme erheben und sich noch stärker in die politische Situation einmischen."
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