Frankfurt – in einem elektrotechnischen Labor der Fachhochschule, die heute "Frankfurt University of Applied Sciences" heißt, hantiert Peter Nauth mit einem Kotflügel. Er stellt ihn vor einem Ultraschallsensor ab. In fast jedem modernen Auto sind mehrere solcher Sensoren eingebaut. Mit ihnen kann das Auto Entfernungen messen und dem Fahrer so beim Einparken helfen. Der Sensor von Peter Nauth kann mehr.
"Sie sehen jetzt, dass wir vor unserem Sensor ein Teil eines Autos positioniert haben. Das Schallsignal, das reflektiert wurde von dem Autoteil, ist hier dargestellt auf dem Monitor. Das Ergebnis der Analyse ist, dass der Sensor oder unser Verfahren ein Objekt erkannt hat, also sprich ein Autoteil. Wenn wir jetzt das Autoteil wegnehmen und ich mich jetzt als Mensch davor stelle, dann sehen Sie, dass die Klassifikatorensignale auf Rot gehen und damit hat der Sensor erkannt, dass ich ein Mensch bin. Im Verkehr wäre ich ein Fußgänger."
Der Sensor kann Menschen von Autos unterscheiden. Das soll zur Sicherheit von Fußgängern beitragen. Wenn ein Unfall bevorsteht, kann das Auto erkennen, womit es zusammenstößt.
Aktiver Fußgängerschutz
"Wenn es ein Fußgänger ist, dann würde das Auto beziehungsweise die Mechanik im Auto sich so verstellen, dass der Aufprall für den Fußgänger weicher wird, damit dieser weniger starken Verletzungen ausgesetzt ist."
Eine Art aktiver Fußgängerschutz. Das Auto von morgen könnte zum Beispiel Außenairbags haben, die die Motorhaube leicht anheben, damit sie dann nachgeben und einen Aufprall abmildern kann. Manche Autohersteller bieten bereits Systeme zur Fußgängererkennung an. Sie funktionieren mit Radar oder mit Stereo-Kameras. Der Vorteil der Frankfurter-Lösung ist, dass Ultraschall-Sensoren sowieso schon in vielen Autos verbaut sind. Das ganze System funktioniert so ähnlich wie eine Fledermaus: Es schickt Ultraschallwellen ab und lauscht dem Echo dieser Wellen. Dieses Echo klingt bei Menschen anders als bei Autos. Das liegt daran, dass Kleidung rauer ist als eine Karosserie, Menschen anders geformt sind als Autos und sich anders bewegen. Ein spezieller Algorithmus erkennt diese Unterschiede.
"Während der Lernphase machen wir es dann so, dass wir verschiedene Autoteile vor dem Sensor platzieren, dem Sensor sagen: 'Das sind Autoteile'. Und dann stellen wir verschiedene Personen davor. Das System lernt wieder, aber diesmal für die Klasse Personen. Und so sind wir in der Lage, durch dieses lernfähige Verfahren ganz verschiedene Autoproportionen, Autoformen oder auch Menschen mit unterschiedlichen Größen und Proportionen sehr gut mit dem System zu klassifizieren."
Der Prototyp hat eine Trefferquote von 80 Prozent
Das Verfahren hat Peter Nauth mit seinem Kollegen Andreas Pech jüngst patentieren lassen. In Zukunft könnte es nicht nur bei Unfällen den Fußgänger schützen, sondern helfen, Unfälle zu vermeiden. In einem autonomen Auto zum Beispiel. Andreas Pech:
"Beim autonomen Fahrzeug ist ein ganz großes Problem im Moment das Fahren im Stadtverkehr. Im Stadtverkehr kann unvermittelt ein Kind vor das Auto laufen, das vorher verdeckt ist, von einem anderen Auto oder einemBaum.Ein solcher Sensor wird es ermöglichen, eine Entscheidung wesentlich früher zu treffen, als man es bisher kann. Sodass man Zeit gewinnt, zu entscheiden, ob eine Lenkbewegung ausreichend ist oder ob stark abgebremst werden muss."
Mehr Überblick für autonome Autos dank Ultraschall. Doch bis es so weit ist, gibt es noch viel zu tun. Der Prototyp hat eine Trefferquote von 80 Prozent. Das ist nicht viel. Die Forscher wollen ihn weiterentwickeln und die Quote auf 98 Prozent steigern. Dann kann man darüber nachdenken, das System in einem Versuchsfahrzeug zu testen und schließlich die komplette Elektronik in einem Chip zu integrieren. Erst dann wird die Autoindustrie das Verfahren nutzen können und Autos einen Sinn für Fußgänger verleihen.